Das Projekt für die Sanierung und Erweiterung des Textilmuseums hat eine weitere Hürde genommen: An seiner Sitzung vom Dienstag stimmte das St.Galler Stadtparlament dem städtischen Beitrag von knapp 7 Millionen Franken zu. Noch im Dezember an der Budgetsitzung hatte es den Betrag aus der Investitionsplanung gekippt. Nun, da die Vorlage auf dem Tisch lag, gab es keine Opposition dagegen.
Die Gesamtkosten für das Projekt, das den Bau eines unterirdischen Ausstellungssaals und die Absenkung des Eingangsbereichs im Hochparterre auf Strassenniveau vorsieht, liegen bei rund 48 Millionen Franken. Davon tragen Private etwas mehr als die Hälfte, die öffentliche Hand etwas weniger. Kanton und Stadt St.Gallen haben sich auf einen Kostenteiler von 2:1 geeinigt. Der Kantonsrat hatte an der ersten Lesung Mitte September jedoch die Reserven von ursprünglich 6 auf 4,2 Millionen verkleinert und seinen Beitrag um 600’000 Franken auf 13,9 Millionen reduziert. Dementsprechend stellte die Geschäftsprüfungskommission des Stadtparlaments (GPK) am Dienstag den Antrag, den städtischen Beitrag im gleichen Verhältnis zu kürzen, also um 300’000 Franken von 7,25 auf 6,95 Millionen.
Die Baukosten nochmal hinterfragen
Die Stadt St.Gallen erhalte mit dem neuen Museum «einen Leuchtturm für Einheimische und Touristen» gleichermassen, sagte Patrik Angehrn, Präsident der Mitte/EVP-Fraktion. Dass durch den städtischen Beitrag von rund 7 Millionen Franken weitere Investitionen von rund 40 Millionen Franken ausgelöst würden, sei «eine gute Bilanz für die Attraktivität unserer Stadt».
Durch die Reduktion der Reserven werde der Spielraum kleiner, die Herausforderung hingegen grösser, sagte Angehrn. Die Verantwortlichen täten deshalb gut daran, vor Baubeginn nochmals die Kosten zu hinterfragen. Für die Mitte/EVP-Fraktion sei es etwa fraglich, ob während der Umbauarbeiten, wenn das Textilmuseum geschlossen ist, wirklich mehr Personal eingestellt werden soll, um aufgeschobene Inventar- und Restaurierungsarbeiten zu erledigen.
Klar sei allerdings bereits heute, dass allfällige Mehrkosten oder zusätzliche ungedeckte Betriebskosten nach der Wiedereröffnung Sache der Stiftung Textilmuseum seien, betonte Angehrn «unmissverständlich». Die Stadt leiste jetzt einen einmaligen Investitionsbeitrag, einen weitere Kostenbeteiligung lehne die Fraktion ab.
«Es geht um das Fundament unserer städtischen Identität»
Noch euphorischer, ja fast schon poetisch würdigte René Neuweiler namens der SVP-Fraktion das Textilmuseum. Es werde «ein neues kulturelles Zentrum dieser Stadt», «ein belebter Ort des Austauschs, der Kreativität und der Begegnung» und «ein Ort, auf den wir stolz sein dürfen». Das Museum werde Geschichten erzählen sowie Gäste inspirieren und Besucher:innen aus aller Welt begeistern.
Manchmal gebe es Projekte, die weit über Zahlen und Baupläne hinausgingen. Projekte, die «Herz, Geschichte und Zukunft einer Stadt in sich vereinen». Das Textilmuseum sei genau ein solches Projekt. «Hier geht es nicht einfach um Mauern und Räume, sondern um das Fundament unserer städtischen Identität.» Die Stadt atme bis heute diese Geschichte, man spüre sie in den alten Stickereibauten, in den Mustern auf den Stoffen, in den Namen der Strassen oder Orte wie dem Bleicheli.
Auch Neuweiler lobte die Tatsache, dass das Textilmuseum einen so hohen Anteil an den Gesamtkosten durch Private finanziere. Auch deshalb stehe die SVP-Faktion dem Projekt so positiv gegenüber. «Einen so hohen Leverage-Effekt erhält man für sein investiertes Kapital selten.»
