Im «Speckgürtel» zur Miete wohnen

Die Wohnsiedlung Sammelbühl im steilen Hang unter dem Zeughaus Teufen (Bilder: rho)

Die Ausserrhoder Gemeinde Teufen gilt als Millionärsdorf. Die Überbauung Sammelbühl im steilen Hang unterhalb des Zeughauses zeigt, dass Wohnen in Teufen auch etwas günstiger sein kann.

In Teu­fen sind auf den gän­gi­gen In­ter­net­platt­for­men dop­pelt so vie­le Ei­gen­tums­woh­nun­gen wie Miet­woh­nun­gen aus­ge­schrie­ben, und dies zu schwin­del­erre­gen­den Prei­sen. Ein ty­pi­sches Phä­no­men so­ge­nann­ter «Speck­gür­tel»-Ge­mein­den rund um Städ­te mit Zen­trums­funk­tio­nen.

Dass es in die­sen Or­ten aber auch ein gros­ses Be­dürf­nis nach Miet­woh­nun­gen gibt, zeigt die eben fer­tig­ge­stell­te Über­bau­ung Sam­mel­bühl in Teu­fen. Die 62 Woh­nun­gen, zwi­schen 2,5 und 5,5 Zim­mer gross, wa­ren rasch ver­mie­tet. Die letz­te noch freie 3,5-Zim­mer­woh­nung kos­tet knapp 2'100 Fran­ken in­klu­si­ve Ne­ben­kos­ten. Für die In­ves­to­rin, die Gru­ben­mann Lie­gen­schaf­ten aus Ap­pen­zell, sind dies «mo­de­ra­te» Prei­se – es sind eben Neu­bau­ten in Teu­fen. 

Doch die Sied­lung ist vor­bild­lich. 2017 hat­te der In­ves­tor ei­nen Stu­di­en­wett­be­werb mit sechs be­tei­lig­ten Bü­ros aus­ge­schrie­ben, den die Ar­chi­tek­ten­ge­mein­schaft be­stehend aus den bei­den St.Gal­ler Bü­ros Benz-En­ge­ler und Ti­mon Bi­schof­ber­ger zu­sam­men mit Mett­ler Land­schafts­ar­chi­tek­ten für sich ent­schei­den konn­ten. Die Ju­ry hat­te die kom­pak­te An­ord­nung der lan­gen aber schma­len Bau­kör­per in drei über­ein­an­der an­ge­ord­ne­ten Rei­hen ge­lobt.

Öf­fent­li­cher Schräg­lift

Über­zeugt war sie auch vom Vor­schlag für ei­ne un­kon­ven­tio­nel­le Er­schlies­sung. Statt der ver­lang­ten Stras­se ha­ben die Ar­chi­tek­ten ei­nen 80 Me­ter lan­gen, un­ter­ir­di­schen Schräg­lift vor­ge­schla­gen mit dem der stei­le Hang über­wun­den wird. Die «Berg­sta­ti­on» mit ih­ren Bull­au­gen ist mit ei­ner Ve­lor­am­pe er­schlos­sen und steht di­rekt un­ter der Re­mi­se des Zeug­hau­ses Teu­fen. Der Lift en­det un­ten am ebe­nen Platz beim Gol­di­bach. Der öf­fent­lich nutz­ba­re Schräg­lift hat ein un­ter­schied­li­ches Ge­fäl­le, was die Fahrt auf dem sich nei­gen­den Bo­den zu ei­nem Er­leb­nis macht.

Die ins­ge­samt fünf Häu­ser ste­hen über­ein­an­der im stei­len Hang, da­zwi­schen er­ge­ben sich Hof­si­tua­tio­nen die zu­sätz­lich zum Lift mit Ser­pen­ti­nen-Fuss­we­gen ver­bun­den sind. Zu un­terst liegt ne­ben der Ga­ra­gen­ein­fahrt ei­ne gros­se, ebe­ne Grün­flä­che und Spiel­wie­se. In der Ga­ra­ge mit La­de­sta­tio­nen steht auch ein Car-Sha­ring-Au­to, das die Mie­ter:in­nen über ei­ne App re­ser­vie­ren kön­nen. Und auf je­der Eta­ge des Schräg­lifts gibt es gross­zü­gi­ge Ab­stell­mög­lich­kei­ten für Ve­los und Kin­der­wa­gen. 

