«Es ist ein kreatives Epizentrum»

Mit der Eröffnung des Klanghauses bricht für die Klangwelt Toggenburg eine neue Zeitrechnung an. CEO Mirjam Hadorn und der künstlerische Leiter Christian Zehnder sprechen im Interview über Chancen und Herausforderungen, den Spagat zwischen Kultur und Wirtschaft sowie die langfristige Finanzierung dieses «Leuchtturms für die ganze Region». 

SAI­TEN: Die Klang­welt Tog­gen­burg be­kommt über 20 Jah­re nach ih­rer Grün­dung end­lich ihr Herz­stück: das Klang­haus. Was be­deu­tet des­sen Er­öff­nung?

MIR­JAM HA­DORN: Wir kom­men mit drei Häu­sern (Klang­haus, Klang­schmie­de und das eben­falls neu ge­bau­te Re­so­nanz­zen­trum Pe­ter Roth, Anm. d. Red.) in ei­nen 365-Ta­ge-Be­trieb, und die Band­brei­te der In­hal­te wird viel grös­ser. Das ist ei­ne rie­si­ge Her­aus­for­de­rung für die Ge­samt­or­ga­ni­sa­ti­on. Wir sind mit neu­en Fra­gen kon­fron­tiert: Wie brin­gen wir die Leu­te da­zu, das Klang­haus zu be­su­chen, wie kom­men sie hier­her, wie wie­der nach Hau­se, wo über­nach­ten sie? Wir ha­ben zwar schon Er­fah­run­gen ge­sam­melt mit dem Klang­fes­ti­val, aber das sind je­weils ein paar Ta­ge al­le zwei Jah­re, nicht ein ganz­jäh­ri­ges Pro­gramm für ein man­nig­fal­ti­ges Ziel­pu­bli­kum.

CHRIS­TI­AN ZEHN­DER: Das Klang­haus wird zu ei­nem Leucht­turm für die gan­ze Re­gi­on wer­den. Da­mit kom­men ganz an­de­re, neue Mög­lich­kei­ten, aber auch gros­se Her­aus­for­de­run­gen auf die Klang­welt zu. Wir sind ver­schie­dens­ten An­sprü­chen und Er­war­tun­gen aus­ge­setzt – die Künst­ler:in­nen, der Tou­ris­mus, die Hei­mi­schen, al­le wol­len ih­ren An­teil. Die­se ver­schie­de­nen In­ter­es­sen un­ter ei­nen Hut zu brin­gen, ist ei­ne wirk­li­che Auf­ga­be.

Was meinst du da­mit?

CZ: Noch vor der Volks­ab­stim­mung vor fünf Jah­ren stell­ten wir uns die Fra­ge, wie es mit der Klang­welt wei­ter­geht, wenn das Klang­haus nicht kommt. Es gab auch Ängs­te, dass ei­ne Klang­welt oh­ne Klang­haus zu­sam­men­bre­chen könn­te. Das Klang­fes­ti­val, bei dem aus­län­di­sche Mu­si­ker:in­nen und Sän­ger:in­nen auf Tog­gen­bur­ger Jod­ler:in­nen tref­fen, hat­te sich schnell vom Ge­heim­tipp zum Pu­bli­kums­ma­gnet ent­wi­ckelt, sta­gnier­te dann aber über die Jah­re und schrumpf­te zu ei­nem rei­nen re­gio­na­len Event zu­sam­men. Aus­ser­dem fehl­te uns zu­se­hends das jun­ge Pu­bli­kum. Auch der Klang­weg, der 2024 auf­ge­frischt und aus­ge­baut wur­de, war in die Jah­re ge­kom­men. Die Klang­welt brauch­te al­so drin­gend ei­ne neue Vi­si­on des­sen, was und wo­hin wir in Zu­kunft wol­len.

Eine über 20-jährige Geschichte

Die Idee für das Klang­haus geht auf Pe­ter Roth zu­rück. Der St.Gal­ler Mu­si­ker und Kom­po­nist war Mit­in­itia­tor der Klang­welt Tog­gen­burg, die 2003 ins Le­ben ge­ru­fen wur­de. Zu je­ner Zeit sprach Roth mit dem Bünd­ner Ar­chi­tek­ten Pe­ter Zum­thor (un­ter an­de­rem Ther­me Vals) über sei­ne Idee. Die­ser zeig­te In­ter­es­se, das Klang­haus zu bau­en. Schliess­lich stell­te sich auch der Kan­ton St.Gal­len hin­ter das Pro­jekt – und ver­gab den Auf­trag in ei­nem frei­hän­di­gen Ver­fah­ren an Zum­thor. Ar­chi­tek­ten und Ar­chi­tek­tur­ver­bän­de leg­ten da­ge­gen je­doch beim Ver­wal­tungs­ge­richt Be­schwer­de ein – mit Er­folg. Auf Ge­heiss des Ge­richts schrieb das kan­to­na­le Bau­de­par­te­ment 2009 ei­nen Pro­jekt­wett­be­werb aus. Zum­thor zog sich zu­rück, und nach­dem sich ins­ge­samt 91 Bü­ros aus dem In- und Aus­land be­wor­ben hat­ten, setz­te sich in der an­schlies­sen­den The­sen­kon­kur­renz un­ter sechs Ar­chi­tek­tur­bü­ros das Zür­cher Bü­ro Mar­cel Mei­li, Mar­kus Pe­ter Ar­chi­tek­ten (seit 2016 Mei­li, Pe­ter & Part­ner Ar­chi­tek­ten) durch.

An­fang März 2016 kam der 19-Mil­lio­nen-Kre­dit für das Klang­haus in den St.Gal­ler Kan­tons­rat. Trotz 56 Ja- zu 43 Nein-Stim­men (bei sechs Ent­hal­tun­gen und 15 Ab­we­sen­den) schei­ter­te er in der Schluss­ab­stim­mung, weil fünf Stim­men für das qua­li­fi­zier­te Mehr von 61 Ja-Stim­men fehl­ten. Doch schon zwei Wo­chen spä­ter gab die Re­gie­rung be­kannt, das Pro­jekt noch­mal zu prü­fen – sie sprach von ei­ner «ver­pass­ten Chan­ce».

