Saiten im November: Konzertgagen im Reality-Check

Die Gagenempfehlungen des Musikbranchenverbandes Sonart kommen nicht überall gut an. Ausserdem im November: eine Tänzerin gegen Hitler, 40 Jahre Kinok, 30 Jahre Gambrinus, die neue Stadtgeschichte von Peter Stahlberger und die Neuauflage der Heie-Doku.

Wann wart ihr letzt­mals an ei­nem Kon­zert? Nein, nicht im Let­zi­grund bei Ed Sheeran oder im Hal­len­sta­di­on bei Len­ny Kra­vitz. Auch nicht bei Puc­ci­nis Tos­ca an den St.Gal­ler Fest­spie­len. Son­dern in ei­nem der vie­len al­ter­na­ti­ven Kon­zert­lo­ka­le im Sai­ten-Land, die je­nen Mu­si­ker:in­nen ei­ne Bühne ge­ben, die nicht die gros­se Mas­se er­rei­chen.

Für die gros­sen Kon­zer­te wer­den längst Mond­prei­se (und ent­spre­chen­de Ga­gen) ver­langt – und oh­ne mit der Wim­per zu zu­cken be­zahlt. Bei den klei­nen Kon­zert­lo­ka­len hin­ge­gen rei­chen die Ein­nah­men aus den Ti­cket­ver­käufen und sin­ken­den Bar­um­sätzen oft nicht ein­mal, um den Mu­si­ker:in­nen fai­re Ga­gen zu be­zah­len. Ganz ab­ge­se­hen da­von, dass vie­le die­ser Ver­an­stal­tungs­or­te oh­ne un­zähli­ge Stun­den eh­ren­amt­li­cher Ar­beit gar nicht über­le­ben könn­ten.

Die­sen Frühling hat So­nart, der gröss­te Ver­band der pro­fes­sio­nel­len Schwei­zer Mu­si­ker:in­nen, die lan­ge an­ge­kündig­ten Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen veröffent­licht. Die­se sind deut­lich höher als das, was vie­le Acts heu­te be­kom­men. Die Bud­gets der meis­ten Kon­zert­lo­ka­le sind je­doch auf Kan­te ge­näht. Es steht aus­ser Fra­ge, dass Mu­si­ker:in­nen fair be­zahlt wer­den müssen. Doch so­lan­ge die Po­li­tik nicht mehr Geld für die Kul­tur spricht, tut die Kul­tur­förde­rung gut dar­an, die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen nicht in Ho­no­rar­vor­schrif­ten für die sub­ven­tio­nier­ten Be­trie­be zu ver­wan­deln. An­sons­ten droht die Ost­schwei­zer Mu­sik­land­schaft schnell zu veröden. Sup­port­acts würden we­ni­ger ge­bucht, Kon­zert­lo­ka­le müss­ten schlies­sen. Die gros­se Ho­no­rar­ge­schich­te gibts ab Sei­te 14.

Der­weil fei­ert das St.Gal­ler Ki­nok sein 40-Jahr-Ju­bi­läum. Was ganz klein in St.Fi­den be­gann, hat sich spätes­tens seit dem Um­zug in die Lok­re­mi­se zu ei­nem Leucht­turm für das al­ter­na­ti­ve Film­schaf­fen ent­wi­ckelt. Ab Sei­te 32 er­zählt Re­to Vo­n­e­schen die be­weg­te Ge­schich­te des Pro­gramm­ki­nos; Fo­to­gra­fin und Ka­me­ra­frau Ve­re­na Scho­ch nähert sich in ei­nem per­sönli­chen Es­say dem Ki­nok an.

Ein Ju­bi­läum fei­ert auch ei­ne an­de­re St.Gal­ler In­sti­tu­ti­on: Gam­bri­nus Jazz Plus wird 30 Jah­re alt. Und en­net des Rheins bren­nen auf der Ge­burts­tags­tor­te des Jazz­clubs Lust­en­au gan­ze 20 Ker­zen mehr: 50 Jah­re! Mehr da­zu im Text von Phil­ipp Bürkler ab Sei­te 42.

Aus­ser­dem im win­ter­zeit­li­chen No­vem­ber: das neue Buch von Pe­ter Stahl­ber­ger zur Ge­schich­te der Stadt St.Gal­len seit dem Zwei­ten Welt­krieg, die St.Gal­ler Wi­der­stands­tänze­rin Ju­lia Mar­cus, der Re­de­platz mit Bri­git­te Schmid-Gug­ler zur Neu­auf­la­ge ih­res Films Heie, ein Por­trät von Man­or­kunst­preis­träger:in mar­ce nor­bert hörler an­läss­lich der Aus­stel­lung «slant» im Kunst­mu­se­um St.Gal­len, das neue Zu­hau­se des Kul­tur­raums «Au­to» und ei­ne Ei­gen­pro­duk­ti­on der Kel­ler­bühne, die die Brücke schlägt zwi­schen Wer­ken von Rai­ner Ma­ria Ril­ke und der Ge­walt an Frau­en.

