Zwischen Fairness und Finanzloch

Nach jahrelanger Arbeit hat Sonart im Mai die Honorarrichtlinien für professionelle Musiker:innen veröffentlicht. Was diesen die Existenzgrundlage sichern soll, verschärft für Veranstalter:innen und Konzertlokale die finanziellen Probleme – mit entsprechenden Rückkopplungen auf das Booking.

Fa­ber, Pri­ya Ra­gu, Ku­no Laue­ner, So­phie Hun­ger oder Ste­phan Ei­cher: Sie al­le sind Grös­sen der Schwei­zer Mu­sik­sze­ne. Doch vie­le an­de­re Mu­si­ker:in­nen, selbst pro­fes­sio­nel­le be­zie­hungs­wei­se selb­stän­di­ge, le­ben von ih­rer Kunst mehr schlecht als recht, ei­ni­ge kön­nen ih­re Al­ters­vor­so­ge kaum si­cher­stel­len, die 2. und 3. Säu­le ken­nen sie nur vom Hö­ren­sa­gen. Ein Teil des Pro­blems ist, dass sie für ih­re Mu­sik so gut wie kein Geld se­hen, seit die Ton­trä­ger­ver­käu­fe we­gen Strea­ming­platt­for­men ein­ge­bro­chen sind. Ein an­de­rer, dass sie auch für Kon­zer­te schlecht ent­schä­digt wer­den. Die Ga­gen rei­chen oft nicht ein­mal aus, um die Be­rufs­aus­la­gen zu de­cken, ge­schwei­ge denn, um et­was auf die Sei­te le­gen zu kön­nen. 

Dem will So­nart, der gröss­te Ver­band der Schwei­zer Mu­sik­schaf­fen­den, ent­ge­gen­wir­ken: Mit­te Mai hat So­nart die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen ver­öf­fent­licht, wie es sie be­reits für an­ge­stell­te Or­ches­ter- und En­sem­ble­mu­si­ker:in­nen oder für Mu­sik­päd­agog:in­nen gibt. Der wohl wich­tigs­te Punkt sind die An­sät­ze für Kon­zer­te: Die «Mi­ni­mum Pay»-Ga­ge liegt bei 600 Fran­ken pro Per­son, die «Fair Pay»-Ga­ge bei 800 Fran­ken. Für So­lo­Auf­trit­te emp­fiehlt So­nart we­gen des «er­heb­li­chen Mehr­auf­wands in der Vor­be­rei­tung» ei­nen Zu­schlag von 20 bis 30 Pro­zent. 

Die­se Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen rich­ten sich an «pro­fes­sio­nel­le, selb­stän­dig er­wer­ben­de Mu­sik­schaf­fen­de», wie es in der Un­ter­zei­le heisst. Ge­mäss De­fi­ni­ti­on des Bun­des­am­tes für Kul­tur zählt da­zu, wer min­des­tens 50 Pro­zent der Ar­beits­zeit für die künst­le­ri­sche Tä­tig­keit auf­wen­det oder min­des­tens 50 Pro­zent sei­nes Ein­kom­mens dar­aus er­zielt. In der Pra­xis zäh­len auch all je­ne Mu­si­ker:in­nen da­zu, die haupt­be­ruf­lich et­was an­de­res ma­chen, aber ih­rem «Hob­by» mit ei­ner ge­wis­sen Ernst­haf­tig­keit nach­ge­hen und re­gel­mäs­sig auf­tre­ten. Die Ap­pen­zel­ler Mu­si­ke­rin Ria­na, die als Leh­re­rin ar­bei­tet und gar nicht voll auf die Kar­te Mu­sik set­zen will, das aber sehr pro­fes­sio­nell be­treibt, ist ein gu­tes Bei­spiel da­für. Auf Song­wri­ting, Üben, Band­pro­ben, Buch­hal­tung, Boo­king, Pro­mo und an­de­re Auf­ga­ben ent­fal­len dann schnell ein­mal 20 Stun­den in der Wo­che. Und ein Auf­tritt kommt – je nach­dem, wie weit man fah­ren muss – ei­nem gan­zen Ar­beits­tag mit 12 Stun­den oder mehr gleich: ein­la­den, hin­fah­ren, aus­la­den, Sound­check, war­ten, Kon­zert spie­len, ein­la­den, zu­rück­fah­ren und aus­la­den. 

Das Auf­ar­bei­ten der Ga­gen­aus­fäl­le für die Ent­schä­di­gun­gen des Bun­des wäh­rend der Co­ro­na­pan­de­mie ha­be ge­zeigt, wie pre­kär die Si­tua­ti­on für die Mu­sik­schaf­fen­den tat­säch­lich sei, sagt So­nart-Ge­schäfts­lei­te­rin Cé­ci­le Dre­xel. Das ha­be auch in der Ge­sell­schaft das Be­wusst­sein da­für ge­schärft. Des­halb ha­be So­nart die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen er­ar­bei­tet. «Wir wis­sen, dass sie viel hö­her sind als in der Rea­li­tät – heu­te be­tra­gen sie et­wa 200 bis 300 Fran­ken pro Mu­si­ker:in, wir for­dern nun das Drei­fa­che.»

