Mit Musik die Augen öffnen, die Hörer:innen von einer besseren Welt überzeugen und diese so zum Guten verändern: Ein hoher Anspruch, dem allerdings kaum ein Musikact gerecht werden kann. Auch Projekt ET nicht. Und dies auch nicht wollen. «Wers glaubt, dem wird gholfe, doch Rap isch nur Placebo», heisst es in einer Songzeile.
«Wir machen Battle-Rap mit Haltung, mehr nicht», sagt Rapper Jan alias Epik. Das Trio aus Wil wird gerne als aktivistische Polit-Band bezeichnet. «Dabei sitzen wir nur alle zwei Jahre im Studio und schreiben auf, was uns beschäftigt.» Aktivismus sei vielmehr das Engagement jener Menschen, die jahrein, jahraus immer wieder auf die Strasse gehen.
In Eskapade & Tumult stellt die Band klar, wo ihr Platz in der Szene ist. Sie teilt gegen Faschos und weichgewaschene Brückenbauer aus. Gegen Dudes, die nicht checken, wann der falsche Moment ist, das T-Shirt auszuziehen – beispielsweise im Nachtleben –, und gegen Rapper, die ihre Fans nicht zurechtweisen, wenn es nötig wäre. Die Haltung ist Projekt ET wichtig. Immerhin ist auch der Ursprung von Rap als Kunstform ein hochpolitischer. «Natürlich ist es voll okay, wenn Rap nicht explizit politisch ist», sagt Epik. «Und unsere Lines werden oft viel schneller in einen politischen Kontext gezogen als andere.» So gab es schon Textdeutungen, die sie selbst gar nicht provozieren wollten.
Vieles ist gleichgeblieben
«Ich habe manchmal den Eindruck, dass von uns erwartet wird, uns mit jedem Album neu zu erfinden. Doch das wollen wir gar nicht», sagt Epik. Die Musikindustrie verlangt Innovation und künstlerisches Wachstum. Taylor Swift läutet mit jedem Album eine neue «Era» ein: eine neue Ästhetik, neue Einflüsse aus bisher von ihr unberührten Genres, eine neue Persona. Oft geht es darum, mediale Resonanz zu erzielen, denn etwas vermeintlich Neues verkauft sich besser. Projekt ET ignorieren diese Gebote. Sie machen Rap, der inzwischen vielleicht etwas erwartbar ist, aber eben gut. So, wie ihn das Publikum liebt.

Das neue Album knüpft unüberhörbar am Vorgänger Moralpanik an. Dieses folgte auf den legendären Auftritt am Cypher 2023 und setzte die Messlatte sehr hoch. «Wir wussten, dass es jetzt nicht einfach wird», sagt Epik. Eskapade & Tumult kann das Qualitätslevel allerdings problemlos halten. Wer Moralpanik mochte, wird nicht enttäuscht sein. Der Stil und die Themen bleiben die gleichen. Die Probleme der Welt haben sich seit dem ersten Album im Grundsatz ja nicht gross verändert. Die Band hat ihre Rolle gefunden und es ist gut, dass sie diese nicht aufgibt.
Privilegien reflektieren
Was in Moralpanik jedoch gänzlich fehlte, waren ruhige Töne. Solche finden sich nun auf Eskapade & Tumult: Tracks wie Grauzone, Türspion, oder Gägend geben dem Album langsame und zurückhaltende Momente. Es werden eigene Privilegien reflektiert und Probleme thematisiert, von denen die zwei rappenden cis Heten mit Schweizer Pass nicht betroffen sind. Sie tun es sorgfältig und konsequent: Männer schützen ist ein Privileg, genauso wie beim Wort «Rakete» an Glacé denken.
Projekt ET haben verstanden, dass sie die Welt nicht in einem halbstündigen Album verändern können. Dafür sind sie trotz treffender Punchlines zu bescheiden. Aber sie liefern den Beat für eine widerborstige Bewegung und geben den Punks und linken Gutmenschen aus der Provinz eine Stimme. Ein Mittelfinger an alle, die mit dem Status quo eigentlich ganz zufrieden sind.
Projekt ET: Eskapade & Tumult, erschienen am 3. Oktober auf den gängigen Streamingplattformen.
Live: 13. Dezember, 21 Uhr, Gare de Lion, Wil (Plattentaufe, ausverkauft); Support: Luci Bling.
projektet.bandcamp.com