Der Wiler Mittelfinger ist zurück

«Wir machen Battle-Rap mit Haltung, mehr nicht»: Projekt ET. (Bild: Jurek Edel)

Heute veröffentlichen Projekt ET ihr drittes Album Eskapade & Tumult. Trotz des lauten Titels setzt die Band diesmal auch auf ruhigere Zwischentöne.

Mit Mu­sik die Au­gen öff­nen, die Hö­rer:in­nen von ei­ner bes­se­ren Welt über­zeu­gen und die­se so zum Gu­ten ver­än­dern: Ein ho­her An­spruch, dem al­ler­dings kaum ein Mu­si­kact ge­recht wer­den kann. Auch Pro­jekt ET nicht. Und dies auch nicht wol­len. «Wers glaubt, dem wird ghol­fe, doch Rap isch nur Pla­ce­bo», heisst es in ei­ner Songzei­le. 

«Wir ma­chen Batt­le-Rap mit Hal­tung, mehr nicht», sagt Rap­per Jan ali­as Epik. Das Trio aus Wil wird ger­ne als ak­ti­vis­ti­sche Po­lit-Band be­zeich­net. «Da­bei sit­zen wir nur al­le zwei Jah­re im Stu­dio und schrei­ben auf, was uns be­schäf­tigt.» Ak­ti­vis­mus sei viel­mehr das En­ga­ge­ment je­ner Men­schen, die jahr­ein, jahr­aus im­mer wie­der auf die Stras­se ge­hen.

In Es­ka­pa­de & Tu­mult stellt die Band klar, wo ihr Platz in der Sze­ne ist. Sie teilt ge­gen Fa­schos und weich­ge­wa­sche­ne Brü­cken­bau­er aus. Ge­gen Du­des, die nicht che­cken, wann der fal­sche Mo­ment ist, das T-Shirt aus­zu­zie­hen – bei­spiels­wei­se im Nacht­le­ben –, und ge­gen Rap­per, die ih­re Fans nicht zu­recht­wei­sen, wenn es nö­tig wä­re. Die Hal­tung ist Pro­jekt ET wich­tig. Im­mer­hin ist auch der Ur­sprung von Rap als Kunst­form ein hoch­po­li­ti­scher. «Na­tür­lich ist es voll okay, wenn Rap nicht ex­pli­zit po­li­tisch ist», sagt Epik. «Und un­se­re Li­nes wer­den oft viel schnel­ler in ei­nen po­li­ti­schen Kon­text ge­zo­gen als an­de­re.» So gab es schon Text­deu­tun­gen, die sie selbst gar nicht pro­vo­zie­ren woll­ten.

Vie­les ist gleich­ge­blie­ben

«Ich ha­be manch­mal den Ein­druck, dass von uns er­war­tet wird, uns mit je­dem Al­bum neu zu er­fin­den. Doch das wol­len wir gar nicht», sagt Epik. Die Mu­sik­in­dus­trie ver­langt In­no­va­ti­on und künst­le­ri­sches Wachs­tum. Tay­lor Swift läu­tet mit je­dem Al­bum ei­ne neue «Era» ein: ei­ne neue Äs­the­tik, neue Ein­flüs­se aus bis­her von ihr un­be­rühr­ten Gen­res, ei­ne neue Per­so­na. Oft geht es dar­um, me­dia­le Re­so­nanz zu er­zie­len, denn et­was ver­meint­lich Neu­es ver­kauft sich bes­ser. Pro­jekt ET igno­rie­ren die­se Ge­bo­te. Sie ma­chen Rap, der in­zwi­schen viel­leicht et­was er­wart­bar ist, aber eben gut. So, wie ihn das Pu­bli­kum liebt.

Das neue Al­bum knüpft un­über­hör­bar am Vor­gän­ger Mo­ral­pa­nik an. Die­ses folg­te auf den le­gen­dä­ren Auf­tritt am Cy­pher 2023 und setz­te die Mess­lat­te sehr hoch. «Wir wuss­ten, dass es jetzt nicht ein­fach wird», sagt Epik. Es­ka­pa­de & Tu­mult kann das Qua­li­täts­le­vel al­ler­dings pro­blem­los hal­ten. Wer Mo­ral­pa­nik moch­te, wird nicht ent­täuscht sein. Der Stil und die The­men blei­ben die glei­chen. Die Pro­ble­me der Welt ha­ben sich seit dem ers­ten Al­bum im Grund­satz ja nicht gross ver­än­dert. Die Band hat ih­re Rol­le ge­fun­den und es ist gut, dass sie die­se nicht auf­gibt.

Pri­vi­le­gi­en re­flek­tie­ren

Was in Mo­ral­pa­nik je­doch gänz­lich fehl­te, wa­ren ru­hi­ge Tö­ne. Sol­che fin­den sich nun auf Es­ka­pa­de & Tu­mult: Tracks wie Grau­zo­ne, Tür­spi­on, oder Gä­gend ge­ben dem Al­bum lang­sa­me und zu­rück­hal­ten­de Mo­men­te. Es wer­den ei­ge­ne Pri­vi­le­gi­en re­flek­tiert und Pro­ble­me the­ma­ti­siert, von de­nen die zwei rap­pen­den cis He­ten mit Schwei­zer Pass nicht be­trof­fen sind. Sie tun es sorg­fäl­tig und kon­se­quent: Män­ner schüt­zen ist ein Pri­vi­leg, ge­nau­so wie beim Wort «Ra­ke­te» an Gla­cé den­ken.

Pro­jekt ET ha­ben ver­stan­den, dass sie die Welt nicht in ei­nem halb­stün­di­gen Al­bum ver­än­dern kön­nen. Da­für sind sie trotz tref­fen­der Pun­ch­li­nes zu be­schei­den. Aber sie lie­fern den Beat für ei­ne wi­der­bors­ti­ge Be­we­gung und ge­ben den Punks und lin­ken Gut­men­schen aus der Pro­vinz ei­ne Stim­me. Ein Mit­tel­fin­ger an al­le, die mit dem Sta­tus quo ei­gent­lich ganz zu­frie­den sind.


Pro­jekt ET: Es­ka­pa­de & Tu­mult, er­schie­nen am 3. Ok­to­ber auf den gän­gi­gen Strea­ming­platt­for­men. 
Live: 13. De­zem­ber, 21 Uhr, Ga­re de Li­on, Wil (Plat­ten­tau­fe, aus­ver­kauft); Sup­port: Lu­ci Bling. 
pro­jek­tet.band­camp.com

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