Es braucht nur schon mehr Geld für den Sta­tus quo

Die «Si­cher­stel­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Ent­schä­di­gung pro­fes­sio­nel­ler Kul­tur­schaf­fen­der so­wie Ver­bes­se­rung der be­ruf­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen und der Chan­cen­gleich­heit» hat auch der Bund als ei­nes von sechs Hand­lungs­fel­dern in der Kul­tur­bot­schaft 2025—2028 de­fi­niert. Dass die Ver­bind­lich­keit sol­cher Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen im Zu­sam­men­hang mit der För­de­rung Druck auf­baue, sei klar, sagt Dre­xel. «Aber uns ist be­wusst, dass sich das nicht von heu­te auf mor­gen um­set­zen lässt oder dass viel we­ni­ger Pro­jek­te um­ge­setzt wer­den.» 

Die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen kom­men zu ei­nem Zeit­punkt, in dem die (Live-)Mu­sik­bran­che in der Schweiz im Um­bruch ist. Vie­le Kon­zert­lo­ka­le und Clubs kämp­fen ums Über­le­ben. Erst im Sep­tem­ber schlos­sen das Se­lig in Chur und das Kraft­werk Krum­men­au im Tog­gen­burg, im Som­mer stell­te das Zür­cher Ma­s­cot­te den Be­trieb ein. Das Tap­Tab in Schaff­hau­sen, das Kraft­feld in Win­ter­thur oder das Fri-Son in Fri­bourg muss­ten im ver­gan­ge­nen Jahr Geld sam­meln, um das Aus ab­zu­wen­den. Ei­ne Fol­ge die­ser Ent­wick­lung ist, dass es ins­be­son­de­re für jün­ge­re Bands, die nicht so viel Pu­bli­kum an­zie­hen, im­mer schwie­ri­ger wird, über­haupt ge­bucht zu wer­den. Sai­ten hat in der Ja­nu­ar-Aus­ga­be dar­über be­rich­tet.

In den Kon­sul­ta­ti­ons­pro­zess für die So­nart-Richt­li­ni­en ein­ge­bun­den war ne­ben den För­der­stel­len di­ver­ser Städ­te und Kan­to­ne auch Pet­zi, der Schwei­zer Dach­ver­band der nicht-ge­winn­ori­en­tier­ten Mu­sik­clubs und Fes­ti­vals. «Wir ste­hen ganz klar da­für ein, die so­zia­le Nach­hal­tig­keit in­ner­halb des Öko­sys­tems zu stär­ken», sagt Die­go Da­hin­den, Ge­schäfts­stel­len­lei­ter Deutsch­schweiz. Die­ses er­le­be ge­ra­de ei­ne «gros­se struk­tu­rel­le Kri­se», aus­ge­löst durch ver­än­der­tes Aus­geh­ver­hal­ten, stei­gen­de Kos­ten, sin­ken­de Ein­nah­men – und das im­mer spür­ba­re­re Duo­pol der bei­den mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­ne Li­vena­ti­on und CTS Even­tim, zu dem un­ter an­de­rem auch das Open­air St.Gal­len ge­hört. 

Die Ei­gen­fi­nan­zie­rungs­gra­de von vie­len der rund 200 Mit­glie­der lä­gen zwi­schen 70 und 90 Pro­zent, der An­teil Kul­tur­för­de­rung am Bud­get sei bei vie­len klein bis mar­gi­nal. «Sie bräuch­ten nur schon mehr Geld, um den Sta­tus quo er­hal­ten zu kön­nen», sagt Da­hin­den. Pet­zi warnt des­halb da­vor, die­se Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen als ver­bind­lich an­zu­schau­en, oh­ne die Fi­nan­zie­rung der ein­zel­nen Kon­zert­lo­ka­le vor­gän­gig zu klä­ren. «Das hät­te dras­ti­sche Fol­gen. Vie­le wür­den nur noch markt­taug­li­che Mu­sik bu­chen oder Klein­for­ma­tio­nen – oder kei­ne Sup­port­acts mehr.» 

Sai­ten hat sich bei ver­schie­de­nen Kon­zert­lo­ka­len in der Re­gi­on St.Gal­len um­ge­hört. Und es zeigt sich: Ge­nau die­se Be­fürch­tung ist teil­wei­se schon Tat­sa­che. 

Fast ein Vier­tel Kon­zer­te we­ni­ger

En­de Sep­tem­ber stimm­te das St.Gal­ler Stadt­par­la­ment ei­ner Sub­ven­ti­ons­er­hö­hung ans Pa­lace zu. Der Bei­trag der Stadt St.Gal­len liegt seit 2023 bei 213’100 Fran­ken pro Jahr, vom Kan­ton kom­men ak­tu­ell 82’499 Fran­ken hin­zu. Der städ­ti­sche Bei­trag steigt ab 2026 um 25’000 Fran­ken – im­mer­hin. Das ist aber we­ni­ger als die Hälf­te der be­an­trag­ten 60’000 Fran­ken. Mit die­sem Geld woll­te das vor bald 20 Jah­ren er­öff­ne­te Kul­tur­lo­kal ei­nen Teil des dro­hen­den De­fi­zits von rund 100’000 Fran­ken pro Jahr ab­fe­dern. Die­ses ist un­ter an­de­rem auf die An­pas­sung der Ga­gen an die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen von So­nart zu­rück­zu­füh­ren. 

