, 27. Februar 2018
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Ab aufs sogenannte Land!

Jakob geht nicht bloss ins Theater St.Gallen. Sondern auch aufs Land. Dort nämlich spielt die Kultur – und widerlegt den «Stadt-Land-Graben», der im Zusammenhang mit der Abstimmung zum Theaterkredit von rechts beschworen wird.

«Gofechössi»-Vorstellung in Wattwil. (Bild: Stephan K.Haller)

Jakob will zum Beispiel am 22. März nach Lichtensteig gehen, zur Ausstellung «Ein Stück weit Pionier» rund um den Skispringer Walter Steiner. Oder Ende April an die Saisoneröffnung der Rhein-Schauen. Oder im Mai ans Naturstimmen-Festival im Toggenburg. Bei all diesen Anlässen – und vielen hundert anderen landauf landab – steckt Geld vom Kanton drin.

Nichts gegen Konzert und Theater, gegen das Textilmuseum oder die Kunsthalle St.Gallen. Aber die wahren Säulen der Kultur heissen Treppenhaus Rorschach, Diogenes Theater Altstätten, Madlen Heerbrugg, Fabriggli Buchs, Jazzfestival Sargans, Altes Kino Mels, Kulturkreis Walenstadt, Rotfarb Uznach, IG Halle Rapperswil, Chössi Theater Lichtensteig, Zeltainer Unterwasser, Gare de Lion Wil, Momoll Theater Wil, Kulturpunkt Flawil und so weiter, die Aufzählung ist ungerecht, weil ganz viele da nicht genannt sind.

«Ländlicher Kulturkanton»

«St.Gallen lässt sich als gut ausgestatteter ländlicher Kulturkanton charakterisieren», steht lakonisch in der letztjährigen Botschaft zum neuen Kulturfördergesetz, das seit zwei Monaten in Kraft ist.

Vielfarbige Kultur: Fabriggli Buchs. (Bild: pd)

Zahlen bestätigen die Charakterisierung. Aus dem St.Galler Lotteriefonds fliessen jährlich Gelder in rund 80 Institutionen rund um den Kanton. Die «grossen Kisten» sind Schloss Werdenberg (mit jährlich 870’000 Franken weitaus an der Spitze), Kunstzeughaus Rapperswil-Jona (mit 280’000 Franken), Tonhalle Wil (mit 100’000 Franken) und Klangwelt Toggenburg (mit 290’000 Franken jährlich). Die kleinsten Lotteriefondsbeiträge betragen 10’000 Franken; das Vermittlungsangebot artefix Rapperswil, die Freilichtbühne Rüthi oder das Jugendorchester Il Mosaico in Wattwil gehören neben diversen anderen zu deren Nutzniessern.

Vom jährlichen Lotterie-Topf von gut 5 Millionen Franken (ohne Konzert und Theater St.Gallen) gehen insgesamt rund 3 Millionen in die Region und rund 2 Millionen in die Hauptstadt. Das Theater bekommt aus dem Lotteriefonds jährlich 7,9 Millionen, vom Kanton sowie von der Stadt St.Gallen je 8,5 Millionen und von den umliegenden Kantonen 3,3 Millionen; rund 12 Millionen sind Eigeneinnahmen, mehr dazu hier oder hier. Rechnet man Konzert und Theater weg, so ist die Balance zwischen «Stadt und Land» also einigermassen gegeben.

Und noch ausgeprägter fällt das Gleichgewicht aus, wenn man die regionalen Förderplattformen mit einbezieht: Südkultur, Rheintaler Kulturstiftung, Kultur Toggenburg, Kultur Zürichsee-Linth und Thurkultur. In ihnen haben sich die Gemeinden der Regionen zusammengeschlossen, sie fördern jährlich hunderte von kleineren Projekten und Veranstaltungen zur Hälfte aus eigenem Geld, zur Hälfte aus der Subvention des Kantons. Hier ist die Stadt benachteiligt: Sie hat, ebenso wie die Region Rorschach, keine vergleichbare Förderplattform.

Eingang zur Kultur: Diogenes Theater Altstätten. (Bild: Der Puck)

Man kann das als «nackte Zahlen» ansehen – aber hinter den Zahlen stecken Initiativen und kulturelle Aktivitäten von Leuten in der Region. Im Diogenes Theater Altstätten, einer der Pionier-Institutionen auf dem «Land» (das in Wahrheit eine ziemlich städtisch tickende Agglomeration ist, zumindest im unteren und mittleren Rheintal), hat zum Beispiel gerade dieser Tage der theater-eigene Diogenes-Chor sein neues Programm «55 Grad Nord» aufgeführt. Und gezeigt: Hinter den Zahlen steckt Herzblut.

