Madame Tricot serviert in der Kobesenmühle

Madame Tricot alias Dominique Kähler Schweizer (Bild: Michael Lünstroth)

Die Schweizer Strickkünstlerin verwandelt den idyllischen Kunstort in Niederhelfenschwil in ein Schlemmerparadies. Gemeinsam mit Frauengemeinschaften vor Ort lässt sie im Garten sogar Pilze spriessen.

Wo im­mer man in der Kunst­bubble hin­hört, seit Jah­ren ist Teil­ha­be und Par­ti­zi­pa­ti­on das gol­de­ne Kalb, um das al­le her­um­tan­zen. Ein­bin­den müs­se man die Leu­te, Din­ge er­klä­ren und mit­ma­chen las­sen. Bis­wei­len ste­cken da­hin­ter ver­kopf­te Kon­zep­te, die kei­ner mehr ver­steht. Vom heh­ren An­spruch bleibt dann nicht mehr viel; die Teil­ha­be steckt in der Sack­gas­se.

Man kann es aber auch so ma­chen wie die Stif­tung Wil­helm Leh­mann in der Ko­be­sen­müh­le in Nie­der­hel­fen­schwil. Sie fa­bu­lie­ren nicht gross, son­dern sie ma­chen ein­fach. Bei der neu­en Aus­stel­lung von Do­mi­ni­que Käh­ler Schwei­zer, bes­ser be­kannt als Ma­dame Tri­cot, ha­ben Frau­en­ge­mein­schaf­ten aus Nie­der­hel­fen­schwil, Zu­cken­riet und Leng­gen­wil in­ten­siv mit­ge­wirkt. Man kann Par­ti­zi­pa­ti­on al­so auch be­trei­ben, oh­ne ein all­zu gros­ses Tam­tam dar­aus zu ma­chen. 

Ein so bunt schil­lern­des Buf­fett sieht man sel­ten

Viel­leicht liegt das in dem kon­kre­ten Fall aber auch dar­an, dass die Kunst von Ma­dame Tri­cot be­son­ders an­schluss­fä­hig ist. Sie strickt. Nicht ir­gend­was, son­dern Le­bens­mit­tel: Tor­ten, Muf­fins, Früch­te­plat­ten, Kä­se, Hum­mer und gan­ze Metz­ge­rei-Aus­la­gen. Die Da­men aus den Dör­fern rund um Nie­der­hel­fen­schwil ha­ben die­ses Buf­fett mit ei­ner be­son­de­ren Zu­tat er­gänzt: Pil­zen.

Sie spries­sen sehr bunt im zau­ber­haf­ten Gar­ten der Ko­be­sen­müh­le. «Wir wer­den im Ver­lauf der nächs­ten Mo­na­te se­hen, ob der Gar­ten und die Na­tur die­sen et­was ent­ge­gen­set­zen kann», hat­te Oli­vi­er Zo­brist aus dem Stif­tungs­rat der Wil­helm-Leh­mann-Stif­tung an der Ver­nis­sa­ge da­zu ge­sagt.

Ein Buffett für Schlemmer (Bild: Michael Lünstroth)

Do­mi­ni­que Käh­ler Schwei­zer ist in Pa­ris im Quar­tier Mont­mart­re in ei­ner De­si­gner-Fa­mi­lie auf­ge­wach­sen. Wäh­rend sie Me­di­zin stu­dier­te, be­such­te sie par­al­lel da­zu die Eco­le du Lou­vre, um Kunst­ge­schich­te zu ler­nen. Im Al­ter von sechs Jah­ren fing Käh­ler Schwei­zer an zu stri­cken. Sie hat sich al­les selbst bei­gebracht und nie wie­der mit dem Hand­werk auf­ge­hört. 

Man wird hung­rig beim Gang durch die Aus­stel­lung

Wohl auch, weil es für sie ei­ne be­ru­hi­gen­de und aus­glei­chen­de Wir­kung zu ih­rem Haupt­be­ruf als Fach­ärz­tin für Psych­ia­trie und Na­tur­heil­kun­de hat­te. «Ich ha­be ein­fach gros­se Freu­de dar­an, im­mer wie­der neue For­men und Mög­lich­kei­ten zu ent­de­cken, ich pro­bie­re ger­ne aus», sag­te die Künst­le­rin im Ge­spräch mit dem Au­tor an der Ver­nis­sa­ge. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat­te sie in­ter­na­tio­nal ver­schie­de­ne Ein­zel­aus­stel­lun­gen so­wie Aus­stel­lun­gens­be­tei­li­gun­gen. Zum Bei­spiel im Lan­des­mu­se­um Zü­rich, im Tex­til­mu­se­um St.Gal­len oder im Gar­di­ner Mu­se­um To­ron­to. Die Künst­le­rin hat zwei Töch­ter und zwei En­kel­kin­der und lebt heu­te in Wil.