«Wir sind jetzt dran, das Bud­get fürs nächs­te Jahr zu er­stel­len», sagt Co-Be­triebs­lei­te­rin Li­di­ja Dra­go­je­vić. Noch sei nicht ganz klar, wie sich die feh­len­den 35’000 Fran­ken aufs Pro­gramm be­zie­hungs­wei­se auf die Ga­gen aus­wir­ken wer­den. «Aber wenn wir uns kon­se­quent an die Min­dest­ga­ge hal­ten wür­den, hät­ten wir im ver­gan­ge­nen Jahr 10 von 45 Kon­zer­ten nicht durch­füh­ren kön­nen – al­so fast ein Vier­tel.» 

Man müs­se auf­pas­sen, dass die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen nicht da­zu führ­ten, dass Schwei­zer Bands noch sel­te­ner oder statt­des­sen ver­mehrt So­lo­künst­ler:in­nen ge­bucht wür­den. «Ge­ra­de jun­ge Bands sind auf Auf­tritts­mög­lich­kei­ten an­ge­wie­sen, um vor­wärts zu kom­men.» Es stel­le sich aber auch die Fra­ge, wie man da­mit um­ge­hen soll, wenn ei­ne Band frei­wil­lig für we­nig oder kein Geld im Pa­lace auf­tre­ten will, weil es für sie wich­tig sei. «Ei­ner­seits wä­re das ein schlech­tes Zei­chen, an­de­rer­seits wä­re es schwie­rig, nur des­halb ab­zu­sa­gen.»

Dop­pelt so ho­her Ga­gen­auf­wand 

Die be­nach­bar­te Gra­ben­hal­le ist das zwei­te al­ter­na­ti­ve Kul­tur­lo­kal in St.Gal­len, das ho­he Bei­trä­ge von der öf­fent­li­chen Hand be­kommt – der­zeit jähr­lich 244’000 Fran­ken von der Stadt und 30’000 Fran­ken vom Kan­ton. Sie hat al­ler­dings ei­nen an­de­ren Leis­tungs­auf­trag: Wäh­rend das Pa­lace aus­schliess­lich ein ku­ra­tier­tes Pro­gramm hat, kann die Gra­ben­hal­le auch für Fremd­ver­an­stal­tun­gen ge­mie­tet wer­den. 

«Grund­sätz­lich fin­den wir die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen ei­ne gu­te Sa­che», sagt Sa­scha Vu­jčin, Mit­glied der Pro­gramm­grup­pe und des Kol­lek­tivs der Gra­ben­hal­le. Sie sei­en wich­tig für die so­zia­le Ab­si­che­rung der Mu­si­ker:in­nen. Nur: Un­ter den jet­zi­gen Ge­ge­ben­hei­ten sei­en die An­sät­ze nicht rea­lis­tisch. «Wir kom­men übers Jahr ge­ra­de ei­ni­ger­mas­sen über die Run­den.» 

Die Ge­samt­sum­me der Ga­gen für Mu­si­kacts be­lief sich 2024 auf rund 80’000 Fran­ken. «Wenn wir sämt­li­che Schwei­zer Mu­si­ker:in­nen kon­se­quent nach ‹Fair Pay› be­zahlt hät­ten, hät­ten wir Mehr­kos­ten von 72’666 Fran­ken ge­habt», sagt Vu­jčin. Al­so fast dop­pelt so viel. Schon oh­ne die­se Richt­li­ni­en sei es kaum mach­bar, ein Kon­zert ge­winn­brin­gend durch­zu­füh­ren. «Wir hat­ten im ver­gan­ge­nen Jahr ein ein­zi­ges Kon­zert, das nicht de­fi­zi­tär war – es schloss mit ei­nem Ge­winn von 6 Fran­ken ab.» Was bei der Gra­ben­hal­le als nicht-pro­fit­ori­en­tier­tem Lo­kal an sich noch kein Pro­blem ist, so­lan­ge die Rech­nung am En­de des Jah­res aus­ge­gli­chen ist. 

Dies zu er­rei­chen, wer­de je­doch im­mer schwie­ri­ger. Nebst den be­reits er­wähn­ten Pro­ble­men hat bei der Gra­ben­hal­le die Zahl der Ver­mie­tun­gen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ab­ge­nom­men. Die­ses Jahr se­he es fi­nan­zi­ell zwar okay aus, 2024 hin­ge­gen ver­zeich­ne­te das Kul­tur­lo­kal, das im ver­gan­ge­nen Jahr sein 40-Jahr-Ju­bi­lä­um fei­er­te, ein De­fi­zit von über 18’000 Fran­ken. Nicht et­wa we­gen des zwei­tä­gi­gen Ju­bi­lä­ums­fests im Stadt­park oh­ne (be­zie­hungs­wie­se mit ei­nem frei­wil­li­gen) Ein­tritts­preis, son­dern aus dem lau­fen­den Be­trieb her­aus. 

