Die bereits 1911 einsetzende Krise der St.Galler Stickerei intensivierte sich in den 1920er-Jahren. Zwischen 1929 und 1935 brach die Ausfuhr von St.Galler Stickereien um zwei Drittel ein. Die Arbeitslosenzahlen verdoppelten sich zwischen 1930 und 1932. Der Mittelstand hatte mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage zu kämpfen, Konkurse häuften sich. Vielen schien die Politik zu wenig dagegen zu unternehmen. Einige sahen den einzigen Weg aus der Krise in einer autoritären Neuordnung nach nationalsozialistischem Vorbild.
Die Wirtschaftskrise und die Anziehungskräfte des nördlichen Nachbarn nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gipfelten Anfang 1933 im sogenannten «Frontenfrühling». Viele autoritäre und faschistische Gruppierungen organisierten sich und führten oft den «Front»-Begriff im Namen.
«Frontenfrühling» in der Ostschweiz
Anfang der 1930er-Jahre wurden in Zürich verschiedene Gruppen wie etwa die Nationale Front oder die Neue Front gegründet. Die Neue Front, von Robert Tobler mitgegründet, stammte eigentlich aus dem jungliberal-freisinnigen Milieu. Sie stand für eine berufsständische Ordnung (siehe Infobox) und Antimarxismus ein. Fasziniert von der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 im Dritten Reich näherte sich die Neue Front der Nationalen Front an und ging schliesslich in ihr auf.
1932 wurden die Frontenbewegungen in St.Gallen umtriebiger. Ihre Mitglieder waren zum Teil in mehreren dieser Organisationen aktiv, so dass die Zahl der Frontisten in St.Gallen schwierig einzuschätzen ist. Wichtige Organisationen im Kanton waren etwa die Nationale Bewegung Schweiz, die Eidgenössische Sammlung oder die Nationale Opposition. Zum Teil stammten die Mitglieder auch aus anderen Kantonen, so kamen etwa 30 Mitglieder der Nationalen Opposition aus dem Thurgau.
1932 gründete sich die Neue Front in St.Gallen. Ortsgruppenführer war Mario Karrer (siehe Serie-Beitrag über Hans Kläui und Mario Karrer im Juniheft). Im Juli 1933 besuchten 2000 Personen einen Anlass der Gruppierung, darunter auch Gegner der Frontisten. Es kam zu einer Schlägerei mit Sozialdemokraten, die sich den Kampf gegen die helvetische Variante des Faschismus auf die Fahnen geschrieben hatten.
Die Nationale Front war die grösste und wichtigste Frontenorganisation in der deutschsprachigen Schweiz. Verschiedene Gruppen wie die bereits erwähnte Neue Front oder auch die Nationalsozialistische Eidgenössische Arbeiterpartei (NSEAP) schlossen sich ihr an. Sie zählte zu ihren besten Zeiten wohl nicht viel mehr als 9000 Mitglieder. Hochburgen der Partei waren Schaffhausen und Zürich.
Ihr Publikationsorgan «Der Eiserne Besen» stand dafür, die alte Ordnung hinwegzufegen. Die Fröntler zogen von Haus zu Haus, um die Zeitung unters Volk zu bringen. Ihr nahe standen zudem auch die «Front» oder die «Nationalen Hefte», die in den 1930er- und 1940er-Jahren herausgegeben und vom Bundesrat mehrfach zensuriert oder sogar verboten wurden.
Die Nationale Front gründete im Dezember 1933 eine Ortsgruppe im Rheintal und eine in Wattwil. 1934 folgten die drei Ortsgruppen Alttoggenburg, Niederhelfenschwil und Neckertal. Im selben Jahr hatte die Nationale Front im Kanton St.Gallen eine «Gauleitung» eingeführt, die Hans Kläui übernahm (siehe hierzu ebenfalls den Beitrag im Juniheft).
Mit den Kantonen Zürich, Schaffhausen und Aargau zählte der Kanton St.Gallen damit zu den «von der Frontenbewegung am intensivsten durchorganisierten Gegenden», so der Historiker und ehemalige Staatsarchivar Silvio Bucher.
