SAITEN: Die Klangwelt Toggenburg bekommt über 20 Jahre nach ihrer Gründung endlich ihr Herzstück: das Klanghaus. Was bedeutet dessen Eröffnung?
MIRJAM HADORN: Wir kommen mit drei Häusern (Klanghaus, Klangschmiede und das ebenfalls neu gebaute Resonanzzentrum Peter Roth, Anm. d. Red.) in einen 365-Tage-Betrieb, und die Bandbreite der Inhalte wird viel grösser. Das ist eine riesige Herausforderung für die Gesamtorganisation. Wir sind mit neuen Fragen konfrontiert: Wie bringen wir die Leute dazu, das Klanghaus zu besuchen, wie kommen sie hierher, wie wieder nach Hause, wo übernachten sie? Wir haben zwar schon Erfahrungen gesammelt mit dem Klangfestival, aber das sind jeweils ein paar Tage alle zwei Jahre, nicht ein ganzjähriges Programm für ein mannigfaltiges Zielpublikum.
CHRISTIAN ZEHNDER: Das Klanghaus wird zu einem Leuchtturm für die ganze Region werden. Damit kommen ganz andere, neue Möglichkeiten, aber auch grosse Herausforderungen auf die Klangwelt zu. Wir sind verschiedensten Ansprüchen und Erwartungen ausgesetzt – die Künstler:innen, der Tourismus, die Heimischen, alle wollen ihren Anteil. Diese verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen, ist eine wirkliche Aufgabe.
Was meinst du damit?
CZ: Noch vor der Volksabstimmung vor fünf Jahren stellten wir uns die Frage, wie es mit der Klangwelt weitergeht, wenn das Klanghaus nicht kommt. Es gab auch Ängste, dass eine Klangwelt ohne Klanghaus zusammenbrechen könnte. Das Klangfestival, bei dem ausländische Musiker:innen und Sänger:innen auf Toggenburger Jodler:innen treffen, hatte sich schnell vom Geheimtipp zum Publikumsmagnet entwickelt, stagnierte dann aber über die Jahre und schrumpfte zu einem reinen regionalen Event zusammen. Ausserdem fehlte uns zusehends das junge Publikum. Auch der Klangweg, der 2024 aufgefrischt und ausgebaut wurde, war in die Jahre gekommen. Die Klangwelt brauchte also dringend eine neue Vision dessen, was und wohin wir in Zukunft wollen.
Das klingt auch nach einer grossen Chance.
CZ: Meiner Meinung nach sind heute die Künste allgemein und auch die Musik in einer Depression gefangen. Kultureller Freiraum verschwindet immer mehr, Ateliers und Proberäume werden immer teurer, sodass sich viele Künstler:innen nicht mehr leisten können, richtig kreativ zu sein – oder wenn existenzielle Einnahmen auf Streamingplattformen und KI-Tools versickern. Solche Tendenzen hungern die Kunst aus. Insofern ist das Klanghaus auch ein wichtiger Frei- und Inspirationsraum für Künstler:innen.
MH: Der Inhalt wird entscheidend sein. Wir müssen eine sehr gute Qualität anbieten – bei allem, was wir tun. Wir haben im Klanghaus neben der Kultur und der Bildung zwei andere Standbeine: den Tourismus und die Wirtschaft. Diese Waage zu halten, ist eine grosse Herausforderung.
CZ: Das Klanghaus ist auch eine Provokation im guten Sinne. Es fordert uns heraus. Es ist ganz aus dem Herzen des Klangs, aus der Landschaft und aus der Tradition gedacht. Und – ganz wichtig: Das Klanghaus ist auch ein Experiment. Hier drin wird neu geschöpft. Es ist ein kreatives Epizentrum, ganz im Sinne des Architekten Marcel Meili. Das Gebäude ist fertiggestellt, aber jetzt kommen die wirklichen Fragen, um ihm gerecht werden. Die originäre Architektur und die aussergewöhnliche Akustik fordern uns heraus.
Welche Fragen?
