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Der "Kulturplatz" im St.Galler Museumsquartier wird nicht neu gestaltet. Zum fragwürdigen Stadtratsentscheid ein Kommentar von Marko Sauer.

Der Wettbewerb für den Kulturplatz brachte ein erstaunliches Resultat hervor. Als einziges Projekt zeigte „Blue Notes in major scale“ des mittlerweile in St. Gallen ansässigen Büros Barao Hutter keinen Platz, sondern eine Strasse. Die Frage, ob es sich bei dem Raum zwischen Theater und Tonhalle überhaupt um einen Platz handelt, ist berechtigt: Der Name „Kulturplatz“ ist politisch entstanden und stammt aus einem immer noch hängigen Postulat aus dem Jahre 1999. Anstatt den romantischen Wunsch nach diesem Platz zu erfüllen, schürften die jungen Architekten in der Tiefe. Sie stellten fest, dass es diesen Platz gar nicht geben kann, weil die Museumsstrasse auf der ganzen Länge befahrbar bleibt. Mit ihrer brillanten Analyse des Museumsquartiers haben sie die einzig richtige Antwort auf die Situation gefunden: Sie reparieren den Anschluss ans Zentrum, indem sie die Strassenführung korrigieren und die ursprüngliche Massstäblichkeit des Strassenraums wieder herstellen.
Falsch aufgegleist
Der Stadtrat hat nun beschlossen, das Projekt nicht umzusetzen. In einer angespannten finanziellen Lage muss das Nötige vom Wünschenswerten getrennt werden. Und die Neugestaltung der Museumsstrasse ist bestimmt kein dringendes Projekt. Es erstaunt aber sehr, dass der Stadtrat schreibt, dass nicht nur finanzielle Überlegungen eine Rolle spielten, sondern auch „die qualitative Beurteilung des Siegerprojektes durch den Stadtrat“. Er unterstellt einer fachlich hoch qualifizierten Jury, das falsche Projekt gewählt zu haben– und rückt damit den Projektwettbewerb in ein schlechtes Licht.
Markus Buschor kommentiert (hier), dass der Stadtrat nicht bekommen habe, was er bestellt habe. Und lenkt damit den Blick in eine andere Richtung. Denn das Resultat zeigt wohl eher, dass der damalige Stadtrat seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte und nicht wusste, was er bestellen soll: Aus städtebaulicher Sicht macht es keinen Sinn, von einem Platz zu sprechen. Wenn der Stadtrat die Ausschreibung aber doch in diese Richtung laufen lässt, dann muss die Jury am Ende zwischen einem schlechten und einem mutigen Projekt wählen.
Die Fachleute in der Jury haben das einzig Richtige getan und das Projekt gewählt, das die gestellte Aufgabe kritisch hinterfragt und so die beste Lösung präsentiert. Dies ist die grosse Stärke aller Projektwettbewerbe: Zu einem frühen Zeitpunkt werden Aufgabenstellungen mit den unterschiedlichsten Konzepten durchgespielt – eben auch mit mutigen und kritischen. Allerdings scheint in diesem Fall der Mut nun schon früh verloren gegangen zu sein.
Ein strukturelles Problem
Die St. Galler Plätze gaben in letzter Zeit viel zu reden: das Hickhack um den Marktplatz, die lauwarme Unterstützung für den Bahnhofsplatz – und nun das stille Ableben des Kulturplatzes. Woher kommt das? Ein Blick auf die Organigramme der Direktion Bau und Planung gibt einen Hinweis, wo das Problem liegen könnte. Dort sind die Plätze den Strassen zugeordnet. Und zwar unter dem Ressort „nutzungsorientierte Strassen“ im Tiefbauamt.
Aber: In den Städten werden die Aussenräume immer intensiver genutzt und die Frage nach ihrer Qualität wird wichtiger. Die Plätze und oft auch die Strassenräume stellen daher in erste Linie eine städtebauliche Aufgabe dar – keine technische. Auf solche Fragen kann das Tiefbauamt mit seinen technisch ausgerichteten Mitarbeitenden kaum Antworten finden. Zumal es selbst keine Wettbewerbe durchführen kann und auf die Unterstützung des Stadtplanungsamtes angewiesen ist, das nun die Suppe auslöffeln darf.
Diese Strukturen zu bereinigen, würde den Plätzen der Stadt wohl am meisten dienen.
Marko Sauer, Architekt und Fachjournalist, ist Redaktor für Architektur und Wettbewerbe bei TEC21 – der Fachzeitschrift für Achitektur, Ingenieurswesen und Umwelt.