Bei Kon­zer­ten von be­kann­te­ren Schwei­zer Acts er­fül­le man die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen gröss­ten­teils, sagt Vu­jčin. Ne­ben ei­ner Fix­ga­ge, die eher tief aus­ge­han­delt wird, be­tei­li­ge man die Mu­si­ker:in­nen in der Re­gel ab dem Break-even an den Ti­cket­ver­käu­fen. So­ge­nann­te Door­deals, bei de­nen die Mu­si­ker:in­nen be­reits ab dem ers­ten ver­kauf­ten Ti­cket par­ti­zi­pie­ren und nicht erst ab dem Break-even, ver­sucht die Gra­ben­hal­le hin­ge­gen zu ver­mei­den. Bei we­ni­ger be­kann­ten Haupt­acts liegt die Ga­gen­span­ne, je nach Be­kannt­heits­grad be­zie­hungs­wei­se Er­fah­rung, zwi­schen 300 und 800 Fran­ken – pro Act, nicht pro Mu­si­ker:in. Bei Sup­port­acts be­wegt sie sich am un­te­ren En­de die­ser Ska­la. 

Nie­der­schwel­li­ge Kon­zert­rei­hen wie «Ein klei­nes Kon­zert» (in der ver­klei­ner­ten Hal­le) oder «Bull­au­gen­kon­zert» (im Foy­er), die je­weils 10 Fran­ken Ein­tritt kos­ten, wä­ren je­doch nicht mehr mög­lich, wenn sich die Gra­ben­hal­le an die Richt­li­ni­en von So­nart hal­ten müss­te, sagt Vu­jčin. Oder an­ders ge­sagt: Um beim «Klei­nen Kon­zert» mit der fünf­köp­fi­gen St.Gal­ler Band Ex­hi­bit von En­de Sep­tem­ber bei ei­ner Ga­ge von 800 Fran­ken pro Mu­si­ker:in das­sel­be De­fi­zit zu er­rei­chen, hät­te der Ein­tritt bei gleich vie­len zah­len­den Gäs­ten (41) 90 statt 10 Fran­ken kos­ten müs­sen. Beim Kon­zert von To Athe­na im März 2024 mit 150 Be­su­cher:in­nen wä­ren es 65 statt 25 Fran­ken (im Vor­ver­kauf) ge­we­sen. 

Hö­he­re Sub­ven­tio­nen oder fast kei­ne Kon­zer­te mehr 

Ähn­lich stellt sich die Si­tua­ti­on im Wi­ler Kul­tur­lo­kal Ga­re de Li­on dar, wenn auch un­ter an­de­ren Vor­aus­set­zun­gen. Die Stadt Wil (111’000 Fran­ken) und der Kan­ton (61’250 Fran­ken) un­ter­stüt­zen zwar das 1989 ge­grün­de­te Kul­tur­lo­kal mit Bei­trä­gen, zu rund 80 Pro­zent ist es aber selbst­tra­gend. Man kann es für nicht-öf­fent­li­che Pri­vat­ver­an­stal­tun­gen wie Ge­burts­tags- oder Hoch­zeits­par­tys oder Fir­men­an­läs­se mie­ten, öf­fent­li­che Fremd­ver­an­stal­tun­gen sind je­doch nur als Ko­pro­duk­ti­on mit dem Ga­re de Li­on mög­lich. 

Mi­ke Sar­bach ist seit vie­len Jah­ren Lei­ter des Res­sorts Boo­king und Mar­ke­ting und da­mit Teil der drei­köp­fi­gen Be­triebs­lei­tung. Aus­ser­dem ist er Gi­tar­rist und Sän­ger der In­die-Pop-Band Fran­tic. «Aus Mu­si­ker­sicht sind die So­nart-Richt­li­ni­en nicht aus der Luft ge­grif­fen», sagt der 44-Jäh­ri­ge, der für die Grü­nen im St.Gal­ler Kan­tons­rat sitzt. «Aber aus Ver­an­stal­ter­sicht sieht das an­ders aus. Wir sind kon­stant fi­nan­zi­ell sehr knapp dran. Oh­ne die eh­ren­amt­li­chen Stun­den im vier­stel­li­gen Be­reich je­des Jahr könn­te die­se Art von Kul­tur gar nicht exis­tie­ren.» Da­bei wür­de das Ga­re de Li­on ger­ne auch sei­ne An­ge­stell­ten und Free­lan­cer bes­ser be­zah­len. Event­ma­na­ger:in­nen bei­spiels­wei­se kom­men als ers­te und ge­hen als letz­te, be­kom­men bei Kon­zer­ten aber 220 Fran­ken pau­schal, Ton­tech­ni­ker:in­nen 300 Fran­ken.

Das Ga­re de Li­on ver­an­stal­tet pro Jahr durch­schnitt­lich et­wa 100 Auf­trit­te von Bands, So­lo­künst­ler:in­nen und DJs – «deut­lich we­ni­ger als frü­her», wie Sar­bach sagt. «Wenn wir die Over­head-Kos­ten (in­di­rek­te Kos­ten durch In­fra­struk­tur, Ver­wal­tung etc., Anm. d. Red.) ein­rech­nen, ma­chen wir im Schnitt et­wa 3000 Fran­ken Ver­lust pro Kon­zert.» Frü­her konn­te das Ga­re de Li­on dank des Rein­ge­winns von ver­schie­de­nen Par­tys drei bis vier de­fi­zi­tä­re Kon­zer­te quer­fi­nan­zie­ren. Dies sei in­zwi­schen kaum mehr mög­lich. «Des­halb ha­ben wir vor ein paar Jah­ren da­mit be­gon­nen, ge­zielt Par­tys für ein Pu­bli­kum zwi­schen 25 und 40 zu pu­shen. Die­se lau­fen bes­ser.» Das sei je­doch ein zwei­schnei­di­ges Schwert. «Wir sind schliess­lich auch für die Jün­ge­ren da. Sie sind un­se­re Zu­kunft.» 

