SAITEN: Jane, du bist jetzt offiziell die beste Komikerin im Land: Swiss Comedy Award. Bestes Solo. Wie fühlt es sich an, so urplötzlich in den vermeintlichen Olymp gehoben zu werden?
Jane Mumford: Für mich war die Auszeichnung schon ziemlich ... erstaunlich! Der Award wird ja ausschliesslich von meinen Berufskolleg:innen verliehen. Die gucken so viele Dinge und haben alle einen sehr individuellen Geschmack, und wenn sie mich ehren, dann macht das schon was mit mir. Da ich eine ziemliche Streberin bin, finde ich es sehr schön, solche handfesten Beweise für meine Leistung zu bekommen.
Welchen Stellenwert hat dieser Award für dich?
Ich bin schon so lange ohne Awards unterwegs und kenne so viele meiner Lieblingskünstler:innen, die auch noch keinen Award gewonnen haben, dass es mich überhaupt nicht demotiviert hätte, wenn ich nicht gewonnen hätte. Eine Nomination ist ja auch schon grandios! Vor allem mit solchen Mitnominierten: Milan Milanski, Schwugo der Herzen, und Lara Stoll, Treasure of our Nation. Zwei der grössten Goldschätze der Szene. Ich hatte darum, als ich bei der Preisverkündung meinen Namen hörte, erstmal ein ganz schlechtes Gefühl. Warum ich? Warum nicht die anderen? Hätten sie es nicht mehr verdient? Darf ich mich freuen? Irgendwie habe ich mich schon gefreut, aber wenn man die Aufnahmen schaut, könnte man zu Recht sagen: tell your face!
Was du in deinen Soloprogrammen machst, geht ja weit über Stand-up-Comedy hinaus: Du performst und schauspielerst, tanzt und singst alleine auf der Bühne. 90 Minuten. Wie anstrengend ist das? Trainierst du davor auch richtig Kondition?
So ein Soloprogramm ist schon physisch fordernd. Jetzt würde ich gerne sagen, dass ich dreimal pro Woche Fitnesstraining und vor der Show noch 45 Minuten Stretching mache. Faktisch habe ich aber nicht genug Zeit in meinem Leben geschafft für so was, darum: ich mache ab und zu Yoga zuhause und ich mache ein 15-minütiges Stretching zum Aufwärmen. Noch biz Stepp-Aufwärmübungen in den Schuhen, die ganzen Tänze zwei bis drei Mal durch und voilà …
Wie fühlt es sich an, wenn man zu Beginn der Show das Publikum nicht so richtig erreicht und weiss: Okay, ihr und ich, wir müssen da jetzt noch ziemlich lange gemeinsam durch …
Ich glaube, wer seit über zehn Jahren in der Schweiz auf Bühnen steht, merkt unweigerlich: Stille muss nichts heissen. Ich hatte schon Abende, an denen ich dachte, nach der Show würde ich gelyncht. Aber dann kommen trotzdem Leute zu dir und sagen: «Super Abend, das hat mir total gefallen!»
In deinem neuen Programm sprichst du auch über deine Zeiten als Goth-Teenager. Ich glaube, dass so ein Blick zurück auf die eigenen Unsicherheiten immer ungeheures Comedy-Potenzial bietet, aber auch extrem schmerzhaft sein kann, oder?
Ja. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Aber ich glaube, das ist es für viele andere auch. Du wirst bombardiert mit Informationen über die Welt, musst innerhalb weniger Jahre deine ganze Persönlichkeit ready machen, um in der Welt schutzlos zu überleben, und gleichzeitig findest du plötzlich Haare am grossen Zeh und fragst dich, was passiert. Es ist eine Phase des Scheiterns. Und sie geht immer weiter. Auch Comedy ist ein riesiges Scheitern!
Wie meinst du das?
Etwa wenn ich Material teste, das noch nicht lustig ist. Am Anfang ist das die Hölle, aber irgendwann merkst du, dass ja gar nichts Schlimmes passiert, wenn du mal schlecht bist. Und das ist dann die ultimative Befreiung. Zu merken: Hey, ich darf ja Dinge ausprobieren! Jeder Mensch sollte diese Erfahrung mal machen dürfen.
