«Es nicht zu tun, wäre so viel einfacher»

Die Komikerin Jane Mumford ist mit dem Swiss Comedy Award ausgezeichnet worden. Im Interview spricht sie über den Preis, ihre Jugendzeit und darüber, dass die Szene für Flinta*-Personen noch immer eine Herausforderung ist. Ende November tritt sie in Kreuzlingen und Goldach auf.

Die Komikerin Jane Mumford (Bild: pd/SilasZindel)

SAI­TEN: Ja­ne, du bist jetzt of­fi­zi­ell die bes­te Ko­mi­ke­rin im Land: Swiss Co­me­dy Award. Bes­tes So­lo. Wie fühlt es sich an, so ur­plötz­lich in den ver­meint­li­chen Olymp ge­ho­ben zu wer­den? 

Ja­ne Mum­ford: Für mich war die Aus­zeich­nung schon ziem­lich ... er­staun­lich! Der Award wird ja aus­schliess­lich von mei­nen Be­rufs­kol­leg:in­nen ver­lie­hen. Die gu­cken so vie­le Din­ge und ha­ben al­le ei­nen sehr in­di­vi­du­el­len Ge­schmack, und wenn sie mich eh­ren, dann macht das schon was mit mir. Da ich ei­ne ziem­li­che Stre­be­rin bin, fin­de ich es sehr schön, sol­che hand­fes­ten Be­wei­se für mei­ne Leis­tung zu be­kom­men. 

Wel­chen Stel­len­wert hat die­ser Award für dich? 

Ich bin schon so lan­ge oh­ne Awards un­ter­wegs und ken­ne so vie­le mei­ner Lieb­lings­künst­ler:in­nen, die auch noch kei­nen Award ge­won­nen ha­ben, dass es mich über­haupt nicht de­mo­ti­viert hät­te, wenn ich nicht ge­won­nen hät­te. Ei­ne No­mi­na­ti­on ist ja auch schon gran­di­os! Vor al­lem mit sol­chen Mit­no­mi­nier­ten: Mi­lan Mi­lan­ski, Schwu­go der Her­zen, und La­ra Stoll, Tre­asu­re of our Na­ti­on. Zwei der gröss­ten Gold­schät­ze der Sze­ne. Ich hat­te dar­um, als ich bei der Preis­ver­kün­dung mei­nen Na­men hör­te, erst­mal ein ganz schlech­tes Ge­fühl. War­um ich? War­um nicht die an­de­ren? Hät­ten sie es nicht mehr ver­dient? Darf ich mich freu­en? Ir­gend­wie ha­be ich mich schon ge­freut, aber wenn man die Auf­nah­men schaut, könn­te man zu Recht sa­gen: tell your face!

Was du in dei­nen So­lo­pro­gram­men machst, geht ja weit über Stand-up-Co­me­dy hin­aus: Du per­formst und schau­spie­lerst, tanzt und singst al­lei­ne auf der Büh­ne. 90 Mi­nu­ten. Wie an­stren­gend ist das? Trai­nierst du da­vor auch rich­tig Kon­di­ti­on? 

So ein So­lo­pro­gramm ist schon phy­sisch for­dernd. Jetzt wür­de ich ger­ne sa­gen, dass ich drei­mal pro Wo­che Fit­ness­trai­ning und vor der Show noch 45 Mi­nu­ten Stret­ching ma­che. Fak­tisch ha­be ich aber nicht ge­nug Zeit in mei­nem Le­ben ge­schafft für so was, dar­um: ich ma­che ab und zu Yo­ga zu­hau­se und ich ma­che ein 15-mi­nü­ti­ges Stret­ching zum Auf­wär­men. Noch biz Stepp-Auf­wärm­übun­gen in den Schu­hen, die gan­zen Tän­ze zwei bis drei Mal durch und voi­là …

Wie fühlt es sich an, wenn man zu Be­ginn der Show das Pu­bli­kum nicht so rich­tig er­reicht und weiss: Okay, ihr und ich, wir müs­sen da jetzt noch ziem­lich lan­ge ge­mein­sam durch …

Ich glau­be, wer seit über zehn Jah­ren in der Schweiz auf Büh­nen steht, merkt un­wei­ger­lich: Stil­le muss nichts heis­sen. Ich hat­te schon Aben­de, an de­nen ich dach­te, nach der Show wür­de ich ge­lyncht. Aber dann kom­men trotz­dem Leu­te zu dir und sa­gen: «Su­per Abend, das hat mir to­tal ge­fal­len!» 