Im Fe­bru­ar 2019 kam die über­ar­bei­te­te Vor­la­ge in den Kan­tons­rat. Die Bau­kos­ten stie­gen zwar auf 23,3 Mil­lio­nen Fran­ken, wo­von die Stif­tung Klang­welt Tog­gen­burg ei­ne Mil­li­on über­neh­men muss­te. Da­für be­tei­lig­te sich der Kan­ton nicht mehr an den Be­triebs­kos­ten. Die Stif­tung wur­de ver­pflich­tet, ei­nen Be­triebs­fonds mit min­des­tens 5,3 Mil­lio­nen zu äuf­nen, um das De­fi­zit über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum tra­gen zu kön­nen. Soll­te der Be­trag im Fonds un­ter 1,5 Mil­lio­nen fal­len, muss die Stif­tung den Kan­ton in­for­mie­ren. Der Kan­tons­rat stimm­te dem Be­schluss mit 87 Ja- zu 21 Nein-Stim­men (bei ei­ner Ent­hal­tung) zu.

Bei der Volks­ab­stim­mung von En­de Ju­ni 2019 sag­ten knapp 54 Pro­zent der Stimm­be­rech­tig­ten (und 77 von 41 Ge­mein­den) Ja zum Kre­dit; am höchs­ten war der Ja-An­teil in der «Hei­mat­ge­mein­de» Wild­haus-Alt St.Jo­hann mit fast 72 Pro­zent. Ar­chi­tekt Mar­cel Mei­li er­leb­te das nicht mehr mit: Er starb im März 2019 in­fol­ge ei­nes Krebs­lei­dens. Auf­grund sei­nes To­des be­zie­hungs­wei­se we­gen der Ab­klä­run­gen für ei­nen Wech­sel des Ar­chi­tek­tur­bü­ros ver­zö­ger­te sich der Bau­start um ein Jahr – die Ar­bei­ten be­gan­nen im Ju­ni 2022. As­trid Stau­fer wer­de das Bau­vor­ha­ben «im Sinn und Geist von Mar­cel Mei­li» um­set­zen, hiess es in der Mit­tei­lung des Kan­tons. Mei­li ha­be das Klang­haus 2010 in ver­trag­li­cher Zu­sam­men­ar­beit mit As­trid Stau­fer ent­wi­ckelt. 

Das Klang­haus wur­de im De­zem­ber 2024 fer­tig­ge­stellt, seit­her fand ein Pro­be­be­trieb statt. (dag) 

Das klingt auch nach ei­ner gros­sen Chan­ce.

CZ: Mei­ner Mei­nung nach sind heu­te die Küns­te all­ge­mein und auch die Mu­sik in ei­ner De­pres­si­on ge­fan­gen. Kul­tu­rel­ler Frei­raum ver­schwin­det im­mer mehr, Ate­liers und Pro­be­räu­me wer­den im­mer teu­rer, so­dass sich vie­le Künst­ler:in­nen nicht mehr leis­ten kön­nen, rich­tig krea­tiv zu sein – oder wenn exis­ten­zi­el­le Ein­nah­men auf Strea­ming­platt­for­men und KI-Tools ver­si­ckern. Sol­che Ten­den­zen hun­gern die Kunst aus. In­so­fern ist das Klang­haus auch ein wich­ti­ger Frei- und In­spi­ra­ti­ons­raum für Künst­ler:in­nen.

MH: Der In­halt wird ent­schei­dend sein. Wir müs­sen ei­ne sehr gu­te Qua­li­tät an­bie­ten – bei al­lem, was wir tun. Wir ha­ben im Klang­haus ne­ben der Kul­tur und der Bil­dung zwei an­de­re Stand­bei­ne: den Tou­ris­mus und die Wirt­schaft. Die­se Waa­ge zu hal­ten, ist ei­ne gros­se Her­aus­for­de­rung.

CZ: Das Klang­haus ist auch ei­ne Pro­vo­ka­ti­on im gu­ten Sin­ne. Es for­dert uns her­aus. Es ist ganz aus dem Her­zen des Klangs, aus der Land­schaft und aus der Tra­di­ti­on ge­dacht. Und – ganz wich­tig: Das Klang­haus ist auch ein Ex­pe­ri­ment. Hier drin wird neu ge­schöpft. Es ist ein krea­ti­ves Epi­zen­trum, ganz im Sin­ne des Ar­chi­tek­ten Mar­cel Mei­li. Das Ge­bäu­de ist fer­tig­ge­stellt, aber jetzt kom­men die wirk­li­chen Fra­gen, um ihm ge­recht wer­den. Die ori­gi­nä­re Ar­chi­tek­tur und die aus­ser­ge­wöhn­li­che Akus­tik for­dern uns her­aus.

Wel­che Fra­gen?

MH: Zu­al­ler­erst: Mit wel­chen In­hal­ten fül­len wir die­ses Haus? Wir ha­ben uns für die ers­ten bei­den Jah­re ei­ne Ge­wich­tung von 60:40 vor­ge­nom­men: 60 Pro­zent kul­tu­rel­le In­hal­te und 40 Pro­zent an­de­res – Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen oder Fir­men, die hier ih­re Se­mi­na­re oder Work­shops ab­hal­ten, Par­tei­sit­zun­gen, aber auch Ver­ei­ne, die hier ex­pe­ri­men­tie­ren kön­nen. Wir ha­ben aus­ser­dem ei­ne Ko­ope­ra­ti­on mit dem Jen­ny­haus, der na­he­ge­le­ge­nen Grup­pen­un­ter­kunft der Orts­bür­ger­ge­mein­de St.Gal­len. Sie ha­ben be­reits ei­nen ein­wö­chi­gen Auf­ent­halt mit Pro­ben im Klang­haus ver­lost. Sol­che Sa­chen zäh­len auch da­zu. Das Kul­tur­po­li­ti­sche steht für uns aber im Zen­trum. Und wir möch­ten über das The­ma Klang ei­ne Brü­cke schla­gen zwi­schen der Kul­tur, die iden­ti­täts­stif­tend ist, und den Fir­men, die hier ih­re An­läs­se ab­hal­ten, und da­durch et­was wei­ter­ge­ben an Nut­zen­de aus­ser­halb von Kunst und Kul­tur.