Wir se­hen uns vor der Bühne!

Da­vid Gad­ze

 

Der In­halt:

 

Po­si­tio­nen

«Man muss den Ort Ken­nen, um das Phä­no­men zu ver­ste­hen» 
Re­de­platz mit Bri­git­te Schmid-Gug­ler

24/7 Trau­ma­co­re: When the world ends, you and me still ca­re
von Mia Nä­ge­li

Stimm­recht: St.Gal­len jetzt und da­mals
von Li­li­ia Matviiv

 

Per­spek­ti­ven

Kon­zert­ga­gen

Nach jah­re­lan­ger Ar­beit hat So­nart im Mai die Ho­no­rar­richt­li­ni­en für pro­fes­sio­nel­le Mu­si­ker:in­nen ver­öf­fent­licht. Was die­sen die Exis­tenz­grund­la­ge si­chern soll, ver­schärft für Ver­an­stal­ter:in­nen und Kon­zert­lo­ka­le die fi­nan­zi­el­len Pro­ble­me – mit ent­spre­chen­den Rück­kopp­lun­gen auf das Boo­king.
von Da­vid Gad­ze

Die Ost­schweiz im Drit­ten Reich (IX): Tän­ze­rin ge­gen Hit­ler

Ei­ne Hei­di-Auf­füh­rung am Stadt­thea­ter brach­te die St.Gal­le­rin Ju­lia Mar­cus (1904–2002) zum Neu­en Tanz. Nach Sta­tio­nen in Zü­rich, Dres­den und Ber­lin leb­te und ar­bei­te­te sie ab 1933 in Frank­reich. Auch wäh­rend der deut­schen Be­sat­zung blieb sie über­zeug­te Kom­mu­nis­tin.
von Ri­chard Butz

Kul­tur

Vom Al­ter­na­tiv­pro­jekt zur kul­tu­rel­len In­sti­tu­ti­on 

40 Jah­re Pro­gramm­ki­no in St.Gal­len: Das Ki­nok ju­bi­liert im No­vem­ber. Und es hat al­len Grund da­zu, die ei­ge­ne Er­folgs­ge­schich­te zu fei­ern.
von Re­to Vo­n­e­schen

Ei­ne per­sön­li­che An­nä­he­rung an das 40 Jah­re lan­ge Schaf­fen der Ki­no­kis in St.Gal­len.
von Ve­re­na Scho­ch  

 

Stadt­ge­schich­te 
Pe­ter Stahl­ber­ger legt ein um­fas­sen­des Über­blicks­werk für die Nach­kriegs­zeit in St.Gal­len vor.
von Ro­man Hertler 

Zwi­schen Ni­schen und «Main­stream»
50 Jah­re Jazz­club Lust­en­au und 30 Jah­re Gam­bri­nus Jazz in St.Gal­len: Zwei re­gio­na­le Jazz-In­sti­tu­tio­nen fei­ern Ge­burts­tag.
von Phil­ipp Bür­kler

Neu­es «Au­to»: Grös­ser und mehr
Das «Au­to» ist der Aus­stel­lungs- und Pro­jekt­raum von Vi­sa­r­te Ost in St.Gal­len. Er be­fin­det sich neu an der Was­ser­gas­se.
von Ur­su­la Bad­rutt

Kunst als kon­ti­nu­ier­li­che Neu­ver­or­tung
Als St.Gal­ler Man­or­kunst­preis­trä­ger:in ver­wan­delt mar­ce nor­bert hör­ler flüch­ti­ge Er­fah­run­gen in viel­schich­ti­ge Wahr­neh­mungs­räu­me.
von Lil­li Kim Schrei­ber

#Me­Too um 1900
Ge­walt an Frau­en: Das The­ma trieb vor mehr als 100 Jah­ren den jun­gen Dich­ter Ril­ke um. Zu se­hen in der Kel­ler­büh­ne.
von Pe­ter Sur­ber

Gu­tes Bau­en (XXX): Woh­nen im Fo­to­hot­spot.
von Co­rin­ne Rie­de­ner

Plat­ten­tipps: Ana­log im No­vem­ber.
von Li­di­ja Dra­go­je­vić, To­bi­as Im­bach und Phil­ipp Bu­ob

Bou­le­vard: Eh­ren­mais und Reue Rau'.
von Jo­sip Gos­sip

 

Ab­ge­sang

Kel­lers Ge­schich­ten: Sa­ri­don

Co­mic von Ju­lia Ku­bik: Die Pro­phe­zei­ung

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