MH: Zuallererst: Mit welchen Inhalten füllen wir dieses Haus? Wir haben uns für die ersten beiden Jahre eine Gewichtung von 60:40 vorgenommen: 60 Prozent kulturelle Inhalte und 40 Prozent anderes – Bildungsinstitutionen oder Firmen, die hier ihre Seminare oder Workshops abhalten, Parteisitzungen, aber auch Vereine, die hier experimentieren können. Wir haben ausserdem eine Kooperation mit dem Jennyhaus, der nahegelegenen Gruppenunterkunft der Ortsbürgergemeinde St.Gallen. Sie haben bereits einen einwöchigen Aufenthalt mit Proben im Klanghaus verlost. Solche Sachen zählen auch dazu. Das Kulturpolitische steht für uns aber im Zentrum. Und wir möchten über das Thema Klang eine Brücke schlagen zwischen der Kultur, die identitätsstiftend ist, und den Firmen, die hier ihre Anlässe abhalten, und dadurch etwas weitergeben an Nutzende ausserhalb von Kunst und Kultur.
CZ: Wie gelingt es uns, die Leute für das Klanghaus zu begeistern, sie hierher zu bringen? Es reicht nicht, einfach ein schönes Haus zu haben. Dazu braucht es einen lebendigen, visionären Geist, der bei den Menschen «anklingt». Ausserdem sind wir nicht in einer Stadt, wo wir für Kunstschaffende, Chöre oder Firmen einen Steinwurf entfernt sind. Es braucht überzeugende Anreize, damit sie hierherkommen. Die Räume im Klanghaus sind für die Erfahrung und die Arbeit am Klang gedacht und perfektioniert worden. Wir wollen damit auch Institutionen und Firmen fernab von Musik und Klang ermöglichen, hier unerwartete Erfahrungen zwischen ihrer täglichen Arbeit und dem Klang zu machen.
Warum setzt man dann nicht ganz auf die kulturelle Nutzung?
CZ: Es braucht diese Liaison mit der Wirtschaft, auch wenn sich diese gerne parasitär zur Kultur verhält. Es ist eine Illusion, dass die Kunst ohne die Wirtschaft existieren kann. Aber auch umgekehrt: Die Wirtschaft braucht die Inspiration, das Visionäre der Kunst. Hier haben wir auch die Chance, das Bewusstsein für diese wichtige Wechselbeziehung – oder besser: Partnerschaft – zu stärken und Gemeinsames zu schaffen.
MH: Ausserdem sind die Tarife für die kulturelle Nutzung günstiger als für die kommerzielle. Ohne letztere geht unser Businessplan nicht auf.
CZ: Wir bekommen wenig Fördergelder, im Verhältnis zu anderen vergleichbaren Kulturinstitutionen ist es wirklich ein kleiner Beitrag. Aber das Klanghaus ruft nach Grösserem. Für grosse Namen und aussergewöhnliche Projekte fehlt uns noch zu oft das Geld.
Das Klanghaus ist zumindest in der erweiterten Region einmalig. Wie gross ist seine Anziehungskraft rein aufgrund der Architektur und der Akustik?
MH: Das Gebäude hat eine immense Kraft, wenn man mal hier ist. Man kann es aber in noch so vielen schönen Texten beschreiben oder auf Bildern zeigen – man muss es erleben. Erst wenn man drin steht, spürt man körperlich, warum es so gut ist und warum es eine solche Kraft hat. Nicht nur visuell, sondern als der Klangkörper, als der es gebaut ist.

«Das Klanghaus wird nicht einfach ein Selbstläufer.»
CZ: Das Klanghaus wird nicht einfach ein Selbstläufer. Die Eröffnung wird uns viele neugierige Augen und Ohren bringen. Es ist ein Ereignis, ja. Der Hype wird aber auch bald wieder vorbei sein. Dann zählt nur noch der Inhalt, das, was wir zu bieten haben. Das Klanghaus ist auch eher ein Fernziel. Das macht es nicht einfacher, ein geneigtes Publikum mit attraktiven Angeboten und Veranstaltungen spontan zu uns zu locken. Das Jodeln boomt zwar, aber das tut es mittlerweile auch in Basel und Berlin, dafür braucht es uns nicht mehr. Der Zeitgeist macht vieles komplexer, auch die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung rast ins Ungewisse, und deshalb ist auch die Planung von anspruchsvollen Anlässen unglaublich herausfordernd geworden.
Wie stellt ihr sicher, dass das Klanghaus nicht auch zu einem elitären Tempel wird, der sich den Leuten aus der Region verschliesst?