CZ: Wie ge­lingt es uns, die Leu­te für das Klang­haus zu be­geis­tern, sie hier­her zu brin­gen? Es reicht nicht, ein­fach ein schö­nes Haus zu ha­ben. Da­zu braucht es ei­nen le­ben­di­gen, vi­sio­nä­ren Geist, der bei den Men­schen «an­klingt». Aus­ser­dem sind wir nicht in ei­ner Stadt, wo wir für Kunst­schaf­fen­de, Chö­re oder Fir­men ei­nen Stein­wurf ent­fernt sind. Es braucht über­zeu­gen­de An­rei­ze, da­mit sie hier­her­kom­men. Die Räu­me im Klang­haus sind für die Er­fah­rung und die Ar­beit am Klang ge­dacht und per­fek­tio­niert wor­den. Wir wol­len da­mit auch In­sti­tu­tio­nen und Fir­men fern­ab von Mu­sik und Klang er­mög­li­chen, hier un­er­war­te­te Er­fah­run­gen zwi­schen ih­rer täg­li­chen Ar­beit und dem Klang zu ma­chen.

War­um setzt man dann nicht ganz auf die kul­tu­rel­le Nut­zung?

CZ: Es braucht die­se Li­ai­son mit der Wirt­schaft, auch wenn sich die­se ger­ne pa­ra­si­tär zur Kul­tur ver­hält. Es ist ei­ne Il­lu­si­on, dass die Kunst oh­ne die Wirt­schaft exis­tie­ren kann. Aber auch um­ge­kehrt: Die Wirt­schaft braucht die In­spi­ra­ti­on, das Vi­sio­nä­re der Kunst. Hier ha­ben wir auch die Chan­ce, das Be­wusst­sein für die­se wich­ti­ge Wech­sel­be­zie­hung – oder bes­ser: Part­ner­schaft – zu stär­ken und Ge­mein­sa­mes zu schaf­fen.

MH: Aus­ser­dem sind die Ta­ri­fe für die kul­tu­rel­le Nut­zung güns­ti­ger als für die kom­mer­zi­el­le. Oh­ne letz­te­re geht un­ser Busi­ness­plan nicht auf.

CZ: Wir be­kom­men we­nig För­der­gel­der, im Ver­hält­nis zu an­de­ren ver­gleich­ba­ren Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen ist es wirk­lich ein klei­ner Bei­trag. Aber das Klang­haus ruft nach Grös­se­rem. Für gros­se Na­men und aus­ser­ge­wöhn­li­che Pro­jek­te fehlt uns noch zu oft das Geld.

Das Klang­haus ist zu­min­dest in der er­wei­ter­ten Re­gi­on ein­ma­lig. Wie gross ist sei­ne An­zie­hungs­kraft rein auf­grund der Ar­chi­tek­tur und der Akus­tik?

MH: Das Ge­bäu­de hat ei­ne im­mense Kraft, wenn man mal hier ist. Man kann es aber in noch so vie­len schö­nen Tex­ten be­schrei­ben oder auf Bil­dern zei­gen – man muss es er­le­ben. Erst wenn man drin steht, spürt man kör­per­lich, war­um es so gut ist und war­um es ei­ne sol­che Kraft hat. Nicht nur vi­su­ell, son­dern als der Klang­kör­per, als der es ge­baut ist.

«Das Klang­haus wird nicht ein­fach ein Selbst­läu­fer.»

Christian Zehnder, künstlerischer Leiter der Klangwelt Toggenburg

CZ: Das Klang­haus wird nicht ein­fach ein Selbst­läu­fer. Die Er­öff­nung wird uns vie­le neu­gie­ri­ge Au­gen und Oh­ren brin­gen. Es ist ein Er­eig­nis, ja. Der Hype wird aber auch bald wie­der vor­bei sein. Dann zählt nur noch der In­halt, das, was wir zu bie­ten ha­ben. Das Klang­haus ist auch eher ein Fern­ziel. Das macht es nicht ein­fa­cher, ein ge­neig­tes Pu­bli­kum mit at­trak­ti­ven An­ge­bo­ten und Ver­an­stal­tun­gen spon­tan zu uns zu lo­cken. Das Jo­deln boomt zwar, aber das tut es mitt­ler­wei­le auch in Ba­sel und Ber­lin, da­für braucht es uns nicht mehr. Der Zeit­geist macht vie­les kom­ple­xer, auch die kul­tu­rel­le und wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung rast ins Un­ge­wis­se, und des­halb ist auch die Pla­nung von an­spruchs­vol­len An­läs­sen un­glaub­lich her­aus­for­dernd ge­wor­den.

Wie stellt ihr si­cher, dass das Klang­haus nicht auch zu ei­nem eli­tä­ren Tem­pel wird, der sich den Leu­ten aus der Re­gi­on ver­schliesst?

CZ: Ich ha­be gros­se Mü­he da­mit, wie man die­sen Be­griff all­zu vor­schnell in den Mund nimmt. Das Klang­haus öff­net sei­ne Tü­ren für al­le. Und un­ser Pro­gramm ist über­haupt nicht eli­tär. Wenn schon ist es «er­le­sen», ob es nun tra­di­tio­nell klingt, für ein brei­tes Pu­bli­kum ge­dacht ist oder ex­pe­ri­men­tell. Kürz­lich zeig­te der Klang­künst­ler und Per­kus­sio­nist Fritz Hau­ser im Rah­men ei­ner Re­si­denz ei­ne spon­ta­ne Schlag­zeug-Per­for­mance für hei­mi­sche Jo­del­chö­re, die ge­ra­de an­we­send wa­ren. Sie wa­ren be­geis­tert. Neu und un­er­hört be­deu­tet nicht eli­tär. Im Klang­haus braucht es nur of­fe­ne Oh­ren, um ins Tra­di­tio­nel­le oder Ex­pe­ri­men­tel­le ein­zu­tau­chen.