Bei Kon­zer­ten ar­bei­tet auch das Ga­re de Li­on, ähn­lich wie die Gra­ben­hal­le, bei den Haupt­acts mit mög­lichst tie­fen Fix­ga­gen und ei­ner Be­tei­li­gung an den Ti­cket­ein­nah­men ab dem Break-even. Ein Sup­port­act hin­ge­gen be­kom­me pau­schal zwi­schen 150 und 450 Fran­ken, sagt Sar­bach. «Uns ist be­wusst, dass das sehr tief ist, aber es liegt ein­fach nicht mehr drin.» Seit ein paar Jah­ren kom­me es auch im­mer öf­ter vor, dass man aus fi­nan­zi­el­len Grün­den ganz auf ei­nen Sup­port­act ver­zich­te. 

Bei der An­set­zung der Ga­ge müs­se man nicht nur die Pro­fes­sio­na­li­tät oder das Re­nom­mee ei­ner Band be­rück­sich­ti­gen, son­dern auch, wie viel Pu­bli­kum sie an­lo­cken kann, sagt Sar­bach. Das fi­nan­zi­el­le Ri­si­ko dür­fe nicht ein­sei­tig zu­las­ten der Ver­an­stal­ter:in­nen ge­hen. «Ver­dient ei­ne eta­blier­te Band, die aus su­per Mu­si­ker:in­nen be­steht, aber nur vor we­ni­gen Zu­schau­er:in­nen spielt, ei­ne hö­he­re Ga­ge als ein an­ge­sag­ter jun­ger Act, der 100 Ti­ckets ver­kauft?» 

Soll­ten die­se Ho­no­ra­re für die Kon­zert­lo­ka­le ver­bind­lich wer­den, gibt es ge­mäss Sar­bach zwei Mög­lich­kei­ten: «Die ers­te ist, dass es deut­lich hö­he­re Sub­ven­tio­nen ge­ben müss­te.» Wie (un-)rea­lis­tisch das un­ter dem ge­gen­wär­ti­gen po­li­ti­schen Kli­ma im Kan­ton St.Gal­len ist, weiss Sar­bach sel­ber nur zu gut: Vor zwei Jah­ren hat­te er zu­sam­men mit Mar­tin Sai­ler (SP) im Kan­tons­rat die «Kul­tur­pro­zent»-Mo­ti­on ein­ge­reicht. Die­se for­der­te, das kan­to­na­le Kul­tur­bud­get auf ein Pro­zent des Ge­samt­auf­wands zu er­hö­hen, um ins­be­son­de­re die Ar­beits­be­din­gun­gen der Kul­tur­schaf­fen­den zu ver­bes­sern. Bei der Ab­stim­mung im Früh­ling 2024 blieb die Mo­ti­on mit 72 Nein- zu 24 Ja-Stim­men (bei drei Ent­hal­tun­gen und 21 Ab­we­sen­den) je­doch ab­so­lut chan­cen­los. «Die an­de­re Mög­lich­keit ist: Wir ma­chen kei­ne Kon­zer­te mehr – oder nur noch je­ne paar we­ni­gen, die sich fi­nan­zi­ell loh­nen.» 

 «Wir ha­ben kei­nen Spiel­raum» 

Seit bald zwölf Jah­ren bie­tet auch das Trep­pen­haus in Ror­schach ein viel­fäl­ti­ges Kon­zert­pro­gramm. Es un­ter­schei­det sich in ei­nem Punkt we­sent­lich von den an­de­ren Be­trie­ben: Es ist Ca­fé, Bar und Kon­zert­lo­kal in ei­nem und diens­tags bis sonn­tags ge­öff­net, auch wenn kei­ne Ver­an­stal­tun­gen statt­fin­den; die The­ke tei­len sich die Kon­zert­be­su­cher:in­nen und «nor­ma­le» Gäs­te. Ei­ne ge­naue Auf­schlüs­se­lung der Bar­um­sät­ze nach re­gu­lä­rer und «Ver­an­stal­tungs­kon­su­ma­ti­on» ist des­halb nicht mög­lich. Und: Das «Trep­pi» ist klein. Ge­ra­de mal 130 Per­so­nen pas­sen in den Kon­zert­raum. «Bei un­se­rer Ka­pa­zi­tät sind selbst ‹Fair Pay›-Ga­gen kaum mach­bar, aus­ser aus­ver­kauf­ten Shows», sagt Ge­schäfts­füh­rer und Boo­ker Sa­mu­el Bau­mann. 