CZ: Ich habe grosse Mühe damit, wie man diesen Begriff allzu vorschnell in den Mund nimmt. Das Klanghaus öffnet seine Türen für alle. Und unser Programm ist überhaupt nicht elitär. Wenn schon ist es «erlesen», ob es nun traditionell klingt, für ein breites Publikum gedacht ist oder experimentell. Kürzlich zeigte der Klangkünstler und Perkussionist Fritz Hauser im Rahmen einer Residenz eine spontane Schlagzeug-Performance für heimische Jodelchöre, die gerade anwesend waren. Sie waren begeistert. Neu und unerhört bedeutet nicht elitär. Im Klanghaus braucht es nur offene Ohren, um ins Traditionelle oder Experimentelle einzutauchen.
MH: Durch eine grosse Bandbreite von Aktivitäten holen wir die Tradition und das Heimische bewusst ab. Und es ist ein wichtiger Ankerpunkt, dass wir den Chören aus dem Toggenburg die Gelegenheit geben, für die Proben die Räume kostenlos zu nutzen. Zum einen haben wir sie bei uns, zum anderen können wir uns mit ihnen zusammen weiterentwickeln.
CZ: Trotz des kostenlosen Angebots ist es jedoch auch eine Herausforderung, die Jodelchöre hierher zu bringen. Viele Jodler:innen leben auf dem Bauernhof und arbeiten bis am Abend, und dann sollen sie noch auf die entlegene Schwendi kommen, um zu proben. Dies können sie auch in einer Beiz im Tal für weniger Geld und Aufwand.
Mit welchen Anreizen lockt ihr sie also hierher?
CZ: Die Klanghaus ist auch ein Haus für die Heimischen. Sie haben auch die Möglichkeit, ihre musikalischen Anlässe mit unserer Unterstützung umzusetzen, und wir integrieren sie natürlich auch in unsere Veranstaltungen, Kurse usw. Wir leben auch von der «Gleichzeitigkeit des Anderen». Da probt ein Jodelchor, im anderen Raum treffen sich Klangkünstler:innen oder ein Orchester arbeitet an einer Partitur von Arnold Schönberg. Wenn sich hier die unterschiedlichsten Musiker:innen zur selben Zeit einfinden, werden auch einmalige Begegnungen und Konstellationen möglich. Sie können etwas erleben, sich verbinden, Erfahrungen machen und sich austauschen, was sonst schwieriger möglich ist. Das zeichnet diesen Ort aus. Er ist eine Werkstatt. Dafür braucht es auch eine sorgfältige Kuration. Wenn immer nur Jodelchöre hier wären, dann wäre das nicht im Sinn der essenziellen Idee des Klanghauses. Erst wenn du in die Reibung kommst, wird es spannend.
Wie ist es mit Gästen und Tourist:innen, die hier oben sind? Dürfen sie reinkommen, um das erleben zu können?
CZ: Man kann nicht einfach ins Klanghaus reinspazieren. Wenn eine Gruppe in einem Raum arbeitet, dann soll sie das in Ruhe tun können, das ist uns wichtig. Das Klanghaus soll auch ein Ort sein, an den man sich zurückziehen und sich ganz dem Klang hingeben kann.
Es wird also keine fixen Zeiten geben, an denen das Klanghaus für Tagestourist:innen geöffnet ist?
CZ: Von touristischer Seite verstehe ich den Wunsch eines solchen Angebots, am liebsten natürlich täglich. Die Arbeit in den Klangräumen aber damit zu stören oder zu unterbrechen, das geht natürlich nicht. Was im Klanghaus passiert, ist bisweilen sehr intim, fragil und will geschützt bleiben. Die Leute, die hier an ihrer Stimme, ihrem Körper oder Instrumenten arbeiten, wollen nicht beobachtet sein. Deshalb machen wir ja auch immer wieder Konzerte, öffentliche Proben und in gesetztem Rahmen Führungen. Auch Kurse ermöglichen einen tiefen Einblick in das Haus.

MH: In der Anfangszeit gibt es eine öffentliche Führung pro Monat. Man kann aber auch als Gruppe eine Führung buchen. Der Anspruch, das Klanghaus auch dann zu öffnen, wenn es belegt ist, wird immer wieder an uns herangetragen. Für uns ist das ein No-go, und wir dürfen nicht müde werden, das zu betonen. Ein Teil unserer 60:40-Gewichtung ist eben auch, dass zuerst die kulturelle oder musikalische Nutzung kommt, erst dann die Führungen. Jene, die vor verschlossenen Türen stehen, sich aber mit dem Klanghaus auseinandersetzen wollen, können ins Resonanzzentrum Peter Roth ausweichen, das praktisch das ganze Jahr öffentlich zugänglich ist.
Was hat es mit dem Resonanzzentrum auf sich?