MH: Durch ei­ne gros­se Band­brei­te von Ak­ti­vi­tä­ten ho­len wir die Tra­di­ti­on und das Hei­mi­sche be­wusst ab. Und es ist ein wich­ti­ger An­ker­punkt, dass wir den Chö­ren aus dem Tog­gen­burg die Ge­le­gen­heit ge­ben, für die Pro­ben die Räu­me kos­ten­los zu nut­zen. Zum ei­nen ha­ben wir sie bei uns, zum an­de­ren kön­nen wir uns mit ih­nen zu­sam­men wei­ter­ent­wi­ckeln.

CZ: Trotz des kos­ten­lo­sen An­ge­bots ist es je­doch auch ei­ne Her­aus­for­de­rung, die Jo­del­chö­re hier­her zu brin­gen. Vie­le Jod­ler:in­nen le­ben auf dem Bau­ern­hof und ar­bei­ten bis am Abend, und dann sol­len sie noch auf die ent­le­ge­ne Schwen­di kom­men, um zu pro­ben. Dies kön­nen sie auch in ei­ner Beiz im Tal für we­ni­ger Geld und Auf­wand. 

Mit wel­chen An­rei­zen lockt ihr sie al­so hier­her?

CZ: Die Klang­haus ist auch ein Haus für die Hei­mi­schen. Sie ha­ben auch die Mög­lich­keit, ih­re mu­si­ka­li­schen An­läs­se mit un­se­rer Un­ter­stüt­zung um­zu­set­zen, und wir in­te­grie­ren sie na­tür­lich auch in un­se­re Ver­an­stal­tun­gen, Kur­se usw. Wir le­ben auch von der «Gleich­zei­tig­keit des An­de­ren». Da probt ein Jo­del­chor, im an­de­ren Raum tref­fen sich Klang­künst­ler:in­nen oder ein Or­ches­ter ar­bei­tet an ei­ner Par­ti­tur von Ar­nold Schön­berg. Wenn sich hier die un­ter­schied­lichs­ten Mu­si­ker:in­nen zur sel­ben Zeit ein­fin­den, wer­den auch ein­ma­li­ge Be­geg­nun­gen und Kon­stel­la­tio­nen mög­lich. Sie kön­nen et­was er­le­ben, sich ver­bin­den, Er­fah­run­gen ma­chen und sich aus­tau­schen, was sonst schwie­ri­ger mög­lich ist. Das zeich­net die­sen Ort aus. Er ist ei­ne Werk­statt. Da­für braucht es auch ei­ne sorg­fäl­ti­ge Ku­ra­ti­on. Wenn im­mer nur Jo­del­chö­re hier wä­ren, dann wä­re das nicht im Sinn der es­sen­zi­el­len Idee des Klang­hau­ses. Erst wenn du in die Rei­bung kommst, wird es span­nend.

Wie ist es mit Gäs­ten und Tou­rist:in­nen, die hier oben sind? Dür­fen sie rein­kom­men, um das er­le­ben zu kön­nen?

CZ: Man kann nicht ein­fach ins Klang­haus rein­spa­zie­ren. Wenn ei­ne Grup­pe in ei­nem Raum ar­bei­tet, dann soll sie das in Ru­he tun kön­nen, das ist uns wich­tig. Das Klang­haus soll auch ein Ort sein, an den man sich zu­rück­zie­hen und sich ganz dem Klang hin­ge­ben kann.

Es wird al­so kei­ne fi­xen Zei­ten ge­ben, an de­nen das Klang­haus für Ta­ges­tou­rist:in­nen ge­öff­net ist?

CZ: Von tou­ris­ti­scher Sei­te ver­ste­he ich den Wunsch ei­nes sol­chen An­ge­bots, am liebs­ten na­tür­lich täg­lich. Die Ar­beit in den Klang­räu­men aber da­mit zu stö­ren oder zu un­ter­bre­chen, das geht na­tür­lich nicht. Was im Klang­haus pas­siert, ist bis­wei­len sehr in­tim, fra­gil und will ge­schützt blei­ben. Die Leu­te, die hier an ih­rer Stim­me, ih­rem Kör­per oder In­stru­men­ten ar­bei­ten, wol­len nicht be­ob­ach­tet sein. Des­halb ma­chen wir ja auch im­mer wie­der Kon­zer­te, öf­fent­li­che Pro­ben und in ge­setz­tem Rah­men Füh­run­gen. Auch Kur­se er­mög­li­chen ei­nen tie­fen Ein­blick in das Haus. 

MH: In der An­fangs­zeit gibt es ei­ne öf­fent­li­che Füh­rung pro Mo­nat. Man kann aber auch als Grup­pe ei­ne Füh­rung bu­chen. Der An­spruch, das Klang­haus auch dann zu öff­nen, wenn es be­legt ist, wird im­mer wie­der an uns her­an­ge­tra­gen. Für uns ist das ein No-go, und wir dür­fen nicht mü­de wer­den, das zu be­to­nen. Ein Teil un­se­rer 60:40-Ge­wich­tung ist eben auch, dass zu­erst die kul­tu­rel­le oder mu­si­ka­li­sche Nut­zung kommt, erst dann die Füh­run­gen. Je­ne, die vor ver­schlos­se­nen Tü­ren ste­hen, sich aber mit dem Klang­haus aus­ein­an­der­set­zen wol­len, kön­nen ins Re­so­nanz­zen­trum Pe­ter Roth aus­wei­chen, das prak­tisch das gan­ze Jahr öf­fent­lich zu­gäng­lich ist.

Was hat es mit dem Re­so­nanz­zen­trum auf sich?