Diesen Punkt hob auch Corina Saxer von der FDP/JF-Fraktion hervor: Das sei «ein starkes Zeichen von Eigenverantwortung und unternehmerischem Denken». Das Textilmuseum sei ein identitätsstiftender Ort, der die Geschichte der Stadt lebendig halte und sie mit der Gegenwart verbinde.
Das inhaltliche Profil schärfen
Die Fraktion der Grünen unterstütze die Vorlage «aus einem einfachen Grund», wie Arnold Mauchle sagte: «Kultur in jeder Form hat einen Platz in unserer Stadt und deshalb unsere Unterstützung verdient.» Die finanzielle Lage der Stadt sei zwar angespannt. Als kulturelles Zentrum der Ostschweiz sähen die Grünen aber eine Pflicht darin, eine Institution wie das Textilmuseum finanziell zu unterstützen.
Allerdings sei fraglich, ob ein Projekt in dieser Grössenordnung wirklich notwendig sei, um ein zeitgemässes Textilmuseum zu erhalten. «Man wäre sicherlich auch mit dem VW ans Ziel gekommen, während man sich hier für den Porsche mit Massagesitzen und massivem Unterbau entschieden hat», sagte Mauchle. Wäre die Energie, die ins Weibeln für dieses Projekt investiert worden sei, in die bautechnische und finanzielle Optimierung geflossen, hätte wohl manche Ausgabe eingespart werden können. Da die Stadt jedoch lediglich ein Siebtel der Gesamtkosten trage, seien die Grünen nicht in einer Position, eine komplette Überarbeitung und Redimensionierung des Projektes einfordern zu können.
Im Untergeschoss entsteht ein neuer Ausstellungssaal.
Die Fraktion der Grünen nahm die Verantwortlichen des Textilmuseums, die auf der Zuschauer:innentribüne die Debatte verfolgten, auch in die Pflicht. Für sie stelle sich die Frage nach dem inhaltlichen Profil des Museums, sagte Mauchle. Wenn die Stadt in diese Institution investiere, müsse diese ihrer Verantwortung als kultureller und historischer Lernort gerecht werden. «Wir sehen das Textilmuseum in der Verantwortung, nicht nur schöne Stickereien zu katalogisieren und auszustellen, sondern sich auch kritisch mit der Rolle der Ostschweiz beziehungsweise der Stadt St.Gallen in der Textilgeschichte auseinanderzusetzen.» Denn die Textilgeschichte beinhalte auch kritische Aspekte wie postkoloniale Zusammenhänge zur Sklaverei sowie regionale Geschichte zur Ausbeutung von Mägden, Knechten, Frauen, Verdingkindern und vielen mehr.
Ein weiterer Schwerpunkt sollte nach Meinung der Grünen auf der Nachhaltigkeitsthematik rund um Fast Fashion liegen, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Textilproduktion zu reflektieren. «Es wäre wünschenswert, dass solche Perspektiven in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aufgearbeitet und in die Dauerausstellung eingebunden werden», sagte Mauchle. So könne das Museum seine Rolle als wichtiger und aktueller Bildungsort für Schulen, Studierende und die breite Öffentlichkeit weiter stärken.
Kritik an Finanzierung durch Lotteriefonds
Auch für die SP/Juso/PFG-Fraktion zeige die Vorlage auf, dass der Bedarf für einen Umbau und eine Erneuerung des Textilmuseums da sei, sagte Co-Präsidentin Angelica Schmid-Baerlocher. «Das textile Erbe unserer Region soll dank diesem Projekt einerseits bewahrt, andererseits in einem würdigen Rahmen ausgestellt werden.» Die Fraktion anerkenne die Bedeutung und die Aufarbeitung dieses Erbes und die Strahlkraft des zukünftigen Gebäudes für die Kulturstadt St.Gallen. In diesem Sinn sei die finanzielle Beteiligung der Stadt wichtig und richtig. Auch den mit dem Kanton ausgehandelten Kostenteiler im Verhältnis 2:1 könne die Fraktion mittragen, auch wenn der Anteil für überregionales Museum für eine Stadt in finanzieller Schräglage hoch sei.