MH: Das Resonanzzentrum ist die erste Anlaufstelle für Besucher:innen des Klanghauses. Hier ist der Empfang, es gibt Informationen und Beratung sowie einen weiteren Seminar- und Musikraum. Und im obersten Stock ist der Resonanzraum, in dem sich einerseits eine Art Ausstellung zur Geschichte des Klanghauses befindet und andererseits der Klangdom, der einer Idee von Christian entsprungen ist.
Was ist der Klangdom?
CZ: Die Idee des Klangdoms ist, dass man Klang auf eine andere Weise erfahren kann, auf einer neuen Ebene. Es gibt insgesamt 32 Lautsprecher, die in drei übereinander hängenden Kreisen angeordnet sind. Steht man in der Mitte, befindet man sich in einer Klangkuppel. Der Klangdom war ein ganz persönliches Anliegen von mir. Ich komme aus der Klangökologie, bin auch Echoforscher. Für die Klangökologie und mit ihr den Klangdom ist die Lautsphäre rund um den Schwendisee ein idealer Ort für die Begegnung mit diesem Thema.
Was muss man sich darunter vorstellen?
CZ: Die Klangökologie befasst sich mit der Lautsphäre, in der wir leben, wie sich der Mensch und die Natur darin zueinander verhalten und wie sie sich dabei verändert. Weidschellen sind der Bezugspunkt zur Klangökologie. Sie sind ein wunderbarer Ausdruck dafür, wie der Mensch sich über den Klang mit der Natur verbindet. Ein Bauer, der hier oben lebt, hat zu den Schellen ein fast schon intimes, persönliches Verhältnis – nicht allein wegen des Klangs, sondern in Verbindung mit seinen Tieren. Er erkennt seine Kühe an den unterschiedlichen Klängen der Schellen, und deshalb wählt er sie bei jeder neuen Kuh mit Sorgfalt aus. Dadurch wird der Bauer auch zum Klanggärtner, er gestaltet die Landschaft mit und nimmt aktiv Einfluss auf die Lautsphäre. Es gibt aber natürlich auch die hässliche Seite des Klangs – das, was wir Lärm nennen. Und natürlich den Klimawandel, der auch durch die Klangökologie erforscht und bewusst gemacht wird.
Und wie zeigt sich diese Klangökologie im Klangdom?
CZ: Man kann sich anhand der Klänge mit verschiedenen Umweltthemen auseinandersetzen. Zum Beispiel eine Reise ins Innere eines Bienenstocks machen oder in einen schmelzenden Gletscher. Man entwickelt über das Gehör eine neue Sensibilität dafür. Die Klangökologie ist eine Disziplin, die sehr breit, zwischen Ökologie, Wissenschaft, Kunst, Philosophie angesiedelt ist. Es ist mir wichtig, dass die Themen Ökologie und Klimawandel bei uns angesprochen und heimisch werden. Als Kulturinstitution können wir hier einen Beitrag leisten für das Sensibilisieren unserer Umwelt durch den Klang und wichtige gesellschaftliche Fragen stellen. Deshalb haben wir auch schon bei der Erneuerung des Klangwegs neue Posten zur Klangökologie integriert.
MH: Es kann auch sein, dass wir künftig Klangkünstler:innen damit beauftragen werden, solche klangökologischen Projekte für den Klangdom zu realisieren. Ob die Produktion im Klanghaus entsteht oder an einem anderen Ort, ist offen.
Reden wir noch über die Finanzen. In den vergangenen Jahren ist die Bauteuerung stark gestiegen. Konntet ihr das Projekt im Kreditrahmen von 23,3 Millionen Franken abschliessen?
MH: Das Klanghaus hat der Kanton St.Gallen gebaut. Aber ja, die Baukosten blieben im Kreditrahmen.
CZ: Uns war klar, dass es keinen Zusatzkredit geben würde, also mussten alle Bedürfnisse mit den vorhandenen Mitteln realisiert werden.
Musstet ihr dafür irgendwo Abstriche in Kauf nehmen oder wurde das Klanghaus so realisiert wie geplant?
CZ: Beim ganzen Bauprojekt stand der Klang im Zentrum. Gespart hat man im Untergeschoss des Hauses zugunsten der Akustik in den Klangräumen. Alle waren sich einig, dass der Klang vorgeht. Es war eindrücklich zu erleben, wie der Kanton diese Baustelle geführt und uns immer in die Prozesse integriert hat. So etwas erlebt man selten. Auch die fast ausschliesslich aus der Region stammenden Facharbeiter, vom Schindler, Zimmermann bis hin zum Gartenbau, machten diese Baustelle jeden Tag zu einem Erlebnis. Ich verneige mich vor allen, die dieses unvergleichliche Gemeinschaftswerk geschaffen haben.