MH: Das Re­so­nanz­zen­trum ist die ers­te An­lauf­stel­le für Be­su­cher:in­nen des Klang­hau­ses. Hier ist der Emp­fang, es gibt In­for­ma­tio­nen und Be­ra­tung so­wie ei­nen wei­te­ren Se­mi­nar- und Mu­sik­raum. Und im obers­ten Stock ist der Re­so­nanz­raum, in dem sich ei­ner­seits ei­ne Art Aus­stel­lung zur Ge­schich­te des Klang­hau­ses be­fin­det und an­de­rer­seits der Klang­dom, der ei­ner Idee von Chris­ti­an ent­sprun­gen ist.

Was ist der Klang­dom?

CZ: Die Idee des Klang­doms ist, dass man Klang auf ei­ne an­de­re Wei­se er­fah­ren kann, auf ei­ner neu­en Ebe­ne. Es gibt ins­ge­samt 32 Laut­spre­cher, die in drei über­ein­an­der hän­gen­den Krei­sen an­ge­ord­net sind. Steht man in der Mit­te, be­fin­det man sich in ei­ner Klang­kup­pel. Der Klang­dom war ein ganz per­sön­li­ches An­lie­gen von mir. Ich kom­me aus der Klan­g­öko­lo­gie, bin auch Echofor­scher. Für die Klan­g­öko­lo­gie und mit ihr den Klang­dom ist die Laut­sphä­re rund um den Schwen­di­see ein idea­ler Ort für die Be­geg­nung mit die­sem The­ma.

Was muss man sich dar­un­ter vor­stel­len?

CZ: Die Klan­g­öko­lo­gie be­fasst sich mit der Laut­sphä­re, in der wir le­ben, wie sich der Mensch und die Na­tur dar­in zu­ein­an­der ver­hal­ten und wie sie sich da­bei ver­än­dert. Weid­schel­len sind der Be­zugs­punkt zur Klan­g­öko­lo­gie. Sie sind ein wun­der­ba­rer Aus­druck da­für, wie der Mensch sich über den Klang mit der Na­tur ver­bin­det. Ein Bau­er, der hier oben lebt, hat zu den Schel­len ein fast schon in­ti­mes, per­sön­li­ches Ver­hält­nis – nicht al­lein we­gen des Klangs, son­dern in Ver­bin­dung mit sei­nen Tie­ren. Er er­kennt sei­ne Kü­he an den un­ter­schied­li­chen Klän­gen der Schel­len, und des­halb wählt er sie bei je­der neu­en Kuh mit Sorg­falt aus. Da­durch wird der Bau­er auch zum Klang­gärt­ner, er ge­stal­tet die Land­schaft mit und nimmt ak­tiv Ein­fluss auf die Laut­sphä­re. Es gibt aber na­tür­lich auch die häss­li­che Sei­te des Klangs – das, was wir Lärm nen­nen. Und na­tür­lich den Kli­ma­wan­del, der auch durch die Klan­g­öko­lo­gie er­forscht und be­wusst ge­macht wird. 

Und wie zeigt sich die­se Klan­g­öko­lo­gie im Klang­dom?

CZ: Man kann sich an­hand der Klän­ge mit ver­schie­de­nen Um­welt­the­men aus­ein­an­der­set­zen. Zum Bei­spiel ei­ne Rei­se ins In­ne­re ei­nes Bie­nen­stocks ma­chen oder in ei­nen schmel­zen­den Glet­scher. Man ent­wi­ckelt über das Ge­hör ei­ne neue Sen­si­bi­li­tät da­für. Die Klan­g­öko­lo­gie ist ei­ne Dis­zi­plin, die sehr breit, zwi­schen Öko­lo­gie, Wis­sen­schaft, Kunst, Phi­lo­so­phie an­ge­sie­delt ist. Es ist mir wich­tig, dass die The­men Öko­lo­gie und Kli­ma­wan­del bei uns an­ge­spro­chen und hei­misch wer­den. Als Kul­tur­in­sti­tu­ti­on kön­nen wir hier ei­nen Bei­trag leis­ten für das Sen­si­bi­li­sie­ren un­se­rer Um­welt durch den Klang und wich­ti­ge ge­sell­schaft­li­che Fra­gen stel­len. Des­halb ha­ben wir auch schon bei der Er­neue­rung des Klang­wegs neue Pos­ten zur Klan­g­öko­lo­gie in­te­griert. 

MH: Es kann auch sein, dass wir künf­tig Klang­künst­ler:in­nen da­mit be­auf­tra­gen wer­den, sol­che klan­g­öko­lo­gi­schen Pro­jek­te für den Klang­dom zu rea­li­sie­ren. Ob die Pro­duk­ti­on im Klang­haus ent­steht oder an ei­nem an­de­ren Ort, ist of­fen.

Re­den wir noch über die Fi­nan­zen. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren ist die Bau­teue­rung stark ge­stie­gen. Konn­tet ihr das Pro­jekt im Kre­dit­rah­men von 23,3 Mil­lio­nen Fran­ken ab­schlies­sen?

MH: Das Klang­haus hat der Kan­ton St.Gal­len ge­baut. Aber ja, die Bau­kos­ten blie­ben im Kre­dit­rah­men. 

CZ: Uns war klar, dass es kei­nen Zu­satz­kre­dit ge­ben wür­de, al­so muss­ten al­le Be­dürf­nis­se mit den vor­han­de­nen Mit­teln rea­li­siert wer­den.

Muss­tet ihr da­für ir­gend­wo Ab­stri­che in Kauf neh­men oder wur­de das Klang­haus so rea­li­siert wie ge­plant?