Pilze im Garten (Bild: Michael Lünstroth)

Wäh­rend im Gar­ten die Pil­ze spries­sen, zeigt Ma­dame Tri­cot in der Ko­be­sen­müh­le ei­ni­ge ih­rer Strick-Köst­lich­kei­ten. Mehr­stö­cki­ge und bun­te Tor­ten, Muf­fins, Do­nut, zünf­ti­ge Ves­per­plat­ten mit Sa­la­mi, Kä­se und ei­nem Brot­laib. In den un­te­ren Räu­men wird es dann rich­tig üp­pig mit Buf­fets, die sich fast bie­gen vor den De­li­ka­tes­sen, die die Künst­le­rin in die Aus­la­ge stellt: ein leuch­tend ro­ter Hum­mer lässt sei­ne Sche­ren über ei­nen Tel­ler hän­gen, ein Trut­hahn liegt saf­tig im Brä­ter, da­zu Schin­ken, Kä­se und Sa­lat­va­ria­tio­nen.

Wie wirk­lich­keits­nah sie die Farb­ver­läu­fe und For­men der Spei­sen mit Na­del und Fa­den hin­be­kom­men hat, ist wirk­lich ver­blüf­fend. Al­les sieht so fein aus, dass man den ei­ge­nen Ma­gen beim Be­trach­ten der Wer­ke grum­meln hö­ren kann.

Wie die Künst­le­rin die Ko­be­sen­müh­ke ent­deck­te

Mit der Ko­be­sen­müh­le ver­bin­det die Künst­le­rin, die der Lie­be we­gen 1974 in die Schweiz kam, ei­ne sehr be­son­de­re Ge­schich­te. An­läss­lich ih­rer Hoch­zeit hat sie ei­ner ih­rer Trau­zeu­gen mit ei­nem Be­such der Ko­be­sen­müh­le und ei­ner Gar­ten­be­sich­ti­gung mit Ve­re­na Leh­mann, der Toch­ter von Wil­helm Leh­mann über­rascht.

«Sie war so­fort von die­sem Ort der Ru­he und Kunst fas­zi­niert und stat­te­te in der Fol­ge Vre­ni Leh­mann vie­le Be­su­che ab», er­zähl­te Oli­vi­er Zo­brist bei der Er­öff­nung der Aus­stel­lung. Die­ser Ver­bin­dung ha­ben die Aus­stel­lungs­ma­cher den so­ge­nann­ten Hoch­zeits­raum ge­wid­met, wo ne­ben der Hoch­zeits­tor­te und Buf­fet auch ein ge­wo­be­ner Wand­tep­pich von Vre­ni Leh­mann zu se­hen ist.

Buffett mit Hochzeitstorte (Bild: Michael Lünstroth)

Auch über die­se per­sön­li­che Ver­bun­den­heit hin­aus gibt es künst­le­ri­sche Aspek­te, die das Werk von Ma­dame Tri­cot mit je­nem von Wil­helm Leh­mann ver­bin­den, fin­det Oli­vi­er Zo­brist. Der künst­le­ri­sche Zu­gang über per­sön­li­che In­tui­ti­on zum Bei­spiel. Oder auch die Sor­ge um die die Na­tur sei ein wei­te­res ver­bin­den­des Merk­mal zwi­schen den bei­den Künst­ler:in­nen. Des­halb wach­sen auch kei­ne put­zi­gen Ei­er­schwämm­li oder Cham­pi­gnons im Gar­ten wäh­rend der Aus­stel­lung, son­dern gif­tig-oran­ge neo­phy­ti­sche Pil­ze. 

Und: Für Wil­helm wie Ma­dame Tri­cot sei die Kunst auch ein Mit­tel der Kom­mu­ni­ka­ti­on, oder prä­zi­ser: ein In­stru­ment des Aus­tauschs der Ge­dan­ken und Ideen mit an­de­ren. «Es wä­re si­cher ei­ne span­nen­de Kon­ver­sa­ti­on ent­stan­den, wenn die bei­den sich be­geg­net wä­ren», ist Zo­brist über­zeugt.

(Die­ser Ar­ti­kel er­schien am 22. Mai 2025 auf Thur­gau Kul­tur)

Ma­dame Tri­cot – «Ver­bin­dun­gen»: bis 5. Ok­to­ber, Ko­be­sen­müh­le, Nie­der­hel­fen­schwil
sai­ten.ch/ka­len­der