Kunst
Knorzig bis knackig – den Wurzeln auf der Spur
Entwurzelt, verwurzelt, zurück zu den Wurzeln – die botanische Metapher ist omnipräsent. Der Kulturort Galerie Weiertal widmet den Wurzeln seine aktuelle Sommerausstellung: «Back to the Roots» lädt ein, mit der Kunst zusammen die Ursprünge zu ergründen. Dies trifft sich gut: Im weitläufigen Garten, zwischen Wiese und Wald, lässt sich gut abtauchen. Sogar der Mobilempfang ist so schlecht, dass die digitale Ablenkung in die Ferne rückt. Die Kunst ist dafür umso näher. Insgesamt 18 künstlerische Positionen werden hier präsentiert. Manche nehmen das Ausstellungsmotto wörtlich, viele arbeiten mit Holz, andere setzen starke Farbakzente, wieder andere beziehen sich formal oder inhaltlich auf die Apfelbäume. Und so reicht das Spektrum der Werke von der Schlange im Paradies im Werk der Zürcherin Teres Wyler bis zu dem 100-Kilogramm-Berg aus Äpfeln, aus dem die St.Gallerin Andrea Vogel in ihrer Videoperformance immer wieder einen anbeisst und weglegt. Zu süss, zu sauer? Im Weiertal gerade richtig: Hier interagieren Kunst und Natur aufs Schönste – und das seit 25 Jahren. (Kristin Schmidt)
«Back to the Roots» und «Out in the Wild»: bis 7. September, Galerie Weiertal, Winterthur
galerieweiertal.ch
Musik
Über dem See
Manche sagen, die Aussicht vom Sur le Lac über das Festivalgelände und die Baumwipfel auf den See sei einzigartig. So einzigartig, wie auch das Line-up. Jedes Jahr überzeugt das kleine Festival in Eggersriet mit vielfältigen, gut kuratierten Bands aus der Region bis weit über die Weltmeere hinaus. Heuer ist am Festival von starkem psychedelischem Rock von Worries And Other Plants oder hypnotisch-noisigem Pop von Elio Ricca – beide aus St.Gallen –, über chaotischen Hip-Hop von Black Fondu aus London bis hin zu Jazz von der Hochzeitskapelle aus Bayern eine grosse Bandbreite an Musikrichtungen vertreten. Auch Fans düsterer Musik kommen auf ihre Kosten – beispielsweise mit der St.Galler Band The Sun Is A Giant Molotow – sowie diejenigen, die Lust haben, zu tanzen. Tonya deLazy oder Silverwingkiller machen es möglich. Ob es an der Aussicht liegt oder am selbstgemachten Zopf, den es auf dem Gelände zu kaufen gibt: Sogar International Music, die nach ihrer letzten Performance in Eggersriet scheinbar ihre Gage an Schweizer Beamt:innen abgeben mussten, beehren das Festival erneut. (Daria Frick)
Sur le Lac Festival: 8. und 9. August, Eggersriet
surlelacfest.ch
Ein Mekka für Perlentaucher
Bereits zum 50. Mal gehen im August die Winterthurer Musikfestwochen über die Bühne. An neun der zwölf Tage ist das Programm, das sich auf verschiedene Orte in der Altstadt verteilt, kostenlos – und gespickt mit Perlen. Darunter etwa die Winterthurer Band Death Of A Cheerleader, die eine so einzigartige wie faszinierende Mischung aus Post Punk, Doom und Heavy Metal spielt und Mitte Juni ihr neues Album Rites of Passage veröffentlicht hat, die österreichische Grunge-Punk-Combo Leftovers oder Moitra x Otrava mit ihrem Chancon-Balkan-Pop zum Festivalauftakt. Zudem gibt es Theateraufführungen, Strassenkunst oder Lesungen, und am Familienplausch können Kinder selber Instrumente bauen oder Shirts bedrucken. Zum Abschluss folgen die drei Tage mit den kostenpflichtigen Konzerten der «grossen» Acts. Aktuell gibt es nur noch Tickets für den Freitag mit Idles, «eine der wichtigsten britischen Bands der letzten Jahre», wie es die Musikfestwochen auf den Punkt bringen, Chalk und TTSSFU. Samstag (Aurora/Zaho de Sagazan/Luvcat) und Sonntag (Provinz/Soft Loft) sind bereits ausverkauft. (David Gadze)
Winterthurer Musikfestwochen: 6. Bis 12. August, Winterthur
musikfestwochen.ch
Literatur
Im Erzähldschungel
Irgendwann gegen Ende ahnt die Erzählerin, «dass es hier keine Pointe geben, dass die Geschichte auf keine Auflösung, kein Ende zulaufen würde». So kommt es denn auch, und die Autorin wäre nicht Dorothee Elmiger, wenn sie es sich und uns einfacher machen würde. Nicht einmal in einem «Krimi». Ein «cold case» sind Die Holländerinnen, die dem vierten Roman der in den USA lebenden Innerrhoder Autorin den Titel geben, tatsächlich: Vor zehn Jahren sind zwei junge Frauen im südamerikanischen Dschungel verschollen. Ein Theatermacher, Verfechter eines «hypnotischen Realismus» à la Milo Rau, will dem Fall vor Ort nachgehen und lädt die Erzählerin als Protokollantin ein, an der Expedition teilzunehmen. Am Treffpunkt im Dschungel, im «Herz der Finsternis», stellt sie rasch fest, dass hier zwar alles mit allem zusammenhängt, die Dinge aber zugleich mehr und mehr aus dem Ruder laufen. Die Atmosphäre wachsender Bedrohung fängt Elmiger, die Virtuosin der indirekten Rede, in immer neuen Erzählanläufen ein. Ein kluges, labyrinthisches, vertracktes Lesevergnügen – mehr dazu zum Buchstart im August auf saiten.ch. (Peter Surber)
Dorothee Elmiger: Die Holländerinnen. Hanser Verlag, München 2025. Erscheint am 19. August.
Buchvernissage: 1. Oktober, Literaturhaus St.Gallen