CZ: Beim gan­zen Bau­pro­jekt stand der Klang im Zen­trum. Ge­spart hat man im Un­ter­ge­schoss des Hau­ses zu­guns­ten der Akus­tik in den Klang­räu­men. Al­le wa­ren sich ei­nig, dass der Klang vor­geht. Es war ein­drück­lich zu er­le­ben, wie der Kan­ton die­se Bau­stel­le ge­führt und uns im­mer in die Pro­zes­se in­te­griert hat. So et­was er­lebt man sel­ten. Auch die fast aus­schliess­lich aus der Re­gi­on stam­men­den Fach­ar­bei­ter, vom Schind­ler, Zim­mer­mann bis hin zum Gar­ten­bau, mach­ten die­se Bau­stel­le je­den Tag zu ei­nem Er­leb­nis. Ich ver­nei­ge mich vor al­len, die die­ses un­ver­gleich­li­che Ge­mein­schafts­werk ge­schaf­fen ha­ben.

Nach­dem das ers­te Pro­jekt 2016 im Kan­tons­rat ge­schei­tert war, muss­tet ihr im zwei­ten An­lauf 2019 das Be­triebs­de­fi­zit auf 250'000 Fran­ken jähr­lich be­gren­zen und ei­nen Fonds mit min­des­tens 5,3 Mil­lio­nen äuf­nen, der durch Gel­der von Pri­va­ten fi­nan­ziert wird. Wie sehr schränkt euch die­se Be­gren­zung ein?

MH: Die 250’000 Fran­ken jähr­lich sind der Ma­xi­mal­be­trag, den wir ei­gen­mäch­tig aus die­sem Fonds be­zie­hen kön­nen. Soll­ten wir ein­mal mehr Geld be­nö­ti­gen, müs­sen wir uns mit dem Bei­rat ab­spre­chen. Wir kön­nen jetzt schon sa­gen, dass wir in der Auf­bau­pha­se – al­so 2024 und 2025, wenn wir noch kaum Geld ver­die­nen mit dem Klang­haus – mehr brau­chen als die 250’000 Fran­ken. Un­ser Ziel ist aber, das Be­triebs­de­fi­zit be­reits in we­ni­gen Jah­ren un­ter die­sen Be­trag zu sen­ken. Auch wenn, wie Chris­ti­an vor­her schon ge­sagt hat, die öf­fent­li­chen Gel­der, die wir be­kom­men, zu tief sind für das, was wir hier leis­ten.

Wie hoch sind sie?

MH: Wir be­kom­men jähr­lich et­was über 300’000 Fran­ken vom Kan­ton und 100’000 Fran­ken von der Ge­mein­de Wild­haus-Alt St.Jo­hann, al­so ins­ge­samt et­wa 400’000 Fran­ken. Das ist we­nig im Ver­gleich zu Kon­zert und Thea­ter St.Gal­len oder dem Kunst­mu­se­um St.Gal­len. Ent­spre­chend fehlt uns Geld. Des­halb sind wir jetzt dar­an, ei­ne För­der­al­li­anz auf­zu­bau­en. Wir su­chen das Ge­spräch mit Stif­tun­gen und Pri­va­ten, da­mit wir ei­ne sta­bi­le­re Ba­sis­fi­nan­zie­rung si­cher­stel­len kön­nen.

«Wenn wir un­ser Kon­zept lang­fris­tig durch­zie­hen wol­len, dann ist die öf­fent­li­che Fi­nan­zie­rung zu tief.» 

Mirjam Hadorn, CEO der Klangwelt Toggenburg

Der Fonds reicht für et­wa 15 bis 20 Jah­re, je nach­dem, wie viel man jähr­lich raus­nimmt. Wie stellt ihr die lang­fris­ti­ge Zu­kunft des Klang­hau­ses si­cher?

MH: Als Kul­tur­in­sti­tu­ti­on wer­den wir nie selbst­tra­gend sein, aber wir kön­nen ei­nen hö­he­ren Selbst­fi­nan­zie­rungs­grad er­rei­chen. Das steht und fällt da­mit, wie stark ei­ne sol­che För­der­al­li­anz sein kann, aber auch da­mit, ob es in ein paar Jah­ren an­de­re Fi­nan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten mit der öf­fent­li­chen Hand ge­ben kann. Und da­von hängt letzt­lich auch die in­halt­li­che Aus­rich­tung des Klang­hau­ses ab. Das möch­te ich be­to­nen: Wenn wir un­ser Kon­zept mit dem Fo­kus auf die kul­tu­rel­len An­ge­bo­te lang­fris­tig durch­zie­hen wol­len, dann ist die öf­fent­li­che Fi­nan­zie­rung zu tief. Wir müs­sen es auch nicht schön­re­den, das ist ein­fach Fakt. Soll­ten wir es nicht schaf­fen, ge­mein­sam – und da­zu ge­hö­ren ganz vie­le – ei­ne hö­he­re Fi­nan­zie­rung si­cher­zu­stel­len, dann kippt frü­her oder spä­ter der 60:40-An­teil zu 40:60. Denn wenn man das Klang­haus an­ders nutzt, lässt sich na­tür­lich sehr viel mehr Geld da­mit ver­die­nen, aber das wür­de nicht dem Zweck ent­spre­chen.

Die Klang­welt Tog­gen­burg ist als Fol­ge der Er­öff­nung des Klang­hau­ses stark ge­wach­sen. Steht das Geld aus dem Fonds nur für das Klang­haus zur Ver­fü­gung oder für die Klang­welt als Gan­zes?

MH: Es ist ei­ne Art De­fi­zit­ga­ran­tie für die Ak­ti­vi­tä­ten rund um den Auf­bau und Be­trieb des Klang­hau­ses. Aber wir müs­sen schon se­hen, was das für die Klang­welt be­deu­tet: Der Be­trieb des Klang­hau­ses macht künf­tig rund 80 Pro­zent des gan­zen per­so­nel­len Auf­wands der Klang­welt aus. Frü­her hat­ten wir acht Voll­zeit­stel­len, heu­te sind es dop­pelt so vie­le und wei­te­re wer­den zur Si­cher­stel­lung des Ganz­jah­res­be­triebs da­zu­kom­men.

Die Idee ei­nes Klang­ho­tels, das man da­mals nach dem Nein im Kan­tons­rat als «Goo­die» ver­spro­chen hat­te, ist spä­ter völ­lig ein­ge­schla­fen, doch jetzt ist sie wie­der auf­ge­taucht. Wo steht die­ses Pro­jekt? 