Mitglieder waren vor allem Männer zwischen 20 und 40 Jahren, wie Ursula Stadlmüller in ihrer Masterarbeit zu den Fronten im Kanton St.Gallen schreibt. Die grösste Altersgruppe bildeten mit 35 Prozent die 20- bis 29-Jährigen. Mit 72 Prozent kam die grosse Mehrheit der Mitglieder aus dem Mittelstand: Bauern, Handwerker, Kleinhändler, untere und mittlere Angestellte. Relativ zur Bevölkerungszahl lebten die meisten Frontisten im Kanton im Unterrheintal, in St.Gallen, im Neutoggenburg und in Rorschach. Allerdings bewegen wir uns im Promillebereich, in St.Gallen waren es gerade mal 0,37 Prozent der Bevölkerung.
Am 3. Juli 1938 marschiert die Nationale Front beim Hauptbahnhof St.Gallen auf. (Bild: Staatsarchiv St.Gallen)
Führende Protagonisten der schweizerischen Frontenbewegung reisten nach St.Gallen, um Reden zu halten, etwa Alfred Zander, Rolf Henne, Robert Tobler. Zanders Vortrag in Wattwil besuchten 100 Personen. Den Reden von Karl Meyer und Wolf Wirz lauschten im «Schützengarten» in St.Gallen gar 1000 Anhänger, aber auch Neugierige und Gegner. Eines der Hauptereignisse war der «Gautag» am 3. Juli 1938, als 500 Frontisten aus der ganzen Schweiz durch St.Gallen zogen. Gauführer aus Luzern, Basel, Solothurn, Aargau und Vertreter der Auslandsschweizer Frontistenorganisationen waren vor Ort. Am Abend hielten mit Robert Tobler und Karl Meyer zwei schweizweit führende Frontisten Referate im «Schützengarten».
Krise der Frontenbewegung und behördliche Gegenmassnahmen
In den 26 Punkten des Programms der Nationalen Front trat ein offener Antisemitismus und Antiliberalismus zutage. Für die wirtschaftliche Krise wurden die Juden verantwortlich gemacht, ebenso wurde ihnen in verschwörungstheoretischer Manier ein Einfluss auf die Behörden unterstellt. Die Lösung sah die Frontenorganisation in einer führerorientierten Volksgemeinschaft von «Ariern».
Ihrem Antiliberalismus folgten derweil einige aus dem katholisch-konservativen Milieu (mehr dazu im Serie-Beitrag im Aprilheft). Graduelle Annäherungen an die Fronten gab es auch seitens der Bauernheimatbewegung. Was die St.Galler Presse betrifft, blieben die Sympathien etwa in der katholisch-konservativen Zeitung «Die Ostschweiz» unter Chefredakteur Carl Doka (1896–1980) nicht unbemerkt. Im «Wiler Boten» warb der Redakteur Walter Klinger im Mai 1933 offen für frontistische Ideen: «Wir können nicht glauben, dass die grossen geistigen Bewegungen in Italien, Ungarn, Portugal, Österreich und Deutschland spurlos an der politischen Entwicklung unserer Heimat vorübergehen sollen.» Sie seien eine «gesunde Reaktion» auf den «unheilvollen Wirtschaftsliberalismus» und den «volkszersetzenden Marxismus».
Die radikale Stossrichtung der Fronten und ihre deutschfreundliche Haltung stiessen bei vielen Ostschweizer:innen allerdings auf wenig Gegenliebe. Der Frontenfrühling flaute schweizweit wie auch in der Ostschweiz bereits Mitte der 1930er-Jahre wieder ab. Das hatte auch mit steigendem Druck der Behörden und polizeilichen Massnahmen zu tun.
Der Krise der Frontenbewegung folgten Streitigkeiten um die Führerschaft. Rolf Henne trat als Landesführer der Nationalen Front zurück. Er schloss sich mit anderen dem «Bund treuer Eidgenossen nationalsozialistischer Weltanschauung» (BTE) an. Mitbegründer waren unter anderem Alfred Zander und Hans Oehler, die vorher auch bei der Nationalen Front gewesen waren.
Hennes Nachfolger bei der Nationalen Front wurde Robert Tobler. Nicht selten zankten sich führende Figuren der Fronten um die Leitung der Organisation. Zu beobachten war dabei, dass die jüngere Generation von den Führungsstreitigkeiten der Altfrontisten nichts wissen wollte. Stattdessen gründeten sie bisweilen auch eigene Gruppen. In beiden Appenzell und in St.Gallen waren das etwa die Eidgenössische Sammlung und im Thurgau der Jung-Thurgau.
