Das Teilen und Tauschen von Medikation hat in der trans Community Tradition. Weil Ärzt:innen auch mal aufgrund des Aussehens oder Verhaltens (zu weiblich? zu wenig weiblich?) die Behandlung verbieten, weil die Wartezeit auf einen Ersttermin auch mal Jahre dauern kann, weil mehr und mehr politische und rechtliche Schritte gegen medizinische Transition eingeleitet werden – Tendenz steigend, länger, schlechter. Long story short: Die Gesellschaft lässt uns dank rechts-christlichem Kulturkampf links liegen, Angriffe nehmen zu, am Bahnhof wie auch im Bundeshaus. Deshalb ist Community umso wichtiger, besonders: t4t. Die Abkürzung steht für «trans for trans», sei das in romantischen Beziehungen, in Carearbeit, im Teilen von Wissen über sichere Orte oder über Ärzt:innen, die trans Menschen nicht wie Freaks behandeln – und eben auch im Teilen von Medikamenten. We care for us. We have to, when no one else does.
Vielleicht habe ich mir deswegen das Teilen von Medikamenten angewöhnt, ebenso als love language wie auch als notwendiger Teil von Care. Ich biete love interests und trans siblings (und in some beautiful cases Menschen, die beides sind) Pillen und Pflaster an – emotionale und symbolische, auch, sage ich jetzt, damit ich nicht nur ethisch, sondern auch rechtlich gut dastehe. Note the difference. Meiner Partnerin habe ich während der vielen Monate, in denen wir uns langsam näherkamen, eine kleine Box mit auf Rosenblättern gebetteten Pillen geschenkt. We fell in love shortly after. Und je mehr sick, crip & queer Friends ich habe, je mehr meines Umfelds von der Gesellschaft wörtlich bis symbolisch kaputtgefickt und vom Gesundheits- oder Rechtssystem links liegen gelassen wird, desto mehr wird die gegenseitige Fürsorge notwendig, desto mehr wird Care ein Teil von Liebe und Liebe ein Teil von Care. t4t und crip4crip, bis die Welt untergeht und noch ein bisschen länger – t4t4ever.
Denn auch am Ende der Welt brauchen wir einander. Stag Dance, eine Kurzgeschichtensammlung der US-Autorin Torrey Peters (Detransition, Baby), beginnt mit dem, was sich für cis Menschen nach dem Weltuntergang anfühlen muss: Eine Pandemie bricht aus und plötzlich sind nicht nur cis Frauen in den Wechseljahren, kranke oder trans Menschen, sondern alle Menschen auf Hormonmedikation angewiesen. It's a wild story, mit Schweinefarmen als überlebenswichtigee Ressource, mit Hormonproblemen da und dort – und trotz allem sind trans Menschen immer noch Zielscheibe, denn der Kulturkampf hat selbst die Apokalypse überlebt. Und also, mittendrin im Szenario: Eine Gruppe trans Frauen, die sich, abgeschieden von der restlichen Gesellschaft, am Rande des pharmakologischen Horrorszenarios, gegenseitig die Stange hält, die Spritze hält, die Hormone teilt, «t4t» aufs Handgelenk oder den Oberschenkel tätowiert. Denn: Auch am Ende der Welt müssen wir füreinander da sein, t4t4ever. Und also werde ich dir meine Pillen, meine Pflaster, meine Care anbieten, 4ever. When the world ends, you and me will still exist – and you and me will still care.
Mia Nägeli, 1991, arbeitet nach einer Journalismusausbildung und ein paar Jahren bei verschiedenen Medien heute in der Musikbranche in der Kommunikation, als Tontechnikerin und als Musikerin. Seit Herbst 2024 studiert sie Kunst in Wien.