Nachdem das erste Projekt 2016 im Kantonsrat gescheitert war, musstet ihr im zweiten Anlauf 2019 das Betriebsdefizit auf 250'000 Franken jährlich begrenzen und einen Fonds mit mindestens 5,3 Millionen äufnen, der durch Gelder von Privaten finanziert wird. Wie sehr schränkt euch diese Begrenzung ein?
MH: Die 250’000 Franken jährlich sind der Maximalbetrag, den wir eigenmächtig aus diesem Fonds beziehen können. Sollten wir einmal mehr Geld benötigen, müssen wir uns mit dem Beirat absprechen. Wir können jetzt schon sagen, dass wir in der Aufbauphase – also 2024 und 2025, wenn wir noch kaum Geld verdienen mit dem Klanghaus – mehr brauchen als die 250’000 Franken. Unser Ziel ist aber, das Betriebsdefizit bereits in wenigen Jahren unter diesen Betrag zu senken. Auch wenn, wie Christian vorher schon gesagt hat, die öffentlichen Gelder, die wir bekommen, zu tief sind für das, was wir hier leisten.
Wie hoch sind sie?
MH: Wir bekommen jährlich etwas über 300’000 Franken vom Kanton und 100’000 Franken von der Gemeinde Wildhaus-Alt St.Johann, also insgesamt etwa 400’000 Franken. Das ist wenig im Vergleich zu Konzert und Theater St.Gallen oder dem Kunstmuseum St.Gallen. Entsprechend fehlt uns Geld. Deshalb sind wir jetzt daran, eine Förderallianz aufzubauen. Wir suchen das Gespräch mit Stiftungen und Privaten, damit wir eine stabilere Basisfinanzierung sicherstellen können.

«Wenn wir unser Konzept langfristig durchziehen wollen, dann ist die öffentliche Finanzierung zu tief.»
Der Fonds reicht für etwa 15 bis 20 Jahre, je nachdem, wie viel man jährlich rausnimmt. Wie stellt ihr die langfristige Zukunft des Klanghauses sicher?
MH: Als Kulturinstitution werden wir nie selbsttragend sein, aber wir können einen höheren Selbstfinanzierungsgrad erreichen. Das steht und fällt damit, wie stark eine solche Förderallianz sein kann, aber auch damit, ob es in ein paar Jahren andere Finanzierungsmöglichkeiten mit der öffentlichen Hand geben kann. Und davon hängt letztlich auch die inhaltliche Ausrichtung des Klanghauses ab. Das möchte ich betonen: Wenn wir unser Konzept mit dem Fokus auf die kulturellen Angebote langfristig durchziehen wollen, dann ist die öffentliche Finanzierung zu tief. Wir müssen es auch nicht schönreden, das ist einfach Fakt. Sollten wir es nicht schaffen, gemeinsam – und dazu gehören ganz viele – eine höhere Finanzierung sicherzustellen, dann kippt früher oder später der 60:40-Anteil zu 40:60. Denn wenn man das Klanghaus anders nutzt, lässt sich natürlich sehr viel mehr Geld damit verdienen, aber das würde nicht dem Zweck entsprechen.
Die Klangwelt Toggenburg ist als Folge der Eröffnung des Klanghauses stark gewachsen. Steht das Geld aus dem Fonds nur für das Klanghaus zur Verfügung oder für die Klangwelt als Ganzes?
MH: Es ist eine Art Defizitgarantie für die Aktivitäten rund um den Aufbau und Betrieb des Klanghauses. Aber wir müssen schon sehen, was das für die Klangwelt bedeutet: Der Betrieb des Klanghauses macht künftig rund 80 Prozent des ganzen personellen Aufwands der Klangwelt aus. Früher hatten wir acht Vollzeitstellen, heute sind es doppelt so viele und weitere werden zur Sicherstellung des Ganzjahresbetriebs dazukommen.
Die Idee eines Klanghotels, das man damals nach dem Nein im Kantonsrat als «Goodie» versprochen hatte, ist später völlig eingeschlafen, doch jetzt ist sie wieder aufgetaucht. Wo steht dieses Projekt?
