Kunst
Bunter Beton
Die Strasse gehört den Autos, den Velos, den Bussen? Von wegen! Sie gehört allen – ob mit oder ohne Fahrzeug. Sie ist mehr als von Bordstein und Leitplanken begrenzter Asphalt. Sie ist öffentlicher Raum. Hier spielt sich das Leben ab – und die Kunst. Künstlerinnen haben auf der Strasse aufsehenerregende Aktionen veranstaltet, Künstler haben Interventionen in Form kurzer irritierender Momente entworfen, Filmemacherinnen stellen die Menschen auf der Strasse in den Mittelpunkt ihrer Arbeit, Fotografen haben die Schönheit alltäglicher Szenen festgehalten, andere haben gesammelt, gesäubert, gemalt. Diese grosse künstlerische Vielfalt zeigt das Kunstmuseum Liechtenstein in der aktuellen Ausstellung. Sie blendet auch abweisende Seiten der Strasse nicht aus, die Kälte, das aufenthaltsfeindliche und manipulative Mobiliar. Dennoch bleibt die Gesamtstimmung der Schau positiv, denn sie zeigt, wie die Strasse zum gemeinsamen Gestaltungsraum werden kann. (Kristin Schmidt)
«Auf der Strasse»: bis 31. August, Kunstmuseum Liechtenstein
kunstmuseum.li
Rundgang
Friedens- und Fluchtgeschichten
Auf dem Friedensweg von Heiden nach Walzenhausen lässt sich Geschichtliches und Kulturelles mit dem Wandern verbinden. Neben den saftig grünen Hügeln des Appenzellerlands lassen sich hier die humanitären Lebenswerke von Jakob Künzler, Carl Lutz, Margrit Besmer und Willi Kobe, Paul Vogt, Gertrud Kurz, Catharina Sturzenegger, Theodosius Florentini, Carl «Bö» Böckli und Henry Dunant entdecken. Die Wanderung führt von Heiden über Wolfhalden und das Mühltobel nach Walzenhausen – kann aber auch in die entgegengesetzte Richtung gelaufen werden. Dabei finden Wandervögel an jeder Station Informationen zur humanitären Arbeit der bekannten Schweizer:innen. Ebenso spannend ist der mobile Hörweg «über die Grenze». Das Projekt des Jüdischen Museums Hohenems zeigt die Fluchtgeschichten tausender Menschen zwischen 1938 und 1945 vom Bodensee bis nach Vorarlberg. Mit dem Velo lassen sich 52 Hörstationen entlang der Radroute 1, von Bregenz nach Partenen, abfahren und dabei Fluchtbiografien erfahren. Über QR-Codes erhält man auf der Radroute genauso wie auf der Wanderung im Appenzellerland alle Informationen direkt aufs Handy und ist so mitten im (historischen) Geschehen. (Daria Frick)
friedens-stationen.ch
ueber-die-grenze.at
Literatur
Im Rucksack ein Buch
Cyrill Stieger, Osteuropakenner und Publizist, wandert gerne, am liebsten mit einem Buch im Rucksack. «Was gibt es Schöneres», schreibt er in der Einleitung zu WanderOrte, «als mit einem Roman, einer Erzählung oder einem Gedicht im Rucksack zu literarischen Schauplätzen zu wandern?» 16 seiner Wanderberichte, zuerst in der Literaturzeitschrift «Orte» erschienen, sind überarbeitet in diesem Buch versammelt. Eröffnet wird es mit Robert Walser in Herisau und Henry Dunant in Heiden. Bei Walser staunt Stieger über die Ausdauer sowie die Essens- und Trinkfreude von Walser und Carl Seelig, Schriftsteller und Vormund seines Freundes. Die Wanderung zum eher unglückseligen Rotes-Kreuz-Gründer Henry Dunant bezieht sich auf Eveline Haslers Der Zeitreisende und endet nach einigem Auf und Ab im Restaurant Ochsen in Grub AR, Schauplatz von Friedrich Glausers letztem Roman Die Speiche. Mit einer weiteren Wanderung geht es ins Glarnerland, nach Tierfehd, Rückzugsort und Liebesnest von Karl Kraus. Die verbleibenden 13 Wanderungen führen etwa ins Maderanertal (Otto F. Walter), Tessin (Aline Valangin und E. M. Remarque) oder ins Wallis (R. M. Rilke, Corinne Bille und Charles F. Ramuz). (Richard Butz)
Cyrill Stieger: WanderOrte – Literarische Werke und ihre Schauplätze. Mit Fotos von Marcel Steiner. Orte Verlag, Schwellbrunn 2025.