Das Trep­pen­haus be­kommt von der Stadt Ror­schach 15’000 Fran­ken und vom Kan­ton 25’000 Fran­ken jähr­lich an Sub­ven­tio­nen. Der fünf­köp­fi­ge Vor­stand ar­bei­tet eh­ren­amt­lich. Nebst der Er­hö­hung der Löh­ne für die An­ge­stell­ten und Free­lan­cer – Ton­tech­ni­ker:in­nen be­kom­men 200 bis 300 Fran­ken pau­schal – sei das Ziel, we­nigs­tens die Stel­le der Ge­schäfts­füh­rung so ent­löh­nen zu kön­nen, um sie nach­hal­tig zu si­chern, sagt Bau­mann. «Für hö­he­re Ga­gen ha­ben wir prak­tisch kei­nen Spiel­raum.» Aus der Durch­füh­rung der Kon­zer­te re­sul­tie­re jähr­lich ein Ver­lust zwi­schen 40’000 und 50’000 Fran­ken. «Das Ziel ist, bei je­dem Kon­zert ei­ne schwar­ze Null zu schrei­ben.» Dies dank der Ein­nah­men aus der Gas­tro­no­mie und aus Par­tys. Aus­ser­dem or­ga­ni­siert das Trep­pen­haus je­des Jahr vier ex­ter­ne Ver­an­stal­tun­gen, dar­un­ter zwei Day­dan­ces am Bo­den­see. Im ver­gan­ge­nen Jahr fie­len je­doch bei­de ins Was­ser. Auch des­halb re­sul­tier­te 2024 ein gros­ses Loch in der Kas­se, das Trep­pen­haus muss­te so­gar ei­nen Kre­dit auf­neh­men, um es zu stop­fen. «Wir sind al­so dar­auf an­ge­wie­sen, dass die nächs­ten Jah­re gut wer­den», sagt Bau­mann. Die­ses Jahr se­he es bes­ser aus, zum Ent­löh­nen der Vor­stands­ar­beit reicht es aber wie­der nicht. 

So nö­tig auch das Trep­pen­haus ei­ne Sub­ven­ti­ons­er­hö­hung hät­te, so un­rea­lis­tisch sei die­se in ab­seh­ba­rer Zeit, ist Bau­mann über­zeugt: «Für die Kul­tur wird es nicht mehr Geld von der öf­fent­li­chen Hand ge­ben. Wenn man uns den Bei­trag er­hö­hen wür­de, müss­te man ihn wo­an­ders kür­zen. Das wird in ab­seh­ba­rer Zeit wohl nicht pas­sie­ren.»

80 Pro­zent hö­he­re Ga­gen in zehn Jah­ren 

Seit 2005 fin­det im In­nen­hof des Kul­tur­mu­se­ums St.Gal­len an je­weils 15 Ta­gen, ver­teilt über drei Wo­chen, das Kul­tur­fes­ti­val statt. «Es steht aus­ser Fra­ge, dass wir Pro­fi­mu­si­ker:in­nen ger­ne gu­te Ga­gen be­zah­len möch­ten. Ge­ra­de im Hin­blick auf Al­ters­ar­mut ist der Grund­ge­dan­ke der Ho­no­rar­richt­li­ni­en sehr gut», sagt Fes­ti­val­lei­ter Lu­kas Hof­stet­ter. Bei den Haupt­acts, auch je­nen aus der Schweiz, er­fül­le man die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen von So­nart. Bei den Sup­port­acts lie­ge man je­doch dar­un­ter. Wür­den sämt­li­che Schwei­zer Mu­si­ker:in­nen nach «Mi­ni­mum­Pay» be­zahlt, hät­te das Mehr­kos­ten von ein paar tau­send Fran­ken zur Fol­ge. Ein Be­trag, den das Kul­tur­fes­ti­val, das auch sehr wet­ter­ab­hän­gig ist, nicht ein­fach so stem­men kann. 

Das Kul­tur­fes­ti­val ge­be Sup­port­acts die Mög­lich­keit, vor viel Pu­bli­kum auf­tre­ten zu kön­nen, sagt Boo­ker Marc Frisch­knecht, der selbst Mu­si­ker ist (Yes I’m Very Ti­red Now). «Wenn wir sie fast gleich wie die Haupt­acts ent­schä­di­gen müss­ten, wür­de das un­ser Bud­get spren­gen.» Er sei da­von über­zeugt, dass vie­le jun­ge Bands am Kul­tur­fes­ti­val lie­ber bei ei­ner klei­nen Ga­ge auf­tre­ten als gar nicht. Auch Hof­stet­ter und Frisch­knecht be­fürch­ten, die So­nart-Richt­li­ni­en könn­ten da­zu füh­ren, dass es vor al­lem im Nach­wuchs­be­reich we­ni­ger gros­se Bands, da­für mehr Ein­zel­künst­ler:in­nen ge­ben wird. 

