, 1. Juni 2020
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Der Schlüssel zur Kunst

Im August startet der Studiengang Bildende Kunst an der Schule für Gestaltung St.Gallen in die fünfte Runde. Zum 10-jährigen Bestehen der Weiterbildung gibt es Neuerungen: mehr Werkausstellungen und ein gemeinsames Atelier. Von Sandra Cubranovic

Die gestalterische Weiterbildung ist mit der Fachrichtung Bildende Kunst die einzige Möglichkeit in der Ostschweiz, sich zur Künstlerin oder zum Künstler ausbilden zu lassen. Mit dem Start 2010 hat sich für viele ein Herzenswunsch erfüllt. Vor allem die lokale Kunstszene forderte die Realisation einer Kunstausbildung in St.Gallen (und hat das Thema anlässlich der Diskussionen um das städtische Kulturkonzept erneut vorgebracht).

Bildung für die Kunst müsse her, weil Kunst wichtig ist, weil sie die Gesellschaft herausfordert. Sie ist ein Mittel zur subversiven Kommunikation. Sie lässt Bewegung entstehen, statt Stillstand zu dulden. Und das Kommunizieren, das Wie, will gelernt sein.

Mut zum Unbekannten

«Vielleicht macht man auch Sachen, die man im ersten Moment nicht so gut findet.» Thomas Stüssi, Bildender Künstler und seit 2017 Leiter des Studiengangs, spricht aus Erfahrung. Neuem gegenüber aufgeschlossen zu sein und sich zu überwinden, gehört zum künstlerischen Prozess. Entgegen den Erwartungen sind es oftmals genau die schwierigsten Anstrengungen, die die eigene Arbeit bereichern und die Weiterentwicklung forcieren. Der 41-jährige Teufner hat in Berlin an der Kunsthochschule Weissensee studiert. «Ideal sind Bewerberinnen und Bewerber, die schon eine eigene künstlerische Praxis entwickelt haben, aber eine Weiterentwicklung anstreben und eine Erweiterung ihrer Arbeitsweise zulassen wollen.»

Studiengangsleiter Thomas Stüssi. (Bild: pd)

Zu den Neuerungen des Lehrgangs gehört die Aufstockung der Anzahl Werkschauen. Sechs Ausstellungen statt bisher zwei werden in gemeinsamer Planung von den Studierenden organisiert und realisiert. Diese stellen alle vor ganz spezifische Herausforderungen. Thomas Stüssi kennt die Schwierigkeiten gut: «Viele haben Hemmungen, auch nur eigene Bekannte einzuladen. Wenn man das einige Male gemacht hat, sich überwindet, dann wird man sicherer und lernt, dass das Ausstellen und Sich-Zeigen zum Künstlerberuf dazugehört.»

Im Studium wird neben praxisorientierten Modulen auch Theorie gelehrt. «Ich persönlich glaube nicht, dass es Kunst ganz ohne Theorie gibt. Aber ich kenne den Prozess der theoretischen Aneignung, der teilweise blutleer, schwer ertragbar und nahezu unverständlich daherkommt. Aber um etwas Starkes zu schaffen, braucht es beides.» Theorie könne Orientierung und Halt bieten, sagt Stüssi, es finde sich für jedwede Kunst irgendwo eine Referenz. Tatsächlich etwas selbst erfunden zu haben, komme eigentlich sehr selten vor.

Für seine architektonisch-physikalisch inspirierte Kunst betreibt Thomas Stüssi selber im Vorfeld Recherchearbeit und nutzt wissenschaftstheoretische Abhandlungen oder physikalische Theorien zur Ausübung der Praxis. Andere würden völlig aus dem Bauch heraus arbeiten. Beide Arbeitsweisen sind individuelle Entscheidungen und Wege, es gibt kein Richtig oder Falsch, sagt er.

Ja zur Region

Ob es der Wunsch nach individueller Weiterentwicklung oder der nach einem Quereinstieg ist: Gründe, in St.Gallen Kunst zu studieren, gibt es viele. Die höhere Fachschule bietet eine duale Kulturbildung, gegründet auf Beruf und Studium. Kathrin Lettner, die Leiterin der Weiterbildungsgänge an der Schule für Gestaltung, sieht die Existenzberechtigung der Ausbildung wie folgt: «Bildende Kunst braucht es immer und besonders in Zeiten wie diesen, wo Kreativität eine der grossen Chancen für gesellschaftliche Veränderung sein sollte. St.Gallen war und ist ein spezieller Ort, es gibt eine lebendige Kunstszene, deswegen ist eine Kunstausbildung – nicht auf universitärem, sondern auf dem Niveau einer Höheren Fachschule – genau richtig hier.»

Weitere Infos: gbssg.ch

Mit der neuen Option, jährlich in die Kunstklasse einsteigen zu können, wurde eine zeitgemässere Lösung geschaffen. Die Leute wollen nicht mehr warten, bis der nächste Lehrgang startet. Und zur Vernetzung trägt bei, dass die Zahl von Unterrichtenden aus der Region vergrössert wurde: Künstlerinnen und Künstler wie Gilgi Guggenheim, Alex Hanimann, Anita Zimmermann, Nora Rekade, Andrea Vogel oder Michael Bodenmann sind als Dozenten dabei.

Sechs Semester dauert der Lehrgang, unterrichtet wird berufsbegleitend freitags und samstags sowie in Blockwochen. Die Ausschreibung läuft, nun steht dem Gang ins Kollektivatelier im Schulhaus Bild nichts mehr im Weg. Die Studierenden haben in der Werkstatt die Freiheit, eigenständig zu schaffen, Werkzeuge und Maschinen zu nutzen, und sie können die Arbeiten auch stehen lassen. Der Schlüssel zum Atelier garantiert jederzeit Zutritt – die Inspiration kennt schliesslich keine Uhrzeit.

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