MH: So kann man das nicht sa­gen. Die Ho­tel­idee gibt es im­mer noch, sie wur­de aber aus fi­nan­zi­el­len Über­le­gun­gen erst­mal bei­sei­te­ge­scho­ben. Die Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on Klang­cam­pus AG, an der die Stif­tung Klang­welt und das Ho­tel Stump’s Al­pen­ro­se zu je­weils 49 Pro­zent so­wie Tog­gen­burg Tou­ris­mus be­tei­ligt sind, hat zu­letzt prio­ri­tär den Bau des Re­so­nanz­zen­trums Pe­ter Roth rea­li­siert. Im Mo­ment ist es auch nicht klar, ob ein Ho­tel aus die­ser Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on her­aus­wächst oder los­ge­löst da­von aus Stump’s Al­pen­ro­se.

CZ: Man muss auch be­rück­sich­ti­gen, dass in Wild­haus in den ver­gan­ge­nen Jah­ren meh­re­re Ho­tels ge­schlos­sen, ver­kauft, oder in Kon­kurs ge­gan­gen sind. Wie­so soll man dann an die­sem Ort ein neu­es Ho­tel lan­cie­ren?

Du hast die nächs­te Fra­ge vor­weg­ge­nom­men. Kannst du sie auch be­ant­wor­ten?

CZ: Ich hof­fe, dass das Klang­haus ei­nen Bei­trag da­zu lei­sen kann, dass die Über­nach­tungs­zah­len in der Re­gi­on zu­neh­men. Aber auch im Tal un­ten sind sie froh, wenn sie ein paar Bet­ten mehr be­set­zen kön­nen. Ein Ho­tel­neu­bau hier oben zum jet­zi­gen Zeit­punkt wür­de wohl auch Un­mut in der Be­völ­ke­rung schaf­fen. Aber das kann sich ja än­dern, wenn hier oben al­les gut läuft.

Im «St.Gal­ler Tag­blatt» war zu le­sen, dass die Klang­welt ei­nen In­ves­tor sucht, der drei der ins­ge­samt et­wa acht Mil­lio­nen Fran­ken bei­tra­gen soll. 

MH: Es ist schön, dass wir auch da­für noch Geld su­chen müs­sen. (lacht) Es kann schon sein, dass wir aus der Klang­cam­pus AG her­aus hel­fen, Geld­ge­ber zu su­chen für den Bau des Ho­tels, wenn es ir­gend­wann so weit ist. Aber das ist kein Auf­trag an die Stif­tung Klang­welt Tog­gen­burg, auch wenn es sich in der Aus­füh­rung teil­wei­se um die glei­chen Per­so­nen han­delt.

Die Ge­fahr, dass sich die Klang­welt mit ei­nem Ho­tel­pro­jekt am Schluss fi­nan­zi­ell über­lupft, ist al­so nicht ge­ge­ben?

MH: Mo­men­tan ha­ben wir oh­ne­hin an­de­ren Prio­ri­tä­ten, den Be­trieb und die Fi­nan­zie­rung des Ge­samt­an­ge­bo­tes der Klang­welt Tog­gen­burg mit Fo­kus auf die An­ge­bo­te im Klang­haus. Was zu­sätz­li­che Pro­jek­te an­geht, ste­hen wir in der Ei­gen­ver­ant­wor­tung, uns sel­ber zu schüt­zen, da­mit wir uns nicht über­lup­fen. Be­to­nen möch­te ich, dass die fi­nan­zi­el­len Res­sour­cen der Stif­tung durch ein Ho­tel­pro­jekt nicht tan­giert wer­den. Dies ist or­ga­ni­sa­to­risch strikt ge­trennt.

Das Klang­haus soll auch den Tou­ris­mus in der Re­gi­on an­kur­beln, ei­nen Im­puls zur Wert­schöp­fung in der gan­zen Re­gi­on leis­ten. Wie hoch ist dies­be­züg­lich die Er­war­tungs­hal­tung?

MH: Die Er­war­tung ist sehr hoch. Auch des­halb, weil wir Gel­der aus dem NRP-Pro­gramm des Bun­des be­kom­men ha­ben für die Pro­jekt­ent­wick­lungs­ar­beit in der Schwen­di, al­so für den Bau des Re­so­nanz­zen­trums, die Er­neue­rung des Klang­wegs und den Auf­bau der Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on. Es wird al­so er­war­tet, dass et­was in die Re­gi­on zu­rück­fliesst, dass es sich ge­lohnt hat, uns Gel­der aus dem NRP-Topf zu ge­ben. Auch die Berg­bah­nen er­hof­fen sich vom Klang­haus mehr Pas­sa­gie­re, ge­ra­de auch, weil die Win­ter schnee­är­mer wer­den und der Ganz­jah­res­tou­ris­mus an­ge­kur­belt wer­den soll. Was die Wert­schöp­fung be­trifft, wur­de schon ein gros­ser Bei­trag ge­leis­tet, in­dem vie­le Auf­trä­ge für den Bau des Klang­hau­ses und des Re­so­nanz­zen­trums an Fir­men in der Re­gi­on ge­gan­gen sind.

In­wie­weit kann das Klang­haus die De­fi­zi­te der struk­tur­schwa­chen Re­gi­on kom­pen­sie­ren – die ver­schwin­den­den Ar­beits­plät­ze, die Ab­wan­de­rung der Jun­gen etc.?

MH: Si­cher nicht 1:1, aber wir leis­ten ei­nen Bei­trag da­zu, die­se Pro­ble­me ab­zu­fe­dern. Wir ha­ben neue Ar­beits­plät­ze ge­schaf­fen, die ers­ten der neu­en Mit­ar­bei­ter:in­nen sind aus an­de­ren Kan­to­nen ins Tog­gen­burg ge­zo­gen. Wenn das Klang­haus ein Er­folg wird, ent­ste­hen auch im kul­tur­tou­ris­ti­schen Be­reich neue Ar­beits­plät­ze. Ob das die hie­si­gen Jun­gen in der Re­gi­on hält, wird sich zei­gen müs­sen.