1938 beschloss der Bundesrat Massnahmen «gegen staatsgefährliche Umtriebe und zum Schutze der Demokratie». Er reagierte damit auf eine Eingabe von Parlamentariern, darunter Johannes Huber, Mitbegründer und erster Präsident der SP St.Gallen, die vom Bund mehr Engagement in diese Richtung forderten. Unter anderem war nun die Beschränkung der Versammlungsfreiheit sowie der Eingriff in die Vereinsfreiheit vereinfacht. Zudem wurde eine Registratur von rechtsextremen (und linksextremen wie auch ausländischen) Personen und Gruppen geführt, die man als Vorläufer der späteren standardisierten Fichen bezeichnen könnte. In der Schweiz wurden 5000 extremistisch eingestellte Personen registriert, in St.Gallen 385. Diese hätten im Kriegsfall verhaftet werden müssen, da man staatsfeindliche Aktivitäten befürchtete. 54 Prozent der Überwachten wurden als rechtsextrem und 41 Prozent als linksextrem eingestuft.
In Rorschach wurde eigens ein kantonales Polizeikommissariat geführt, als Kommissar fungierte Theodor Eisenring, Rorschacher Stadtrat und Anwalt. Zwischen 1930 und 1945 wurden allein in der Stadt St.Gallen
225 Veranstaltungen polizeilich überwacht. 1941 löste die Polizei etwa eine Versammlung der Eidgenössischen Sammlung in St.Gallen auf, da sie nicht bewilligt war. Unter den Anwesenden waren unter anderem Robert Tobler, Hans Kläui und Linus Brunner. Ab 1942 verbot die St.Galler Polizei alle Veranstaltungen der Eidgenössischen Sammlung. Ein Versuch, kantonsübergreifend gegen die Frontisten vorzugehen, versandete am Desinteresse einzelner kantonaler Vertreter.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 ging der St.Galler Stadtrat offensiver gegen die Fronten vor. Kundgebungen wurden nun untersagt. Sie seien «Stimmungsmache gegen die demokratischen Institutionen» und «Judenhetze». Eine Flugblattaktion im Toggenburg wurde von der Polizei abgebrochen, die Rädelsführer festgenommen mit der Begründung, dass die Flyer offenkundig staatsfeindlich seien. Die Nationale Front war einem schweizweiten Verbot mit einer Selbstauflösung 1940 zuvorgekommen.
Verschiedene Politiker forderten eine härtere Gangart, so zum Beispiel auch FDP-Kantonsrat Alfred Baumgartner, der ein Verbot von Gruppen für notwendig hielt, die vom Ausland finanziert oder unterstützt wurden und die das demokratische Staatswesen abschaffen wollten. Auch die Bevölkerung fühle sich durch das Auftreten der Nationalen Front in ihrem «vaterländischen Empfinden» verletzt und die Gefahr von Zusammenstössen mit politischen Gegnern sei gegeben, was die öffentliche Ruhe störe.
Aufmarsch der Nationalen Front am 16. Juni 1935 in Grabs. Vorne links im dunklen Hemd: Mario Karrer. (Bild: ETH-Archiv für Zeitgeschichte)
Offensichtlich wurden die Fronten mit ihrer ideologischen Orientierung nach Deutschland von vielen als nicht-schweizerisch und unpatriotisch wahrgenommen. Jedenfalls sei die Bevölkerung, so der Bericht des Stadtrats, gegen «alle unschweizerischen Umtriebe». Hinweise in diese Richtung gab es unter anderem in Sargans. Dort wurden etwa Geschäfte von Frontisten von der lokalen Bevölkerung boykottiert. In Gossau verweigerte ein Gastwirt der frontistischen Ortsgruppe den Zutritt, sie mussten sich ein anderes Vereinslokal suchen.
Hoffnung auf den «Anschluss» – zweite frontistische Welle
Der Niedergang der Fronten Mitte der 1930er-Jahre schien nach Kriegsausbruch kurzzeitig aufgehalten. Durch die Kriegsniederlage Frankreichs 1940 erfuhren sie einen erneuten Schub. Es kam zu Neugründungen. Im Kanton St.Gallen waren vor allem die Eidgenössisch-Soziale Arbeiter-Partei (ESAP), die Nationale Bewegung Schweiz (NBS), die Sportgruppe Rorschach, Jung-Rhein, die Nationale Opposition und die Eidgenössische Sammlung aktiv. Sie alle wurden ständig polizeilich überwacht.
