Mit der Zeit gehen und sie karikieren

Die Lithografie Im Wartsaal von Daumier aus der Sammlung von Stefan Rogger (Bild: Stefan Rogger)

In Heerbrugg sind Werke des französischen Karikaturisten Honoré Daumier (1808–1879) ausgestellt. 

Zum Glück hat je­de Epo­che ih­re Miss­stän­de. Die Sa­ti­re hät­te oh­ne sie we­nig Fut­ter, der hu­mo­rig-krea­ti­ve Blick auf das Zeit­ge­sche­hen wä­re maus­arm, wie je­ne Men­schen, die in der Re­gel als ein­zi­ge von der spit­zen Schreib- und Zei­chen­fe­der ver­schont blie­ben. Auch Ho­no­ré Dau­mier (1808–1879), der gröss­ten­teils in Pa­ris als Ma­ler, Bild­hau­er, Gra­fi­ker, vor al­lem aber als Ka­ri­ka­tu­rist wirk­te und letzt­lich blind und ver­armt starb, trat in sei­nem Werk nie nach un­ten. Sei­ne Kri­tik galt den Mäch­ti­gen, den Herr­schen­den, den Kor­rup­ten. Ei­nes sei­ner liebs­ten Zie­le war Na­po­le­on III., der sich nach ei­nem au­to­kra­ti­schen Putsch 1852 sel­ber vom Staats­prä­si­den­ten zum Kai­ser er­ho­ben hat­te.

Die Ka­ri­ka­tur des fran­zö­si­schen «Bür­ger­kö­nigs» Lou­is Phil­ip­pe als Gar­gan­tua, der ver­fres­se­ne und ver­sof­fe­ne Ro­man-Rie­se von Ra­belais, han­del­te ihm ei­ne sechs­mo­na­ti­ge Ge­fäng­nis­stra­fe ein. Doch das er­mun­ter­te ihn nur wei­ter in sei­ner Macht­kri­tik, die im­mer wie­der un­ter die Zen­sur fiel. Zwi­schen­zeit­lich gab sich Dau­mier auf­grund der dau­ern­den Re­pres­sa­li­en, die er und die Zeit­schrif­ten, für die er ar­bei­te­te, er­dau­ern muss­ten, den­noch et­was hand­zah­mer.

So ent­stan­den auch (et­was) fei­ne­re Ka­ri­ka­tu­ren, et­wa je­ne um 1840, als er die Pa­ri­ser:in­nen beim ge­mein­sa­men Bad mal­te, weil die Re­gie­rung von der Ar­bei­ter­schaft ge­for­dert hat­te, sich öf­ter zu wa­schen, und hier­für Bä­der an der Sei­ne ein­rich­te­te. Wie es al­ler­dings um die Hy­gie­ne des Pa­ri­ser Stadt­flus­ses stand, lässt sich nur er­ah­nen: Ein Ba­den­der wäscht gleich noch sei­nen Hund mit, und im Hin­ter­grund an­ge­deu­tet uri­niert ei­ner in den Fluss. Und schun­kelt da et­wa noch ei­ne sau­cis­se de mer­de in den Sei­ne­wel­len im Vor­der­grund?

Dau­mier rich­te­te sei­ne Kri­tik nicht nur auf die In­nen­po­li­tik. Zur Zeit des Krim­kriegs und der da­mit ver­bun­de­nen rus­si­schen Ex­pan­si­ons­ge­lüs­te (kommt uns heu­te ir­gend­wie be­kannt vor…) zeich­ne­te er ei­ne Rei­he ge­bückt knien­der, halb­nack­ter Mol­dau-Wa­la­chen, hin­ter ih­nen schwingt ein rus­si­scher Of­fi­zier sei­ne Peit­sche. Dar­un­ter steht: «Die Rus­sen un­ter­rich­ten die Mol­dau-Wa­la­chen in ih­ren Ge­bräu­chen.»

In der Re­gel stell­te sich Ho­no­ré Dau­mier aber in den Dienst der Re­pu­blik und der De­mo­kra­tie, der im­mer wie­der das au­to­kra­ti­sche Ge­ba­ren der fran­zö­si­schen Macht­ha­ber im wan­kel­mü­ti­gen 19. Jahr­hun­dert aufs Korn nahm.

Ei­ne fei­ne Aus­stel­lung im klei­nen Kunst­raum Stell­werk in Heer­brugg zeigt ei­ni­ge aus­ge­wähl­te Li­tho­gra­fien, die in Zei­ten zu­neh­mend selbst­herr­lich agie­ren­der Re­gie­run­gen welt­weit wie­der sehr ak­tu­ell da­her­kom­men. 

«Ho­no­ré Dau­mier – Il faut êt­re de son temps!»: Aus­stel­lung aus­ge­wähl­ter li­tho­gra­fi­scher Ka­ri­ka­tu­ren, 2. bis 18. Mai, frei­tags (18 bis 20 Uhr) so­wie sams­tags und sonn­tags (14 bis 18 Uhr), Kul­tur­raum Stell­werk Heer­brugg.

kul­tur­raum-stell­werk.ch