Der Eröffnungsfest

Das Klang­haus Tog­gen­burg wird am Wo­chen­en­de vom 24. und 25. Mai mit ei­nem gros­sen Fest er­öff­net. Die­ses be­ginnt be­reits um 5.37 Uhr mit ei­ner Son­nen­auf­gang-Be­grüs­sung am Schwen­di­see. Der ers­te «of­fi­zi­el­le» Pro­gramm­punkt ist um 9.45 Uhr die Be­grüs­sung durch Mir­jam Ha­dorn, CEO der Klang­welt Tog­gen­burg. Um 10 Uhr be­ginnt das 12-Stun­den-Kon­zert. Die­ses fin­det in Häpp­chen von je­weils 20 Mi­nu­ten ab­wech­selnd im Zen­tral­raum, im Raum Schaf­berg und im Raum Il­ti­os statt. Den gan­zen Tag lang gibt es wei­te­re Kon­zer­te von Jo­del-, Män­ner- und Frau­en­chö­ren, Vo­kal­ensem­bles, Streich­quar­tet­ten, dem Kon­zert­chor Tog­gen­burg, dem Ju­gend­sin­fo­nie­or­ches­ter St.Gal­len und di­ver­sen an­de­ren Mu­si­ker:in­nen. Das Pro­gramm en­det um 22 Uhr.

Am Sonn­tag be­ginnt das Pro­gramm um 9.30 Uhr mit ei­ner Ma­ti­nee in Ge­den­ken an den ver­stor­be­nen Klang­haus-Ar­chi­tek­ten Mar­cel Mei­li im Zen­tral­raum. Ab 12 Uhr gibt es ver­schie­de­ne In­puts in den Klang­räu­men so­wie um 14 Uhr ein Kon­zert mit Ami­ra Me­dun­ja­nin. Nach ei­nem Aus­klang mit dem Chur­firs­ten­chör­li und zwei Kin­der- und Ju­gend­chö­ren um 16 Uhr en­det das Er­öff­nungs­fest um 17 Uhr.

Aus­ser­dem fin­det am Sams­tag von 13 bis 22 Uhr und am Sonn­tag von 11 bis 17 Uhr im Re­so­nanz­zen­trum Pe­ter Roth und im Jen­ny­haus, die sich bei­de in un­mit­tel­ba­rer Nä­he des Klang­hau­ses be­fin­den, ein Tag der of­fe­nen Tür statt.

Die Fest­wo­chen zur Klang­haus-Er­öff­nung mit ver­schie­de­nen an­de­ren An­läs­sen – un­ter an­de­rem «Ke­nia trifft Tog­gen­burg» und «Klang­tanz», die The­ma im Klang­haus-Schwer­punkt sind – dau­ern bis 27. Ju­ni. (dag) 

Er­öff­nungs­fest Klang­haus: 24. und 25. Mai, Schwen­di Wild­haus.
klang­welt.ch

Das Buch

Zur Er­öff­nung des Klang­hau­ses Tog­gen­burg er­scheint auch ein Buch. Das rund 150-sei­ti­ge Werk, das von Kan­tons­bau­meis­ter Erol Do­guo­g­lu, Buch­pro­du­zen­tin Mir­jam Fi­scher und Ar­chi­tek­tin As­trid Stau­fer her­aus­ge­ge­ben wird, ent­hält Text­bei­trä­ge von ver­schie­de­nen Au­tor:in­nen aus Ar­chi­tek­tur, Klang­kunst, Akus­tik, Mu­sik­eth­no­lo­gie, Kunst­ge­schich­te, Phi­lo­so­phie, Ge­schich­te und Tou­ris­mus. Auch Pe­ter Roth, Mit­grün­der der Klang­welt Tog­gen­burg und geis­ti­ger Va­ter des Klang­hau­ses, kommt zu Wort. Aus­ser­dem fin­den sich im Buch 3D-Ar­chi­tek­tur- und Kon­struk­ti­ons­zeich­nun­gen, rei­ches Do­ku­men­ta­ti­ons­ma­te­ri­al und ver­schie­de­ne Fo­to­stre­cken, Par­ti­tu­ren und Ly­rik­spu­ren.

Nicht feh­len dür­fen auch die The­sen-Blät­ter des Ar­chi­tek­ten Mar­cel Mei­li, der 2010 den The­sen­wett­be­werb des Kan­tons St.Gal­len ge­wann und 2019 ver­starb. Sie bil­de­ten die Grund­la­ge da­für, dass auf die­ser An­hö­he ober­halb von Wild­haus, ein­ge­bet­tet zwi­schen Schwen­di­see, Chur­firs­ten und Alp­stein, ein sol­ches Ge­bäu­de ent­ste­hen konn­te, bei dem Ar­chi­tek­tur, Klang und Na­tur in­ein­an­der ver­schmel­zen.

Wie das Bau­pro­jekt sel­ber ver­ste­he sich auch die Pu­bli­ka­ti­on als «for­schen­des Ex­pe­ri­ment» und soll Er­kennt­nis­se auf­de­cken, heisst es in der Buch­an­kün­di­gung. Ar­chi­tek­to­ni­sche Aspek­te und kon­struk­ti­ve Lö­sun­gen für die aus­ser­ge­wöhn­li­che Raum­akus­tik stün­den ge­nau­so im Fo­kus wie die Wech­sel­wir­kung der Land­schaft auf den Na­tur­jo­del oder der Klang­land­schaft auf das Ge­bäu­de des Klang­hau­ses. (dag)
 

Erol Do­guo­g­lu, Mir­jam Fi­scher, As­trid Stau­fer (Hg.): Re­so­nan­zen: Klang­haus Tog­gen­burg, Lars Mül­ler Pu­blishers, Zü­rich 2025. Vor­be­stel­lun­gen per Mail an in­fo@klang­welt.ch