, 27. September 2017
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Unordnung und Experimente

Am Disorder-Bandraumfestival dieses Wochenende kann man St.Galler Bands hautnah in ihren Proberäumen zuschauen. Trotz seiner mittlerweile vierten Ausgabe will das Festival nicht zum Establishment gehören: Die Unordnung ist weiterhin Programm.


Lou Ees am letztjährigen Disorder. (Bild: Fabio Glanzmann)

Beim Wort Disorder (Deutsch: Unordnung, Chaos) beginnen in meinem Kopf mehrere Ohrwürmer zu drehen:
So gehört der düster-holprige Basslauf im Joy-Division-Song Disorder zu den bekannteren der Popgeschichte. Und System of a Down fragte in ihrem 2001-er Hit Toxicity wütend: «How do you own disorder, disorder, disoooooorder?!»

Eine ähnlich breite Spanne an Musikstilen (von Joy Divisions Post-Punk bis zu System of a Downs Alternative-Metal) und darüber hinaus darf man auch am zweitägigen Disorder Bandraumfestival dieses Wochenende in St.Gallen erwarten; meine liebgewonnene, dritte musikalische Assoziation in Sachen Disorder.

 

Das schräge Bandraumfestival geht bereits in sein viertes Jahr und ist Musikern und Musikfreunden mittlerweile ein Begriff. «Die Unordnung bleibt trotzdem Programm», sagt Thiemo Legatis vom Festival-OK, der selber als Drummer von All Ship Shape in der St.Galler Musikszene seit Jahren aktiv ist. Bis am 10. September hatten sich denn auch viele Bands angemeldet, die zum ersten Mal am Disorder spielen werden. «Das Disorder bietet gerade auch jungen Bands Raum, etwas auszuprobieren», sagt Legatis dazu.

Monsterjam bis Geigensolo

Die Bedingungen der Organisatoren sind einfach: Die Bands laden zu Konzerten
in ihre Proberäume ein, die sich auf Stadtsanktgaller Boden befinden müssen. Eintritt dürfen die Musiker nicht verlangen, nach den Konzerten kann aber ein Hut rumgereicht werden.

Gut besucht letztes Jahr: Elio Riccas Revier. (Bild: Skiba Shapiro)

Die Organisatoren wünschen sich explizit, dass die Musiker das klassische Konzertformat frei interpretieren: «Experimente waren immer ein wichtiger Teil des Disorder», sagt Legatis. So gab es bereits Kopfhörer-Konzerte, Jamsessions in Garagen und Bands, die ihre Zuhörer auf der Strasse aus dem ersten Stock eines Hauses bespielten. Oder wie es auf der Disorder-Website heisst: «Von Monsterjam bis Geigensolo, die Beteiligten entscheiden selbst, was angeboten wird.»

Disorder Bandraumfestival: 29. und 30. September, u.a. mit den Üblichen Verdächtigen, Karluk, Café Deseado, Gerry Pikali, Kolours, Avalanche Prey.

Die Stilbandbreite der bislang angemeldeten Bands bietet schon mal für
(fast) alle Geschmäcker etwas: Ausufernder Post-Rock von Karluk, World Music mit einem Hauch Tango vom Café Deseado, rotziger Sanggaller-Rap von den Üblichen Verdächtigen, nochmals Post-Rock (davon bekommt man eh nie genug) von Kolours, Grunge von Avalanche Prey aus dem Gastkanton Appenzell Ausserrhoden, Songwriting von Gerry Pikali und klug-driftiger Pop von Fraine.

Die Bands werden sich während des Festivals an ein Timetable halten, allerdings nicht sklavisch. Die Idee der Organisatoren ist aber, dass man durchaus die Gelegenheit hat, mehrere Bands an einem Tag und Abend zu sehen. «Das dürfte in einer Stadt wie St.Gallen mit ihren kurzen Wegen kein Problem sein», sagt Legatis.

Dafür, dass man auf diesen Wegen nicht verdurstet, sind sowohl Bands als auch das OK besorgt: Bei einigen Bands gabs während früheren Festivals günstiges Bier aus dem Bandkühlschrank, letztes Jahr war das OK mit einem Cargo-Velo voller Bier unterwegs. Ob dieses wieder im Einsatz sein wird, ist aber noch offen.

Szenegrenzen überschreiten

Sowieso gehört auch das Unterwegssein und Entdecken zum Festival. «Es geht auch darum, neue Orte zu sehen und Szenegrenzen zu überschreiten», sagt Legatis. Zu oft sei man als Musiker oder Musikfreund nur in seiner eigenen Welt aus Gleichgesinnten unterwegs. Das Disorder soll darum den Austausch fördern und die Musikszene in St.Gallen und darüber hinaus vernetzen.

Das Disorder will niederschwellig für alle sein. «Es ist und soll kein Insideranlass für Musiker sein», sagt Legatis. Derzeit geistern bei den ehrenamtlichen Festivalorganisatoren Ideen herum, wie man das Disorder im Vorfeld einem breiteren Publikum präsentieren könnte. Eine Idee ist, dass Bilder aus dem relativ umfangreichen, aber – wer hätte es gedacht – auch ungeordneten Fotoarchiv des Festivals in analoger Form ausgestellt werden.

Für aktuellste Infos dazu sowie das diesjährige Line-Up (im Schnitt spielten gut 15 Bands oder Musiker pro Festival) sei auf disorder.ch verwiesen. Oder man nimmt sich den Namen des Festivals zu Herzen und lässt sich am besagten Abend einfach treiben.

Dieser Beitrag erschien im Septemberheft von Saiten.

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