, 19. Februar 2018
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Fässler gegen den «digitalen Fatalismus»

Hans Fässler hat erneut eine Debatte an der Kantonsschule Trogen angestossen, wo er unterrichtet: Facebook sei «in jeder Hinsicht eine problematische Firma», die Schule solle daher ihren Account löschen oder zumindest diskutieren. Letzteres wird sie jetzt auch tun.

Die Schulkonferenz vom letzten Dienstag hatte nicht zum ersten Mal einen Antrag ihres Englischlehrers vor sich. Genau vor einem Jahr ist im selben Gremium das Flugverbot für Schulreisen zur Diskussion gestanden – Fässler hatte es zwei Jahre zuvor lanciert, die Schülerorganisation SOT wollte es jetzt rückgängig machen, doch die Schule blieb dabei und bekräftigte das Verbot sogar noch.

Weniger Erfolg als mit diesem ökologischen Anliegen hatte Fässler zuvor mit einem Antrag, nicht mehr beim jugendsportlichen CS-Cup mitzumachen aus Opposition gegen die Geschäftspolitik der Bank. Mit diesem Anliegen blieb Historiker Fässler chancenlos, trotz heftigen Worten gegen die «tendenziell kriminelle Grossbank, die ihr Image mittels herziger fussballspielender Buben und Mädchen aufpoliert».

«Geld, Daten und Macht»

Jetzt also wollte er nach eigenen Worten «zum dritten und wohl zum letzten Mal» versuchen, eine politische Debatte an der Kanti in Gang zu bringen. Diesmal geht es um Facebook. Drei Gründe führte Fässler ins Spiel, wobei ihm der dritte, vergleichsweise harmlose bereits im Vorfeld einige Zustimmung eingebracht hatte, wie er sagt.

Nämlich: An der Schule herrsche ein Kommunikationswirrwarr; informiert und kommuniziert werde auf zwei Websites sowie per Wochenmail, Facebook, Anschlagbretter, Plattformen wie ILIAS und Office365, Lehrerfächli, WhatsApp-Gruppenchats, E-Mails, Zeitungen etc. Es sei daher Zeit für einen «Ausstieg aus dem digitalen Fatalismus».

Die Gründe eins und zwei sind allgemeiner, sie gelten der Marktmacht von Facebook und den Folgen für die Informationsgesellschaft. Facebook paktiere mit Geheimdiensten, verstosse gegen europäisches Datenschutzrecht, stehe unter dem Verdacht des Steuerbetrugs oder gehe nachlässig mit rechtsextremen Inhalten und Hasskommentaren um. «Der Firma geht es keine Minute darum, den Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen, sondern 24 Stunden pro Tag nur um die Akkumulation von Geld, Daten und Macht», schrieb Fässler in seinem Antrag.

Zudem gehöre FB zu jenen «asozialen» Medien, in denen sich «Vorurteile, Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien amalgamieren», zitierte Fässler die NZZ. Das Unternehmen gefährde damit die Demokratie, fördere die Bilderflut und sei zusammen mit Google und anderen Medienriesen für den Niedergang der Qualitätspresse mitverantwortlich.

Unerschütterlich optimistisch

In seinen Erläuterungen vor der Schulkonferenz ergänzte Fässler dann noch, woher sein Optimismus komme, mit einem solchen «mickrigen Antrag» etwas gegen Google, Facebook, Amazon und die ganze «Avantgarde des digitalen Kapitalismus» unternehmen zu können. Wir unterschätzten unsere Macht als Konsumenten, Staatsbürgerinnen und User, sagte Fässler; denn die Monopolisten könnten sich Rückgänge in den Clickzahlen nicht leisten.

Zudem zeige die Geschichte, «dass viele folgenreiche Bewegungen mit einem einfachen Antrag begonnen haben», irgendwo in einer Beiz oder einem Säli. Diesmal wäre es zumindest ein Saal: die Kanti-Aula.

«Wir stellen uns der Diskussion»

Dort blieb Fässlers Antrag nicht unwidersprochen. Die Vertreterinnen der Schülerorganisation wehrten sich: Social Media seien wichtig für die Lernenden, zudem könne man sich dank ihnen von ausserhalb über die Schule informieren und mit Ehemaligen in Kontakt bleiben. Die Jungen hätten «pragmatisch-sachlich argumentiert», sagt Rektor Marc Kummer auf Anfrage. Auf seinen Vorschlag beschloss die Schulkonferenz denn auch, das Thema grundsätzlich anzuschauen – Facebook, Instagram & Co auf der einen Seite, die Vielfalt an Kommunikationsforen auf der anderen Seite. Fässlers politische Überlegungen seien einzubeziehen, andrerseits sei eine kleine Schule wie diejenige in Trogen darauf angewiesen, «dass man uns zur Kenntnis nimmt».

Kummer, seit einem halben Jahr Rektor, gewinnt der Debatte schon mal Positives ab: «Wir stellen uns der Diskussion.»

Mehr zum Thema findet man zum Beispiel hier.

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