Du schreibst über Monate an einem Programm. Wie viel Material wird da noch gestrichen?
Gute Frage. Bei meinem ersten Soloprogramm hatte ich am Anfang 30 Seiten Material und am Ende waren es noch 17. Ich schmeisse also etwa die Hälfte weg. Oder, wie ich es mir einrede: aufbewahrt für später. Darlings killen war noch nie meine Stärke. Jetzt, nach mehr als zehn Aufführungen, spüre ich langsam, was weg darf, und lasse das auch spontan mal weg.
Wie muss man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Einen Arbeitsalltag hätte ich gerne mal. Leider organisiere ich mich meist so, dass ich vier bis fünf Dinge an einem Tag erledigen muss. Wenn ich eine reine Schreibwoche wollen würde, müsste ich mich direkt irgendwo in einer Berghütte einsperren. Vielleicht mache ich das auch fürs nächste Programm. Oder auch ohne Programm. Einfach mal wegsperren. Klingt irgendwie wholesome.
Du liebst ja auch Popkultur-Referenzen, querbeet durch die Genres: Was schaust du besonders gern? Welche drei Personen haben dich so richtig geprägt?
Als ich jung war: Monty Python, David Bowie, Jonie Mitchell. In allen Aspekten. Letztere beide hatten ja auch einen exzellenten Sinn für Humor, auch wenn ihr Werk das auf den ersten Blick nicht so vermuten lässt. Und als Erwachsene sind meine Vorbilder vor allem so halb-politische Dinge wie Deborah Frances-Whites Podcast The Guilty Feminist, Lorna Rose Treen und sehr viele junge Komiker:innen, die gerade in die Szene kommen. Die sind so unbekümmert, das macht mich so unglaublich glücklich und inspiriert mich selbst, unbekümmerter zu sein. Ich weiss nicht, was passiert ist in den letzten zehn Jahren, aber ich wäre so gerne wieder eine Newcomerin. Es sieht so verdammt viel spassiger aus als damals, als ich noch eine war!
Wie schwer war der Weg für dich als Komikerin? Bist du immer noch mit Problemen konfrontiert?
Uns Frauen wird ja nicht nur gesagt, dass wir keinen Platz einnehmen dürfen. Sondern wir hören auch von allen Seiten, dass wir nicht lustig sind. Es gibt in der Schweizer Comedyszene Menschen in ganz wichtigen Positionen, von denen man einfach weiss, dass sie Frauen nicht lustig finden. Als Flinta*-Person musst du immer besonders dankbar sein, dass du gebucht wirst – und wehe, du hast dann noch einen Anspruch! Irgendwann kriegst du das Gefühl, du bist für alle nur anstrengend. Denn wir müssen nicht nur unbequem für andere Menschen sein, indem wir auf einer Bühne sichtbar existieren, sondern dann müssen wir diese Menschen auch noch in diesem Zustand zum Lachen bringen! An dieser Stelle: Hut ab an alle Flinta*-Personen, die überhaupt etwas machen. Es nicht zu tun, wäre so viel einfacher. Aber fuck, wir wollen halt Dinge machen! Und das Schöne ist: Wenn du dann auf der Bühne stehst und ein Witz funktioniert, dann heisst das: andere Menschen haben dir zugehört, mitgedacht und konnten sich mit einem Gedanken identifizieren. Was für eine Ehre! Du siehst: Für meine Generation ist das alles noch überhaupt nicht selbstverständlich.
Dachtest du auch mal ans Aufgeben?
Wenn es zu meinen Anfangszeiten Hazel Brugger nicht gegeben hätte, hätte ich wohl wieder aufgehört. Aber sie war da und stand einfach in einem T-Shirt auf der Bühne und hat gar nichts Extravagantes geboten ausser ihren klugen Gedanken und Beobachtungen. Ich konnte zum Glück immer an sie denken und mir sagen: Es ist möglich. Don't give up!
Jane Mumford: Leben: 22. November, 20 Uhr, Kulturzentrum Kult-X, Kreuzlingen; 28. und 29. November, jeweils 20 Uhr, Veranstaltungsreihe «Kultur i de Aula», Aula Oberstufenzentrum, Goldach.