MH: So kann man das nicht sagen. Die Hotelidee gibt es immer noch, sie wurde aber aus finanziellen Überlegungen erstmal beiseitegeschoben. Die Projektorganisation Klangcampus AG, an der die Stiftung Klangwelt und das Hotel Stump’s Alpenrose zu jeweils 49 Prozent sowie Toggenburg Tourismus beteiligt sind, hat zuletzt prioritär den Bau des Resonanzzentrums Peter Roth realisiert. Im Moment ist es auch nicht klar, ob ein Hotel aus dieser Projektorganisation herauswächst oder losgelöst davon aus Stump’s Alpenrose.
CZ: Man muss auch berücksichtigen, dass in Wildhaus in den vergangenen Jahren mehrere Hotels geschlossen, verkauft, oder in Konkurs gegangen sind. Wieso soll man dann an diesem Ort ein neues Hotel lancieren?
Du hast die nächste Frage vorweggenommen. Kannst du sie auch beantworten?
CZ: Ich hoffe, dass das Klanghaus einen Beitrag dazu leisen kann, dass die Übernachtungszahlen in der Region zunehmen. Aber auch im Tal unten sind sie froh, wenn sie ein paar Betten mehr besetzen können. Ein Hotelneubau hier oben zum jetzigen Zeitpunkt würde wohl auch Unmut in der Bevölkerung schaffen. Aber das kann sich ja ändern, wenn hier oben alles gut läuft.
Im «St.Galler Tagblatt» war zu lesen, dass die Klangwelt einen Investor sucht, der drei der insgesamt etwa acht Millionen Franken beitragen soll.
MH: Es ist schön, dass wir auch dafür noch Geld suchen müssen. (lacht) Es kann schon sein, dass wir aus der Klangcampus AG heraus helfen, Geldgeber zu suchen für den Bau des Hotels, wenn es irgendwann so weit ist. Aber das ist kein Auftrag an die Stiftung Klangwelt Toggenburg, auch wenn es sich in der Ausführung teilweise um die gleichen Personen handelt.
Die Gefahr, dass sich die Klangwelt mit einem Hotelprojekt am Schluss finanziell überlupft, ist also nicht gegeben?
MH: Momentan haben wir ohnehin anderen Prioritäten, den Betrieb und die Finanzierung des Gesamtangebotes der Klangwelt Toggenburg mit Fokus auf die Angebote im Klanghaus. Was zusätzliche Projekte angeht, stehen wir in der Eigenverantwortung, uns selber zu schützen, damit wir uns nicht überlupfen. Betonen möchte ich, dass die finanziellen Ressourcen der Stiftung durch ein Hotelprojekt nicht tangiert werden. Dies ist organisatorisch strikt getrennt.
Das Klanghaus soll auch den Tourismus in der Region ankurbeln, einen Impuls zur Wertschöpfung in der ganzen Region leisten. Wie hoch ist diesbezüglich die Erwartungshaltung?
MH: Die Erwartung ist sehr hoch. Auch deshalb, weil wir Gelder aus dem NRP-Programm des Bundes bekommen haben für die Projektentwicklungsarbeit in der Schwendi, also für den Bau des Resonanzzentrums, die Erneuerung des Klangwegs und den Aufbau der Projektorganisation. Es wird also erwartet, dass etwas in die Region zurückfliesst, dass es sich gelohnt hat, uns Gelder aus dem NRP-Topf zu geben. Auch die Bergbahnen erhoffen sich vom Klanghaus mehr Passagiere, gerade auch, weil die Winter schneeärmer werden und der Ganzjahrestourismus angekurbelt werden soll. Was die Wertschöpfung betrifft, wurde schon ein grosser Beitrag geleistet, indem viele Aufträge für den Bau des Klanghauses und des Resonanzzentrums an Firmen in der Region gegangen sind.
Inwieweit kann das Klanghaus die Defizite der strukturschwachen Region kompensieren – die verschwindenden Arbeitsplätze, die Abwanderung der Jungen etc.?
MH: Sicher nicht 1:1, aber wir leisten einen Beitrag dazu, diese Probleme abzufedern. Wir haben neue Arbeitsplätze geschaffen, die ersten der neuen Mitarbeiter:innen sind aus anderen Kantonen ins Toggenburg gezogen. Wenn das Klanghaus ein Erfolg wird, entstehen auch im kulturtouristischen Bereich neue Arbeitsplätze. Ob das die hiesigen Jungen in der Region hält, wird sich zeigen müssen.