, 5. Januar 2016
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Festivaltickets im tiefsten Winter zu kaufen, fühlt sich immer noch seltsam an

Frauenfeld und Greenfield haben vorgelegt, in zwei Wochen folgt St.Gallen: Die Openairs veröffentlichen ihre Programme und starten den Vorverkauf. Wer dabei sein will, muss im tiefsten Winter seinen Festivalsommer planen – eine Zumutung.

Auch Punk-Altmeister Iggy Pop kommt nächsten Sommer in die Schweiz. (Bild: pd)

Der nächste Sommer wird gross!

Zumindest die Schweizer Festivalfreaks wissen spätestens jetzt, was sie dann erwartet: Der geläuterte Rüpel Sido, der Gras-Prediger Wiz Khalifa und der Polit-Pop-Rapper Macklemore in Frauenfeld, wie im Dezember bekannt wurde.

Die ewigen Funkrocker Red Hot Chili Peppers in Interlaken.

Und der ausgezehrte Godfather of Punk, Iggy Pop, am Retortenfestival Rock the Ring im Zürcher Oberland.

«Wa luegsch!?». Punk-Altmeister Iggy Pop. (Bild: pd/Rock the Ring)

Auch das Openair St.Gallen legt bald nach und veröffentlicht am 21. Januar einen Teil des Programms.

Währenddessen friere ich beim Velofahren an die Finger, hacke Holz für den Ofen und warte gespannt auf den ersten richtigen Schnee. Nichts ist weiter weg als der nächste Festivalsommer.

Trotzdem: Wer bei einem der obigen Anlässe dabei sein will, muss sich jetzt schon ultimativ Gedanken übers Ticketkaufen machen. Eigentlich eine Zumutung, an die sich die St.Galler Festivalgänger aber offenbar gewöhnt haben. Wer sich dem Hype entziehen will, kann einzig auf den schlechten Wetterbericht kurz vor dem Festival spekulieren. Tritt dieser ein, wird ricardo.ch zuverlässig mit günstigen Tickets überschwemmt werden. Oder man zahlt – bei schönem Wetter und starkem Programm – halt die saftigen Preise auf dem Schwarzmarkt.

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Weit weg: Das Openair St.Gallen, Ausgabe 2015. (Bild: upz)

Druck auf St.Gallen
Ich erinnere mich an eine Zeit, in der ich jeweils drei Wochen vor dem Openair St.Gallen in Flip Flops an den Bahnschalter gegangen bin, und mir ein Ticket gekauft habe. Ohne überhitztes ricardo.ch-Gefeilsche, ohne monatelange Planung, ohne Spekulieren. Das ist geschätzt vielleicht fünf oder sechs Jahre her, aber heute undenkbar geworden: Die Ausgaben 2015 und 2014 des Festivals im Sittertobel waren jeweils bereits im Dezember des Vorjahres ausverkauft, nur Stunden oder wenige Tage nach Beginn des Vorverkaufs.

Gepusht hat diese Entwicklung die harte Konkurrenz auf dem gesättigten Schweizer Festivalmarkt: In einem Land, in dem fast jedes Dorf sein eigenes Festival hat, muss man schnell sein – also Lärm machen, sobald man ein paar zugkräftige Bands vorweisen kann.

«Die Dynamik der Branche hat sich in den letzten Jahren so entwickelt», sagt Sabine Bianchi, langjährige Sprecherin des Openair St.Gallen. So wurde sie im Dezember regelmässig – von Journalisten und Fans – darauf angesprochen, wo denn das St.Galler Programm bleibe. «Wir wollten dieses Jahr aber bewusst erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn wir einen grossen Teil des Programms kommunizieren können», sagt Bianchi.

Das soll am 21. Januar der Fall sein. Knapp zwei Wochen nachdem das Programm gedroppt wird, geht dann auch der Vorverkauf los. In diesen zwei Wochen soll sich im Fanportal registrieren können, wer das bislang noch nicht gemacht hat. Denn auch ohne das geht nichts mehr.

Leichtheit in Nyon, Alleingang in Bern

Etwas verpennt mit dem Programm von 2015 sind von den «Grossen» online nur noch das Openair Lumnezia, das Openair Gampel, das Zürich Openair und das Paléo Festival unterwegs. Letzteres kann sich eine gewisse légèreté aufgrund seines legendären Rufs erlauben, und das Zürich Openair geschäftete eh schon immer nach eigenen Regeln. Einen Alleingang, den die Konkurrenz wohl genau beobachten wird, wagt das Gurtenfestival. Dessen Tickets werden 2016 zum ersten Mal personalisiert sein.

Fairer Schachzug der Berner: Im Frühling, wenn das Programm des Gurtens zum grössten Teil bekannt sein wird, kommt ein zweites Ticketkontingent auf den Markt. So können jene, die (vor allem) wegen der Musik an Festivals gehen, sich richtig entscheiden – und Enttäuschungen vermeiden, die vorprogrammiert sind, wenn man im Winter gezwungenermassen bei den Hamsterkäufen mitmachte, weil es halt alle tun.

Ticketkauf beim «Auschecken»?

Es bleibt spannend zu beobachten, wohin sich das Ticketwesen weiter entwickeln wird. Werden wir dereinst beim «Auschecken» (das heisst ja offiziell so) vom Festivalgelände gleich auch noch am Verkaufsstand mit den Tickets fürs nächste Jahr vorbeigeschleust? Das war in St.Gallen 2011 mit der Ankündigung der Toten Hosen fürs Jahr 2012 schon fast so. Wobei: Das Konzert der untötbaren Deutsch-(Pop)-Punker war dann unbestritten stark.

Oder bricht die Welle irgendwann, gibt es irgendwann zu viele Festivals für zu wenige Freaks?

Übrigens sind die Festivals der Popkultur nicht die Einzigen, die unverschämt früh ihre Tickets auf den Markt werfen – die von den Konsumenten dann auch brav gekauft werden: Auch die St.Galler Festspiele, die 2016 wieder auf dem Klosterplatz stattfinden, haben den Voverkauf im Dezember lanciert. Die Top-Plätze in der mittleren Tribüne («neuer Premium-Sektor mit hohem Komfort») sind an den Wochenenden schon ziemlich gut verkauft.

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