In dei­nem neu­en Pro­gramm sprichst du auch über dei­ne Zei­ten als Goth-Teen­ager. Ich glau­be, dass so ein Blick zu­rück auf die ei­ge­nen Un­si­cher­hei­ten im­mer un­ge­heu­res Co­me­dy-Po­ten­zi­al bie­tet, aber auch ex­trem schmerz­haft sein kann, oder?

Ja. Das war die schlimms­te Zeit mei­nes Le­bens. Aber ich glau­be, das ist es für vie­le an­de­re auch. Du wirst bom­bar­diert mit In­for­ma­tio­nen über die Welt, musst in­ner­halb we­ni­ger Jah­re dei­ne gan­ze Per­sön­lich­keit re­a­dy ma­chen, um in der Welt schutz­los zu über­le­ben, und gleich­zei­tig fin­dest du plötz­lich Haa­re am gros­sen Zeh und fragst dich, was pas­siert. Es ist ei­ne Pha­se des Schei­terns. Und sie geht im­mer wei­ter. Auch Co­me­dy ist ein rie­si­ges Schei­tern! 

Wie meinst du das?

Et­wa wenn ich Ma­te­ri­al tes­te, das noch nicht lus­tig ist. Am An­fang ist das die Höl­le, aber ir­gend­wann merkst du, dass ja gar nichts Schlim­mes pas­siert, wenn du mal schlecht bist. Und das ist dann die ul­ti­ma­ti­ve Be­frei­ung. Zu mer­ken: Hey, ich darf ja Din­ge aus­pro­bie­ren! Je­der Mensch soll­te die­se Er­fah­rung mal ma­chen dür­fen.

Du schreibst über Mo­na­te an ei­nem Pro­gramm. Wie viel Ma­te­ri­al wird da noch ge­stri­chen? 

Gu­te Fra­ge. Bei mei­nem ers­ten So­lo­pro­gramm hat­te ich am An­fang 30 Sei­ten Ma­te­ri­al und am En­de wa­ren es noch 17. Ich schmeis­se al­so et­wa die Hälf­te weg. Oder, wie ich es mir ein­re­de: auf­be­wahrt für spä­ter. Dar­lings kil­len war noch nie mei­ne Stär­ke. Jetzt, nach mehr als zehn Auf­füh­run­gen, spü­re ich lang­sam, was weg darf, und las­se das auch spon­tan mal weg. 

Wie muss man sich dei­nen Ar­beits­all­tag vor­stel­len?

Ei­nen Ar­beits­all­tag hät­te ich ger­ne mal. Lei­der or­ga­ni­sie­re ich mich meist so, dass ich vier bis fünf Din­ge an ei­nem Tag er­le­di­gen muss. Wenn ich ei­ne rei­ne Schreib­wo­che wol­len wür­de, müss­te ich mich di­rekt ir­gend­wo in ei­ner Berg­hüt­te ein­sper­ren. Viel­leicht ma­che ich das auch fürs nächs­te Pro­gramm. Oder auch oh­ne Pro­gramm. Ein­fach mal weg­sper­ren. Klingt ir­gend­wie who­le­so­me.

Du liebst ja auch Pop­kul­tur-Re­fe­ren­zen, quer­beet durch die Gen­res: Was schaust du be­son­ders gern? Wel­che drei Per­so­nen ha­ben dich so rich­tig ge­prägt?