Die ESAP war 1936 in Zürich gegründet worden und bald darauf auch in St.Gallen aktiv. Mitbegründer und erster Ortsgruppenleiter war Erwin Segmüller, Fotograf und Schriftsteller. Sein Nachfolger wurde Walter Niggli. Der Stützpunkt befand sich im Haus an der Schmiedgasse 6 in St.Gallen. Sie betrieben äusserst aggressive politische Werbung. 1938 erhielten sie einen offenen Brief von den «Frauen vom Westquartier St.Gallen». Darin verwahrte man sich aus christlicher Gesinnung heraus gegen Rassismus. «Allerorts ist man unmutig, dass man es wagt, so verworfene Ideen noch ‹Schweizervolk› zu taufen (…) wir werden uns dagegen wehren, dass Sie weiter dies ‹Schandblatt› verbreiten.»
Die Umtriebigkeit der ESAP vermag aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sie letztlich erfolglos war. Zu ihren Veranstaltungen in St.Gallen kamen meistens kaum zwei Dutzend Leute. Sie fusionierte schliesslich mit der NBS, um ihre Bedeutungslosigkeit zu überwinden, was ihnen jedoch nicht gelang. Die NBS zählte 1940 in St.Gallen etwa 180 Mitglieder und ein paar Dutzend Sympathisanten, wie das städtische Polizeiinspektorat festhielt. Sie folgte in ihrer Programmatik den nationalsozialistischen Leitlinien des Dritten Reichs. Führende Protagonisten waren Mario Karrer, alt Polizeiinspektor Karl Kappeler (1880–1947), Jurist Ferdinand Elser, In-struktionsoffizier Gustav Däniker (1896–1947), der Jurist August Krucker und der Industrielle Arnold Mettler-Specker.
Nach dem Verbot der NBS am 19. November 1940 formierte sich in St.Gallen die «Schweizer Jugend-Front» und Ernst Scheggs (1896–1963) «Jung-Rhein». Schegg war die treibende Kraft hinter diversen Aktivitäten und Gruppen im Rheintal. Er gründete eine Kampfgruppe namens «Schutztrupp» nach SS-Vorbild. Wegen seiner aggressiven verbalen Attacken auf die Schweizer Politik wurde er 1943 zu einer Haftstrafe verurteilt. Ehemalige NBS-Mitglieder gründeten die «Sport-Schule Büeler/Maag» in Rorschach. Sie war eine Tarnorganisation für die SS im Auftrag von Franz Riedweg, dem Luzerner Arzt und SS-Obersturmbannführer, deren Mitglieder in Feldkirch auf Adolf Hitler vereidigt wurden. Zahlenmässig blieb die Gruppe aber im Gegensatz zu analogen Gruppen in Bern und Zürich mit 25 Mann unbedeutend.
Mario Karrer gründete ebenfalls als Reaktion auf das Verbot der NBS die Nationale Opposition (NO). Sie galt manchen als direkte Nachfolgeorganisation, viele ehemalige NBS-Mitglieder wirkten in der NO weiter. Die Organisation hatte Ableger in Rorschach, im Fürstenland und im Unterrheintal.
Ihr wichtigster Vordenker war Hans Kläui. Er verfasste unter anderem das Parteilied, das sogenannte «Säntislied». Darin wurde die Überwindung der Klassengesellschaft durch eine rassische Volksgemeinschaft besungen: «Wir kennen keine Klasse, nur Volk, das einig schafft! Zum Schutz von Blut und Rasse steh’n wir in treuer Kraft». Man gab sich siegesgewiss: «Noch geht es hart geknechtet, von Logengold und Joch; wie sehr man uns entrechtet: Harus! Wir siegen doch!»
Frontistenführer Hans Kläui um 1930. (Bild: Staatsarchiv St.Gallen)
Erwin Segmüller. (Bild: Staatsarchiv St.Gallen)
In Wirklichkeit war dem Verfasser Hans Kläui aber bewusst, wie unrealistisch es war, die grosse Masse der Schweizer Bürger:innen für sich zu gewinnen. Um die nationalsozialistische Revolution in der Schweiz dennoch zu verwirklichen, müsse sie an das Dritte Reich «angeschlossen», sprich: erobert werden. Die Nazis bräuchten dann lediglich fähige Kader, die dann das neue Regime führen könnten. Die Frontisten dachten hierbei selbstverständlich an sich selbst.