Die drei obe­ren Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser sind 70, 58 und 46 Me­ter lang aber nur 8,5 Me­ter tief. An der Über­län­ge hat­ten die Ver­ant­wort­li­chen der Ge­mein­de Teu­fen zu­erst kei­ne Freu­de, be­wil­lig­ten sie dann aber doch und er­mög­li­chen so ein kom­pak­tes Sied­lungs­bild. Die­ses ist nicht zu­letzt den mit un­be­han­del­tem Lär­chen­holz ver­klei­de­ten, aber in Mas­siv­bau­wei­se er­stell­ten Ge­bäu­den ge­schul­det. Die Holz­fas­sa­den wer­den sich im Lau­fe der Jah­re ver­fär­ben – wie man es von Schin­del- und Holz­fas­sa­den im Ap­pen­zel­ler­land kennt. Die So­ckel der Häu­ser sind mit Gneis­plat­ten «ver­edelt». Die Ge­bäu­de ha­ben Schräg­dä­cher mit un­sicht­bar in­te­grier­ten So­lar­zie­geln, die Dis­kus­sio­nen um die Äs­the­tik ob­so­let ma­chen. Be­heizt wer­den die Woh­nun­gen über Luft-/Was­ser-Wär­me­pum­pen. Erd­wär­me­son­den im stei­len Hang zu boh­ren wä­re nur mit rie­si­gem Auf­wand mög­lich ge­we­sen.

Kos­ten ein­ge­hal­ten – oh­ne Ge­ne­ral­un­ter­neh­mung

Die Mehr­zahl der Woh­nun­gen sind «durch­ge­steckt» und ha­ben Fens­ter auf bei­den Längs­sei­ten. Al­le bie­ten von ih­rem Eck­bal­kon aus den wei­ten Blick in den Alp­stein. Die Wohn­kü­chen sind über­eck auf die Hang­sei­te ori­en­tiert. Die Zim­mer in den Woh­nun­gen sind mit we­ni­gen Aus­nah­men nach Sü­den aus­ge­rich­tet und al­le fast gleich gross. Die Un­ter­schei­dung in El­tern- und Kin­der­zim­mer gibt es in der Ar­chi­tek­tur heu­te nicht mehr. 

Ei­ne Über­bau­ung mit 62 Miet­woh­nun­gen ist für Teu­fen ein gros­ser Schritt. Und für den Ar­chi­tek­ten Mar­tin En­ge­ler in sei­ner lan­gen Kar­rie­re der ers­te grös­se­re Woh­nungs­bau über­haupt. Benz-En­ge­ler sind vor al­lem für Schul­bau­ten, Al­ters­zen­tren und wei­te­re öf­fent­li­che Ein­rich­tun­gen be­kannt.

Ar­chi­tekt Ti­mon Bi­schof­ber­ger war bis 2014 meh­re­re Jah­re Mit­ar­bei­ter bei Benz-En­ge­ler und hat jetzt an der glei­chen Adres­se sein ei­ge­nes Bü­ro. Er hat den Bau­fort­schritt mit ei­ner oben auf dem Kran mon­tier­ten Ka­me­ra kon­trol­liert. Die ge­nau­en Or­tho­fo­tos er­mög­lich­ten ihm, Plä­ne und kon­kret aus­ge­führ­te Ar­bei­ten ge­nau zu ver­fol­gen: Sind die Aus­spa­run­gen für Ka­bel und Roh­re am rich­ti­gen Ort? Ging nichts ver­ges­sen? Je­den Tag war die­se Kon­trol­le mög­lich.

Ei­ne Über­bau­ung die­ser Grös­se wird heu­te meist von ei­ner Ge­ne­ral­un­ter­neh­mung hoch­ge­zo­gen. Nicht so im Sam­mel­bühl. Gru­ben­mann Lie­gen­schaf­ten ver­trau­ten den Ar­chi­tek­ten und Un­ter­neh­men. Und es hat ge­klappt: die Kos­ten wur­den ein­ge­hal­ten.