Als ich jung war: Mon­ty Py­thon, Da­vid Bo­wie, Jo­nie Mit­chell. In al­len Aspek­ten. Letz­te­re bei­de hat­ten ja auch ei­nen ex­zel­len­ten Sinn für Hu­mor, auch wenn ihr Werk das auf den ers­ten Blick nicht so ver­mu­ten lässt. Und als Er­wach­se­ne sind mei­ne Vor­bil­der vor al­lem so halb-po­li­ti­sche Din­ge wie De­bo­rah Fran­ces-Whites Pod­cast The Guil­ty Fe­mi­nist, Lor­na Ro­se Treen und sehr vie­le jun­ge Ko­mi­ker:in­nen, die ge­ra­de in die Sze­ne kom­men. Die sind so un­be­küm­mert, das macht mich so un­glaub­lich glück­lich und in­spi­riert mich selbst, un­be­küm­mer­ter zu sein. Ich weiss nicht, was pas­siert ist in den letz­ten zehn Jah­ren, aber ich wä­re so ger­ne wie­der ei­ne New­co­me­rin. Es sieht so ver­dammt viel spas­si­ger aus als da­mals, als ich noch ei­ne war!

Wie schwer war der Weg für dich als Ko­mi­ke­rin? Bist du im­mer noch mit Pro­ble­men kon­fron­tiert? 

Uns Frau­en wird ja nicht nur ge­sagt, dass wir kei­nen Platz ein­neh­men dür­fen. Son­dern wir hö­ren auch von al­len Sei­ten, dass wir nicht lus­tig sind. Es gibt in der Schwei­zer Co­me­dy­sze­ne Men­schen in ganz wich­ti­gen Po­si­tio­nen, von de­nen man ein­fach weiss, dass sie Frau­en nicht lus­tig fin­den. Als Flin­ta*-Per­son musst du im­mer be­son­ders dank­bar sein, dass du ge­bucht wirst – und we­he, du hast dann noch ei­nen An­spruch! Ir­gend­wann kriegst du das Ge­fühl, du bist für al­le nur an­stren­gend. Denn wir müs­sen nicht nur un­be­quem für an­de­re Men­schen sein, in­dem wir auf ei­ner Büh­ne sicht­bar exis­tie­ren, son­dern dann müs­sen wir die­se Men­schen auch noch in die­sem Zu­stand zum La­chen brin­gen! An die­ser Stel­le: Hut ab an al­le Flin­ta*-Per­so­nen, die über­haupt et­was ma­chen. Es nicht zu tun, wä­re so viel ein­fa­cher. Aber fuck, wir wol­len halt Din­ge ma­chen! Und das Schö­ne ist: Wenn du dann auf der Büh­ne stehst und ein Witz funk­tio­niert, dann heisst das: an­de­re Men­schen ha­ben dir zu­ge­hört, mit­ge­dacht und konn­ten sich mit ei­nem Ge­dan­ken iden­ti­fi­zie­ren. Was für ei­ne Eh­re! Du siehst: Für mei­ne Ge­ne­ra­ti­on ist das al­les noch über­haupt nicht selbst­ver­ständ­lich. 

Dach­test du auch mal ans Auf­ge­ben? 

Wenn es zu mei­nen An­fangs­zei­ten Ha­zel Brug­ger nicht ge­ge­ben hät­te, hät­te ich wohl wie­der auf­ge­hört. Aber sie war da und stand ein­fach in ei­nem T-Shirt auf der Büh­ne und hat gar nichts Ex­tra­va­gan­tes ge­bo­ten aus­ser ih­ren klu­gen Ge­dan­ken und Be­ob­ach­tun­gen. Ich konn­te zum Glück im­mer an sie den­ken und mir sa­gen: Es ist mög­lich. Don't gi­ve up! 

Ja­ne Mum­ford: Le­ben: 22. No­vem­ber, 20 Uhr, Kul­tur­zen­trum Kult-X, Kreuz­lin­gen28. und 29. No­vem­ber, je­weils 20 Uhr, Ver­an­stal­tungs­rei­he «Kul­tur i de Au­la», Au­la Ober­stu­fen­zen­trum, Gold­ach.

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