Ausschluss aus dem Kantonsrat, aber keine Untersuchung
Während der Zweite Weltkrieg in vollem Gange war, hielt der Schaffhauser Frontist Rolf Henne am 9. November 1941 im St.Galler Hotel Walhalla eine Rede. Die Angst vor Deutschland sei unbegründet. Das neue Europa sei bereits angebrochen. Jetzt sei der Zeitpunkt des sich Einfindens in die neue Ordnung. Man dürfe sich seine Anpassungsmöglichkeiten nicht verscherzen. Jetzt heisse es tüchtig ans Werk zu gehen. Die Gegner dieser «Ummodelung» seien das Kapital, Judentum, Freimaurerei, Kirche und die Presse. Überzeugend oder mobilisierend wirkten solche Reden auf Nicht-Nationalsozialisten wohl kaum. Mit der zunehmenden Repressionswelle der Schweizer Behörden reisten viele ins Dritte Reich und wirkten dort politisch.
Die NO nahm als einzige frontistische Gruppierung an den St.Galler Kantonratswahlen 1942 teil, wobei die Wahlkampagne von Arnold Mettler-Specker finanziert wurde. Sie trat im Bezirk St.Gallen mit einer Dreierliste von Hans Kläui, Mario Karrer und Otto Dietschweiler an. Die ESAP forderte ihre Mitglieder dazu auf, für die NO zu stimmen. Die NO errang schliesslich mit 417 Listenstimmen 3,3 Prozent und schaffte den Einzug ins Parlament mit einem Sitz. Diesen besetzte Mario Karrer, der nur zwei Stimmen mehr als Hans Kläui erhalten hatte.
Als der Bundesrat der NO Spitzeltätigkeit nachweisen konnte, beschloss er deren Verbot und Auflösung per Ende 1942. Auch Karrer wurde nach einer Hausdurchsuchung Spionage nachgewiesen. Als Mitglied einer verbotenen Organisation wurde er aus dem Kantonsparlament ausgeschlossen.
1945 forderten SP-Kantonsrat und 27 Mitunterzeichnende eine Aufklärung und Aufarbeitung der NS-Aktivitäten. FDP-Kantonsrat Hermann Rindlisbacher wollte auch frontistische Umtriebe überprüfen lassen. Die Regierung stellte sich allerdings auf den Standpunkt, dass «verwerfliche Gesinnungen» nach allgemeinen und schweizerischen Rechtsgrundsätzen nicht bestraft werden könnten. Regierungsrat Josef Riedener (1892–1965) meinte dazu: «Wenn alle Schweizer in Untersuchung gezogen werden sollten, die irgendwie hinsichtlich ihrer schweizerischen Gesinnung ‹aus der Reihe getanzt hätten›, so wären wohl der Öffentlichkeit noch einige Überraschungen zu bereiten und könnten möglicherweise auch einzelne Mitunterzeichnete der Interpellation einbezogen werden.»
Eine kantonsparlamentarische Untersuchung der NS- und Frontenaktivitäten war damit abgewehrt. Die Aufgabe wurde den Historiker:innen überlassen. Eine wissenschaftliche Geschichte des Schweizer Faschismus bleibt indes noch zu schreiben.
Silvio Bucher: Frontisten im «Gau Ostschweiz», in: Sankt-Galler Geschichte 2003 (Band 7: Die Zeit des Kantons 1914—1945), S.205–224.
Max Lemmenmeier: Politik zwischen Klassenkampf und nationalem Konsens, in: Sankt-Galler Geschichte 2003 (Band 7: Die Zeit des Kantons 1914–1945), S.55–92.
Ursula Stadlmüller: Fronten im Kanton St.Gallen 1938–1943, unveröffentlichte Lizenziatsarbeit der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich, 2009.
Walter Wolf: Faschismus in der Schweiz. Die Geschichte der Frontenbewegungen in der deutschen Schweiz 1930–1945. Flamberg, Zürich 1969.
Bettina Zangerl: Schweizer Frontisten in der Waffen-SS, Online-Beitrag von ETHeritage, 1. März 2024, (etheritage.ethz.ch/2024/03/01/schweizer-frontisten-in-der-waffen-ss/), zuletzt abgerufen am 14. August 2025
Diverse Artikel im Historischen Lexikon Schweiz (HLS), hls.ch