Bald hat das lange Warten ein Ende: Am 20. und 21. September steigt im Theater 111 das Wiedereröffnungsfest. Verschiedene Künstler:innen, darunter auch die Kollektivmitglieder, zeigen Theater, Musik, Tanz und Show. Den Auftakt in die neue Spielzeit macht eine Woche zuvor das Stück Constanze, ein theatralisches Konzert rund um Constanze Mozart.
Damit endet für das Theater 111 eine über zweijährige Pause. Genaugenommen war ein regulärer Betrieb sogar mehr als fünf Jahre lang praktisch nicht möglich. Die Jahre 2020 und 2021 fielen wegen Corona nahezu komplett ins Wasser, und als ab dem Frühjahr 2022 wieder so etwas wie ein Normalbetrieb möglich war, erhielten die Verantwortlichen die Info, dass das Gebäude im St.Galler Quartier St.Fiden ab 2023 totalsaniert wird und das Kleintheater während der Arbeiten für zwei Jahre schliessen muss.
Die geplante Wiedereröffnung im Herbst 2024 fiel jedoch wegen Bauverzögerungen ins Wasser. Die für Ende Oktober 2024 vorgesehene Schlüsselübergabe verweigerte das Kollektiv, weil der Theaterraum noch eine Baustelle war, und als es am 1. Dezember die Schlüssel schliesslich entgegennehmen konnte, war bereits klar, dass erstmal nur ein provisorischer Betrieb möglich sein würde, weil die Arbeiten immer noch nicht ganz abgeschlossen waren – und diverses Interieur verschwunden war, etwa das Holzgeländer neben der Sitztribüne. Das Kollektiv investierte viel Zeit und Geld, um das Kleintheater so weit einzurichten, dass ab 1. Februar eine «Zwischennutzung» möglich war. Im Gegenzug wurde der Mietzins für die ersten drei Monate erlassen.
Freude, aber auch Unsicherheit
Beim Augenschein Mitte August ist immer noch nicht alles fertig. Auf der Bühne wird gerade geprobt, eine Leiter und eine Werkzeugkiste stehen herum. Die letzten Arbeiten an der Beleuchtung und der Bühnentechnik sind kurz vor dem Abschluss. Der Gang im Foyer ist etwas schmaler als zuvor, die ehemals feuerroten Wände des Theaterraums sind – ebenso wie jene im Foyer – jetzt burgunderrot. Der Theaterraum selbst mit den roten Sesseln wurde nicht verändert, abgesehen von neuen Leitungen, einer neuen Lüftung und einer neuen Schalldämmung an der Decke, die die Raumakustik deutlich verbessert. Dazu gibt es neue, behindertengerechte WCs.
«Wir freuen uns auf die Eröffnung – und darauf, endlich wieder loslegen zu können», sagt Präsidentin Marguerite Meier-Waldstein, seit 2015 im Kollektiv dabei. Gleichzeitig spüre das Kollektiv auch etwas Druck und Unsicherheit.
Mietvertrag vorerst nur um drei Jahre verlängert
Eine zweijährige – oder je nach Sichtweise rund fünfjährige – Schliessung ohne provisorischen Betrieb an einem anderen Ort ist für die öffentliche Wahrnehmung und das Profil eines Kulturhauses alles andere als optimal. Das Bedürfnis nach einer Aufführungsstätte für die freie Theaterszene ist allerdings auch durch die Nachwirkungen der Coronapandemie, unter denen die Kulturbranche bis heute leidet, nicht kleiner geworden. Das habe sich während der Zwischennutzung im ersten Halbjahr 2025 gezeigt, sagt Meier-Waldstein. Die Nachfrage sei trotz der provisorischen Einrichtung – aber auch dank reduzierter Mietkosten – hoch gewesen.
Das Kollektiv ist optimistisch, dass das auch nach der festlichen Neueröffnung so sein wird. Schliesslich ist das Theater 111 auf die Einnahmen aus der Raumvermietung angewiesen. Sie machen rund ein Drittel der Finanzierung aus, jeweils ein Drittel entfällt auf die Beiträge der Vereinsmitglieder und der Kollektivmitglieder. Letztere können dafür dort ihre Produktionen aufführen.
Dennoch: Das Kollektiv hat den Mietvertrag vorerst nur um drei Jahre verlängert – obwohl der Mietzins trotz Sanierung des Gebäudes unverändert geblieben ist, abgesehen von etwas höheren Nebenkosten. «Wir wollen kein zu grosses Risiko eingehen und abwarten, wie sich das Theater 111 in dieser Zeit entwickelt», sagt Meier-Waldstein.
«Wir wollen offener werden»
Die zweijährige Schliessung hat das Kollektiv genutzt, um organisatorische und strukturelle Anpassungen vorzunehmen. Und um den Betrieb des Theaters zu professionalisieren, sprich: die vielen ehrenamtlichen Stunden zu entschädigen, welche die Kollektivmitglieder in diverse Aufgaben investieren, von administrativen Arbeiten über die Grafiken oder das Betreuen der Website bis zur Reinigung der Räume. Dank eines Fundraisings und Zuwendungen von Stiftungen und vom kantonalen Lotteriefonds ist es in den nächsten zwei bis drei Jahren möglich, immerhin «ein Sackgeld», wie es Meier-Waldstein nennt, auszubezahlen.
Es gab auch personelle Wechsel: Der langjährige Präsident Pierre Massaux, auf dessen Initiative das Theater 111 im Jahr 2014 gegründet worden war, hat sich vor zwei Jahren verabschiedet, nicht ohne mediale Nebengeräusche. Der Grund für sein Ausscheiden aus dem Kollektiv sei gewesen, «dass wir uns nicht über die künstlerische Richtung und den Namen dieses Ortes einigen konnten», teilt Massaux mit. Mit seinem Théatre du Sacré hat er inzwischen im Keller zur Rose einen alternativen Aufführungsort gefunden. Auch Eveline Ketterer, die sich mittlerweile für Aufrecht Schweiz politisch engagiert, ist nicht mehr als Kollektivmitglied dabei. Dafür haben sich Clau Wirth, Mitgründerin des Theaters 111 und bereits in den Anfangsjahren Teil des Kollektivs, Simone Fuston und Laura Nieto dem Kollektiv angeschlossen. Neue Kollektivmitglieder sind willkommen.
Das Kleintheater werde sich in der nächsten Zeit sicher verändern, sagt Marguerite Meier-Waldstein. Das könne eine Chance sein: «Wir wollen offener werden. Wir sind ein Teil der freien Szene.»
Wiedereröffnungsfest: 20. September, 14 Uhr, und 21. September, 10 Uhr, Theater 111, St.Gallen.
theater111.ch
In der ursprünglichen Fassung des Artikels wurden andere Gründe für das Ausscheiden von Pierre Massaux aus dem Kollektiv des Theaters 111 genannt. Nach seiner Richtigstellung wurde die betreffende Passage angepasst.