Als man mir sagte, ich müsse etwa zwei Jahre lang regelmässig zur Behandlung, um die Beweglichkeit meiner Schulter wiederherzustellen, kam ich nach Hause und machte mich an die Internetrecherche. Ich las alles Mögliche. Die Empfehlungen reichten von den einfachsten bis zu den kompliziertesten.
Und mittendrin wartete auf mich das Fitnessstudio. Eine völlig andere Art von Bewegung als das, was ich gewohnt war. Bislang hatte es in meinem Leben meist Yoga, Joggen oder Tanzen gegeben. Aber mit Hanteln und Geräten hatte ich noch nie etwas am Hut. Doch genau da begann das eigentlich Spannende. Wenn ihr den Film Ziemlich beste Freunde kennt, in dem ein Mann einem anderen hilft, dann wisst ihr in etwa, wie ich mich am Anfang fühlte.
Ich dachte: Was soll ich mit diesen schweren Metallgeräten, und dann auch noch in mehreren Durchgängen? Doch meine Trainerin war sehr erfahren. Mit der Zeit begann sie, mir aus ihrem Leben zu erzählen, und ich erzählte ihr von meinem. Und plötzlich wirkten die Geräte gar nicht mehr so einschüchternd. Nach und nach freute ich mich sogar auf diese «Besuche» im Studio und auf die nächsten Übungen.
Sie gab mir «Hausaufgaben», die ich zu Hause machen sollte, und ich suchte gewissenhaft nach Bällen, Bändern … Wenn einen jede Nacht die Schulter schmerzt, probiert man einfach alles aus. Ohne es bewusst zu merken, wurde die Physiotherapie, die mir anfangs so schwerfiel, zu einem festen Bestandteil meiner Woche. Und irgendwann hatte ich mich damit abgefunden, dass es Zeit brauchen würde. Denn wenn der Arm im wörtlichen Sinn nicht funktioniert, dann wird er sich von heute auf morgen nicht von allein bewegen. Man muss methodisch vorgehen und daran glauben.
Eines Tages geschah ein Wunder: Ich sah mich im Spiegel, wie ich dastand, schwere Gewichte hielt und sie sogar hob. 6 Kilo. Ich – die Frau, die früher selbst ein halbes Kilo nur mit Mühe bewegte. Und dann kam die wichtige Erkenntnis: Ich begriff, dass ich tatsächlich Fortschritte machte.
Die Zeit verging. Manchmal arbeitete ich mit anderen Trainer:innen, aber ich freute mich immer auf meine Haupt-Physiotherapeutin. Ich vermisste sie sogar, wenn sie in den Ferien war. Denn ich spürte: Sie versteht mich. Sie wollte mir genauso sehr helfen, wie ich selbst gesund werden wollte. Manchmal schauten wir uns auch Übungen für den Rumpf oder die Haltung an. Nicht sofort, aber nach einiger Zeit bemerkte ich, dass Sport nicht nur «lokal» hilft, wie etwa bei Rückenschmerzen, sondern generell für gute Laune sorgt. Vor allem, wenn man mit Freude dabei ist. Und meine Freude war grenzenlos, als ich meinen Arm wieder bewegen konnte, als wäre die Blockade im Gelenk verschwunden. Auch wenn noch nicht ganz – wir hatten es geschafft.
An einem Abend sassen wir zusammen und plauderten. Wir sprachen über Übungen, und ich hörte ihr wirklich gern zu. Und da wurde mir klar, was die wichtigste Zutat auf diesem ganzen Weg war. Es waren nicht einmal die regelmässigen Übungen, sondern ihr fester Glaube an mich.
Genau das ist ja das Wichtigste – dass jemand an einen glaubt. Auch wenn man gerade am Boden ist. Wenn in solchen Momenten jemand sagt: Schau, jetzt bewegt sich da noch nichts, aber mit der Zeit werden wir das gemeinsam schaffen.
Liliia Matviiv, 1988, stammt aus Lviv in der Ukraine. Die Journalistin, Essayistin und Sozialaktivistin ist im Frühling 2022 in die Schweiz gekommen und lebt derzeit in St.Gallen. Ol’ha Gneupel hat den Text übersetzt.