Beim Kul­tur­fes­ti­val ma­chen Spon­so­ring und Sub­ven­tio­nen ein Drit­tel des Bud­gets aus, den Rest muss es über den Ti­cket- und Ge­trän­ke­ver­kauf er­wirt­schaf­ten. Bis zur Co­ro­na­pan­de­mie sei der Busi­ness­plan ziem­lich gut auf­ge­gan­gen, sagt Hof­stet­ter. Seit­her hät­ten sich die fi­nan­zi­el­len Rah­men­be­din­gun­gen je­doch, wie bei vie­len an­de­ren, dras­tisch ver­schlech­tert. Die Um­sät­ze sei­en rück­läu­fig, die Kos­ten für In­fra­struk­tur, Per­so­nal, Strom, Bier und so wei­ter stie­gen – und die Ga­gen in der Fes­ti­val­bran­che, die oh­ne­hin um rund ein Drit­tel hö­her sei­en als bei Club­kon­zer­ten, hät­ten sich seit 2016 um rund 80 Pro­zent er­höht. Auf­grund des ge­rin­gen fi­nan­zi­el­len Spiel­raums wir­ke sich je­de Er­hö­hung der Ga­ge di­rekt auf den Ein­tritts­preis des je­wei­li­gen Kon­zerts aus, es sei aber prak­tisch nicht mehr mög­lich, das wei­ter auf die Be­su­cher:in­nen ab­zu­wäl­zen. «St.Gal­len hat nun mal nicht das­sel­be Preis­ni­veau wie Zü­rich», sagt Hof­stet­ter. Letzt­lich ent­schei­de der Markt – al­so die Be­su­cher:in­nen –, wie teu­er die Ti­ckets sein könn­ten. Es sei je­doch auch klar, dass die öf­fent­li­che Hand we­gen des Spar­drucks nicht ih­re Bei­trä­ge plötz­lich er­hö­hen kön­ne. 

Es geht auch um den Markt­wert

Marc Frisch­knecht ist zu­dem Mit­in­ha­ber der Øya-Bar. Im «Klub» im Un­ter­ge­schoss, der rund 100 Per­so­nen fasst, ver­an­stal­tet er ab und zu auch Kon­zer­te – oh­ne Sub­ven­tio­nen oder De­fi­zit­ga­ran­tie. Die Ga­ge im Øya sei tief, sagt er. «Bei die­ser Ka­pa­zi­tät und ei­nem Ti­cket­preis zwi­schen 40 und 50 Fran­ken müss­te ich auf ei­nen aus­ver­kauf­ten Abend hof­fen, da­mit ei­ne vier­köp­fi­ge Band 600 Fran­ken pro Per­son be­kommt. Das ist bei fast al­len Bands, die im Øya auf­tre­ten, schlicht nicht rea­lis­tisch. Und ich kann es mir nicht leis­ten, mit ei­nem Kon­zert 1000 Fran­ken zu ver­lie­ren.» 

Es sei ei­ne Tat­sa­che, dass vie­le Mu­si­ker:in­nen zu schlecht be­zahlt sei­en. Und trotz­dem sei es falsch, wenn ei­ne Band nur des­halb ei­ne so ho­he Ga­ge ver­lan­ge, weil sie sich als pro­fes­sio­nell be­zeich­ne, die­se aber nicht wie­der ein­spie­len kön­ne. «War­um soll ich ihr dann so viel be­zah­len und das gan­ze fi­nan­zi­el­le Ri­si­ko sel­ber tra­gen? Ein Markt­wert muss doch auch ei­ne Rol­le spie­len.» Na­tür­lich sei es wün­schens­wert, dass Mu­si­ker:in­nen von ih­rer Kunst le­ben könn­ten, das sei aber lei­der nicht rea­lis­tisch – wie bei ihm selbst auch. 

Sai­ten hät­ten für die­sen Ar­ti­kel ger­ne auch mit dem Open­air St.Gal­len (OA­SG) ge­spro­chen, schliess­lich ist das Fes­ti­val im Sit­ter­to­bel der gröss­te Mu­sik­an­lass in der Re­gi­on. Bei Schwei­zer Head­linern wie Stress, Pa­tent Ochs­ner etc. stellt sich die Fra­ge nach den Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen von So­nart oh­ne­hin nicht. Doch mit der In­tro-Stage und dem eben­falls vom OA­SG or­ga­ni­sier­ten «Mu­sig uf de Gass», das we­ni­ge Wo­chen vor­her in der St.Gal­ler In­nen­stadt statt­fin­det, bie­ten die Ver­ant­wort­li­chen vor al­lem jun­gen Mu­si­ker:in­nen und Bands mit un­ter­schied­li­chem Pro­fes­sio­na­li­sie­rungs­grad ei­ne Platt­form. Ei­ni­ge Kon­zer­te am Mu­sig uf de Gass sind so­gar kos­ten­los. Doch wie steht es da um die Ga­gen? Kon­kre­te Zah­len woll­te OA­SG-Chef Chris­tof Hu­ber nicht nen­nen. Auf An­fra­ge nimmt er schrift­lich Stel­lung: «Das Open­air St.Gal­len setzt sich seit je­her für die re­gio­na­le, na­tio­na­le, aber auch in­ter­na­tio­na­le För­de­rung von (jun­gen) Künst­ler:in­nen ein. (…) Zur För­de­rung ge­hört am OA­SG auch die fai­re Ent­löh­nung der Künst­ler:in­nen, wes­halb wir Be­mü­hun­gen und Emp­feh­lun­gen zur zu­sätz­li­chen Ver­bes­se­rung in die­sem Be­reich be­grüs­sen. Die­se Ver­bes­se­run­gen müs­sen aber auch in ei­nem Ver­hält­nis zum An­lass und Wir­kung ste­hen, um die wirt­schaft­li­che Nach­hal­tig­keit zu ge­währ­leis­ten, da sonst die­se Platt­for­men und Ver­an­stal­tungs­or­te weg­bre­chen. Hier wä­ren die Po­li­tik und ins­be­son­de­re die Kul­tur­för­de­rung ge­for­dert.»