Zu scharfer Kritik der linken Ratsseite führte die Tatsache, dass der Kantonsrat 3,4 Millionen seines ohnehin bereits gekürzten Anteils von 13,9 Millionen aus dem Lotteriefonds finanziert. Dies habe bei der SP/Juso/PFG-Fraktion zu «grossem Ärger» geführt, sagte Schmid-Baerlocher. Die Summe bleibe zwar gleich, das Problem liege jedoch im Prinzip. Das ursprüngliche Verhältnis von 2:1 zwischen dem Kanton und der Stadt sei damit eigentlich hinfällig, denn Lotteriegelder seien keine erwirtschafteten Steuermittel. «Damit verschiebt sich die steuerliche Lastenteilung deutlich und die Stadt hat einmal mehr das Nachsehen.» Gerade im Kulturbereich bestehe ein massiver Nachholbedarf, was faire Löhne und die soziale Absicherung von Kulturschaffenden betreffe. «Diese Themen sollten prioritär angegangen werden, anstatt den Lotteriefonds als Ausgleichskasse des Kantons zu missbrauchen.»
Auch die Fraktion der Grünen zeigte sich diesbezüglich enttäuscht. Einerseits hätten die umliegenden Gemeinden und Kantone nur minimale Beiträge gesprochen, andererseits trickse der Kanton St.Gallen einmal mehr, indem er ins Lotteriefonds-Kässeli greife. «Sollte der Kantonsrat künftig vermehrt zu diesem unserer Meinung nach unfairen Mittel greifen, müssen wir über den Finanzierungsschlüssel zwischen der Stadt und dem Kanton auf Ebene der Investitionsrechnung noch verhandeln», sagte Arnold Mauchle.
GLP wollte städtischen Beitrag stärker kürzen
Die GLP-Fraktion hatte sich ursprünglich dafür ausgesprochen, den städtischen Beitrag noch weiter zu reduzieren, wie Marcel Baur sagte. Das Verhältnis sollte bei 2:1 bleiben, allerdings nach Abzug der Gelder aus dem Lotteriefonds vom Beitrag des Kantons. Ein entsprechender Antrag, den städtischen Beitrag nicht um 300’000 Franken auf 6,95 Millionen, sondern um 1,7 Millionen auf noch 5,2 Millionen Franken zu kürzen, wurde in der Geschäftsprüfungskommission gemäss Vizepräsident Andreas Dudli jedoch klar abgelehnt. «Aus der Sicht der GLP-Fraktion wäre es auf diesem Weg möglich gewesen, sowohl das Textilmuseum substanziell zu unterstützen als auch der vom Kanton stets geforderten Zurückhaltung bei den nicht zwingenden städtischen Ausgaben nachzukommen», sagte Baur. Aufgrund der klaren Mehrheit in der GPK verzichte die GLP-Fraktion jedoch darauf, diesen Antrag auch im Stadtparlament zu stellen. Anscheinend gehe es der Stadt finanziell doch noch nicht so schlecht, wenn sie einen Millionenbetrag, der alles andere als zwingend wäre, à-fonds-perdu ausgeben könne.
Für die bürgerlichen Fraktionen war das hingegen kein Thema. Ob der Kanton Gelder aus dem Lotteriefonds oder aus dem ordentlichen Finanzhaushalt nehme, ändere nichts an der Pflicht der Stadt, ihren finanziellen Anteil zu leisten, sagte Patrik Angehrn von der Mitte/EVP-Fraktion. Auch für René Neuweiler von der SVP-Fraktion war unbestritten, dass der Kanton seiner Verantwortung nachkomme. «Wie der Kanton seinen Beitrag leistet, ist letztlich egal.» Der Lotteriefonds sei schliesslich unter anderem für die «Kulturunterstützung» vorgesehen, folglich sei es zu akzeptieren, dass sich der Kanton aus dieser Kasse bediene.
Das Stadtparlament sprach sich schliesslich einstimmig (bei jeweils einer Enthaltung) sowohl für den Abänderungsantrag der GPK als auch für den Kredit von 6,95 Millionen Franken für das Textilmuseum aus. Im Kantonsrat wird das Geschäft in zweiter Lesung an der Wintersession im Dezember behandelt.