«Existentiell für den Ringkanton»

Etwas abstrakter formuliert dies die Botschaft zum neuen Kulturfördergesetz vom vergangenen Jahr. «Die kulturelle Vielfalt zu fördern, wird in einer heterogener werdenden Gesellschaft immer bedeutender, um unterschiedliche Bevölkerungsgruppen am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen», heisst es dort. «Für den Ringkanton St.Gallen gilt dies verstärkt, weil seine Regionen historisch und dadurch auch kulturell sehr unterschiedlich geprägt sind. Es gilt, die kulturellen Stärken der Regionen als ebenso identitätsstiftende wie bindende Kräfte zu fördern. Aktive Kulturpolitik beschränkt sich daher nicht auf die Förderung des künstlerischen Schaffens und auf die Erhaltung des kulturellen Erbes. Sie zielt auf die Beteiligung möglichst vieler Bevölkerungsgruppen am kulturellen Leben und auf kulturelle Orte des Austauschs und der Begegnung.»

Seit 30 Jahren ein Ort der Begegnung: Das Alte Kino Mels. (Bild: pd)

Kulturschaffende leisteten in diesem Sinn einen unverzichtbaren «service au public», für Bildung, Gesellschaft und Demokratie. Kultur belebe Gemeinden und Städte, stärke die Regionen und gestalte Lebensräume mit. «In vielen Städten und Gemeinden des Kantons, von St.Gallen über Wil, Lichtensteig, Rapperswil-Jona und Buchs bis ins Rheintal sind die Kulturorte – von Kleintheatern über Museen bis zu Ausstellungs- und Konzertlokalen bzw. -anlässen – gesellschaftliche Treffpunkte, Brennpunkte zivilen Engagements», steht in der Kulturförder-Botschaft.

Lob der Laienkultur

Rund 70 Prozent der Bevölkerung besuchen denn auch gemäss Kulturstatistik des Bundes von 2016 wenigstens einmal im Jahr Institutionen wie Museen, Konzerte, Denkmäler oder Kinos. Das heisst umgekehrt allerdings auch: 30 Prozent sind kulturabstinent, zumindest nach traditionellerem Kulturbegriff. Knapp die Hälfte geht einmal im Jahr ins Theater (47 Prozent). Knapp zwei Drittel der Bevölkerung sind in irgendeiner Form selbst kreativ tätig (Zeichnen, Malen, Musizieren, Singen, Tanzen, Laientheater usw.). Überdies sind schweizweit 28 Prozent der Bevölkerung in Kulturvereinen der einen oder anderen Art kulturell aktiv. «Die Tätigkeit dieser Laienverbände ist von grundlegender Bedeutung für die kulturelle Teilhabe der Bevölkerung», hält die Regierung fest.

Jakob findet: All das könnte man mitbedenken, bevor man das Theater, wie es die Gegner des Baukredits tun, als Sache einer kleinen Elite schlechtredet. Kulturfreundinnen und -freunde von Mels bis Mols und Unterwasser bis Obersteinach hätten jedenfalls Grund, sich aufzuregen, wenn man sie als kultur-uninteressierte Banausen hinstellt.

Abgesehen davon, dass es am kommenden Sonntag nicht um Kulturgeld geht, sondern um einen Baukredit – also um Wirtschaftsförderung. Ein Ja heisst: Das Geld wird nicht in «elitäre» Kunst verbuttert, sondern fliesst in die Kassen der Handwerker, Planerinnen und Baufirmen. Ein Nein, um es mit Manuel Stahlbergers Lied zu sagen, «schadet der Wirtschaft».

 

2 Kommentare zu Ab aufs sogenannte Land!

  • Jakob darf auch gerne an die Schlossmediale vom 18. bis 27. Mai 2018 nach Werdenberg kommen. Wir würden uns freuen.

  • Redakcija sagt:

    Hallo und noch einen schönen Abend, liebe Leute von meiner seit über acht Jahren heiß geliebte “ Politisch Incorrekt ich kann Ihnen nicht genug dankbar sein, denn ich besuche PI mehrmals täglich und tue, wenn auch nicht so oft schreiben, bin aber sehr beruhigt gute Berichte zu lesen. Wünsche der ganzen Belegschaft, wie auch Schreibern und Lesern, Gesundheit und alles Gute, vom Rheintal

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