Ver­an­stal­ter:in­nen spü­ren Druck der Kul­tur­för­de­rung 

Die ver­schie­de­nen Ver­an­stal­ter:in­nen und Kon­zert­lo­ka­le, mit de­nen Sai­ten für die­sen Ar­ti­kel ge­spro­chen hat, be­rich­ten, dass sie sei­tens des Kan­tons St.Gal­len be­reits die Er­war­tung spü­ren, die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen von So­nart um­zu­set­zen. Teil­wei­se sei das auch in die Leis­tungs­ver­ein­ba­run­gen ein­ge­flos­sen, was ei­ni­ge nicht un­ter­schrei­ben woll­ten. Der Kul­tur­för­de­rung sei­en fai­re Ga­gen und Löh­ne ein wich­ti­ges An­lie­gen, be­stä­tigt Sa­bi­na Brunn­sch­wei­ler, Co-Lei­te­rin des Amts für Kul­tur. Es sei aber nicht mög­lich, die Ho­no­rar­richt­li­ni­en von ei­nem Tag auf den an­dern für al­le ver­pflich­tend ein­zu­for­dern und die An­wen­dung zu kon­trol­lie­ren. «Uns ist be­wusst, dass da­durch ei­ni­ge Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen schlies­sen müss­ten.» Ge­ra­de im länd­lich ge­präg­ten Ring­kan­ton St.Gal­len mit sei­nem viel­fäl­ti­gem Kul­tur­ange­bot sei es wich­tig, die Si­tua­ti­on der ver­schie­de­nen An­spruchs­grup­pen zu be­rück­sich­ti­gen so­wie ge­mein­sam und Schritt für Schritt Ver­bes­se­run­gen zu er­zie­len. Da kei­ne zu­sätz­li­chen fi­nan­zi­el­len Mit­tel vor­han­den sei­en, be­deu­te das an ver­schie­de­nen Or­ten auch ei­ne stär­ke­re Se­lek­ti­on, im Pro­gramm­an­ge­bot der Kul­tur­lo­ka­le oder in der För­de­rung der In­sti­tu­tio­nen. 

Li­di­ja Dra­go­je­vić vom Pa­lace nimmt die Kul­tur­för­de­rung in die Ver­ant­wor­tung, zu Lö­sun­gen bei­zu­tra­gen – aber auch die Po­li­tik, die dar­über ent­schei­det, wie viel Geld für Kul­tur über­haupt zur Ver­fü­gung steht. «Die Clubs kön­nen und sol­len die­se fi­nan­zi­el­le Last nicht al­lein tra­gen, das wä­re ei­ne ex­tre­me Ver­schie­bung des För­der­auf­trags zu den Clubs hin.» Sie sei über­zeugt, dass man ei­nen Kom­pro­miss fin­den und sich schritt­wei­se den Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen an­nä­hern wer­de. «Jetzt braucht es sehr viel Ar­beit und sehr vie­le Ge­sprä­che und Ver­hand­lun­gen zwi­schen al­len Be­tei­lig­ten – Mu­sik­schaf­fen­den, Clubs, För­der­stel­len, der Po­li­tik.

Auch für Sa­scha Vu­jčin von der Gra­ben­hal­le ist klar: Oh­ne mehr Geld von der öf­fent­li­chen Hand wer­de es nicht mög­lich sein, die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen um­zu­set­zen. «Auch wir wer­den über kurz oder lang ei­ne Sub­ven­ti­ons­er­hö­hung brau­chen.» An­sons­ten müs­se man Ab­stri­che beim Pro­gramm in Kauf neh­men, was letzt­lich nicht im Sin­ne der Mu­si­ker:in­nen sei. Lu­kas Hof­stet­ter vom Kul­tur­fes­ti­val teilt die­se Be­fürch­tung: «Der Boo­me­rang wird sein, dass es ir­gend­wann we­ni­ger Kon­zer­te ge­ben wird.» Vor al­lem wür­den die Gra­ben­hal­le und an­de­re Kul­tur­lo­ka­le da­durch auch den Leis­tungs­auf­trag, den sie von der För­der­stel­len ha­ben, nicht er­fül­len. 

Für Cé­ci­le Dre­xel von So­nart ist es klar, dass man die Kon­zert­lo­ka­le die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen nicht von heu­te auf mor­gen um­set­zen kann. Sie sieht sie aber auch als Druck­mit­tel ge­gen­über der Po­li­tik, mehr Geld für die Kul­tur zu spre­chen. «Die Po­li­tik und den För­der­insti­tu­tio­nen sind in der Plicht, zu den Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen Stel­lung zu be­zie­hen und mehr Geld für die Kul­tur zur Ver­fü­gung zu stel­len. Mu­sik­schaf­fen­de brau­chen die­se Büh­nen, es ist we­der in ih­rem noch in un­se­rem Sinn, dass sie schlies­sen.» 

Für die Col­la­gen zu die­sem Text hat DO­ME Geld­sym­bo­le und -mo­ti­ve aus Al­ben­co­vers her­aus­ge­löst und neu ar­ran­giert.

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