, 24. August 2024
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Demonstrieren gegen den Rückschritt

An die 300 Menschen versammelten sich am Freitagabend in der Marktgasse, um gegen den geplanten Autobahnanschluss am Güterbahnhof zu demonstrieren. Doch es ging um mehr: Die Politik ist im Autorausch und überholte Ideen sind in aller Munde.

(Bild: agi)

«Lieber Bratwurst mit Senf statt 6-spurig nach Genf.» Marco Dal Molin, Vorstandsmitglied im Verein gegen den Autobahnanschluss am Güterbahnhof St.Gallen, stellt in der Begrüssung vor dem Vadianbrunnen klar, dass es bei der heutigen Kundgebung nicht nur um den Güterbahnhof geht. Die eidgenössischen Räte haben der sechsspurigen A1 bereits zugestimmt. Ein Fass ohne Boden, dem der Verein zusammen mit Umweltorganisationen und linken Parteien ein Ende setzen will.

«Das ist nicht das erste zerstörerische Strassenprojekt, dass wir in dieser Stadt versenken.» Dal Molin erinnert an den Kampf gegen die Südumfahrung. In den 70er-Jahren war es der Zirkus Pic-o-Pello, der den gigantischen Autobahnausbau verhinderte. Clown Pic, bürgerlich Richard Hirzel, der im damaligen Widerstand involviert war, ist auch an dieser Demonstration dabei. Er ist nicht der einzige prominente Teilnehmer. Nationalrätin Franziska Ryser, der ehemalige Ständerat Paul Rechsteiner oder der Stadtparlamentspräsident Vića Mitrović sind vor Ort.

Überholt und zu teuer 

Léonie Schubiger, Co-Präsidentin der JUSO Kanton St.Gallen, kritisiert den Stadtrat, der weiterhin am Autobahnanschluss festhält. «Wir wollen nicht, dass eine Milliarde für ein Projekt aus dem letzten Jahrhundert ausgegeben wird.» Sie betont die Wichtigkeit des Güterbahnhofareals. Es sei ein wichtiger Ort der Begegnung. «Wir wollen eine Stadt für die Menschen und nicht immer mehr Autos», sagt sie.

Es sei leider keine Demo für mehr Klimaschutz, sondern eine gegen den Rückschritt. Thuraya Abbass vom Klimastreik hätte lieber für eine autofreie Stadt, für mehr Begrünungsflächen oder für eine lebenswerte Zukunft demonstriert. Es gehe beim Projekt nicht nur um eine Autobahn, sondern auch um den Erhalt des Status-Quo: Die Dominanz des motorisierten Individualverkehrs. Jeder investierte – sie korrigiert sich – jeder verschwendete Franken für das Autobahnprojekt fehle später beim Klimaschutz. Sie zählt auf: Der öffentliche Verkehr, das Velonetz oder die Begrünung der Strassen wären sinnvollere Dinge, in die das Geld investiert werden könnte. «Mobilität muss in Zukunft klimagerecht sein.» Sie will Utopien bauen anstatt einer Autobahn.

Kritik von der FDP

Utopien. Ein Wort, das die FDP wohl schaudern lässt. Diese fordert in ihrem Communiqué «Lösungen statt Demos». Fakten liessen sich nicht wegdemonstrieren. Die aufgezählten Fakten sind dann auch gut selektiert. Zusammengefasst: Das St.Galler Verkehrsnetz ist zunehmend überlastet, was auch die Quartiere, der ÖV und Velofahrende zu spüren bekommen. Die Lösung: Staufreie Hauptachsen. Das inzwischen wissenschaftlich bestätigte Phänomen des induzierten Verkehrs (im Volksmund «Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten») lässt die Partei unbeachtet.

Der Schlusspunkt der Veranstaltung setzt Urs Tobler. Der Bewohner des Tschudiwiesquartiers betont, dass die Autobahn eine ökologisch sinnvolle Neugestaltung des Areals verhindern würde. Er verstehe, dass sich die Anwohner:innen im Riethüsli und in der Nähe der Teufenerstrasse weniger Verkehr wünschen. Mit einer Pförtneranlage zwischen Liebeck und Lustmühle, einer Temporeduktion und einer ganzheitlichen Neugestaltung wäre eine Verkehrsberuhigung in der Teufenerstrasse möglich. Es sind Ideen, die schon seit Jahren im Gespräch sind. Tobler kritisiert die Behörden und Politiker:innen, die mit der Umsetzung so lange gewartet hätten, bis nur noch eine Astra-Lösung in Frage zu kommen scheine.

Am 24. November hat die Schweizer Stimmbevölkerung die Chance, dem Projekt ein Waterloo zu bereiten. Mit einer Ablehnung des Nationalstrassen-Ausbaus wäre die Sache gegessen. Dann hätten die Demonstrierenden vielleicht Zeit, für ein besseres Velo- oder ÖV-Netz zu kämpfen.

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