, 29. Juli 2020
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Willkommen im feministischen Salon

Im Salon Vert im St.Galler Frauenpavillon dreht sich alles um die Frauen in der Musikindustrie. Und ums Machen und Experimentieren. Samt einem (erotik)filmischen Intermezzo.

Claude Bühler (links) und Jessica Jurassica im Frauenpavillon. (Bild: Daif)

DJ, Booker, Promoter, Producer. Die meisten denken dabei automatisch an Männer. Kein Wunder, denn die Frauen im Musikbusiness sind immer noch massiv untervertreten – sowohl auf als auch neben den Bühnen. Und in der Ostschweiz besonders, wie Claude Bühler sagt. Die St.Galler Musikerin, Kuratorin und Fotografin will das ändern und hat darum 2019 den Salon Vert erfunden, eine niederschwellige Artist in Residency-Plattform für den musikalischen Dialog über zeitgenössischen Feminismus und popkulturelle Phänomene.

Einen festen Ort hat der Salon Vert – benannt nach dem grünen Teppich in Claude Bühlers Atelier in Teufen – nicht, derzeit befindet er sich im Frauenpavillon im St.Galler Stadtpark. Noch bis 16. August treffen sich dort Musikerinnen, Künstlerinnen, Soundtüftlerinnen und Kulturtäterinnen, um sich auszutauschen, voneinander zu lernen und Neues auszuprobieren. Und auch ein bisschen, weil der Ort so gut ist.

St.Gallen hinkt hinterher

«Den Frauen in der Musikindustrie werden einfach zu viele Steine in den Weg gelegt», sagt Claude Bühler, als wir sie am Dienstag im Frauenpavillon besuchen. «Es werden ihnen permanent Kompetenzen abgesprochen, es wird ihnen oft zu wenig zugetraut. Das sind Totschlagargumente und strukturelle Probleme, die gelöst werden müssen – und St.Gallen hinkt diesbezüglich ziemlich hinterher. Es reicht nicht, wenn man regelmässig krasse Musikerinnen aus aller Welt einfliegen lässt, aber dabei die lokalen Künstlerinnen vergisst.»

Die Clubs und die Branche seien in der Verantwortung, klar, aber eine Schuldzuweisung soll das nicht sein, sagt Claude Bühler, die nebenbei auch im Palace arbeitet. Das Problem beginne nämlich früher. Vielen Mädchen und jungen Frauen fehle beispielsweise der technische Zugang, angefangen bei der E-Gitarre bis hin zum Synthesizer oder dem Mischpult. Auch hätten die wenigsten einen Bandraum oder ähnliches, was bei vielen Jungs im Teenageralter völlig normal sei. «So müssen wir uns nicht wundern, wenn vielen Frauen das musikalische Selbstvertrauen fehlt oder sie sich nicht trauen, mal an einigen Geräten herumzuspielen.»

Salon Vert: bis 16. August, Frauenpavillon, Stadtpark St.Gallen

salon-vert.ch
claudiabuehler.ch

Im Salon soll genau das möglich sein: austesten, einstöpseln, rückkoppeln, recorden, experimentieren, nachfragen, weiterbasteln. «Wir wollen vor allem Interesse wecken», sagt Claude Bühler, die als La Luna jeden dritten Dienstag im Monat queerfeministischen Rap auf Kanal K auflegt und auch DJ-Workshops leitet. Vorkenntnisse brauche es nicht, Ansprüche gebe es auch keine – abgesehen von der klar feministischen und antirassistischen Haltung. «Aber keine Angst, wir sind kein theoretischer Lesezirkel, sondern ein Experimentierfeld», erklärt sie lachend. «Unser Fokus liegt voll auf dem Machen.»

Boyband-Vergangenheiten und Drogen-Gegenwarten

Eröffnet wurde der aktuelle Salon Vert am 13. Juli mit einer Noise- und Spokenword-Performance von Claude Bühler und Jessica Jurassica, nachzuhören hier. Drei Tage haben die beiden im Frauenpavillon daran gefeilt. Entstanden ist ein hörenswerter Trip durch allerhand Boyband-Vergangenheiten und Drogen-Gegenwarten. Und ja, solange immer noch die unsägliche Rede von Frauenbands ist, darf mensch getrost mit dem Wort «Boyband» hantieren.

Seither hat sich einiges getan im grünen Salon, der auch ein Netzwerk sein will: Juliette Rosset von Zayk war mit ihrer E-Gitarre zu Gast, Rapper Leni Thilagarajah hat ein paar Lines gedroppt (ja, auch solidarische Männer sind herzlich willkommen), Anuk Schmelcher hat Sound Art präsentiert und das Kollektiv b_east noise hat mehrmals im Frauenpavillon die Köpfe zusammengestreckt.

Morgen Donnerstag gibt es ein erotisch-filmisches Intermezzo, eine «Notte del Film Feminista» mit anschliessender Gesprächsrunde, organisiert von der St.Galler Filmemacherin Morena Barra. Um 19 Uhr zeigt sie den Film Super Femmes von Erika Lust, danach folgt Lunàdigas von Marlisa Piga und Nicoletta Nesler. Als Lunàdigas werden in Sardinien Schafe bezeichnet, die keine Jungen bekommen. Der provokante Streifen gewann 2017 den Preis des besten Dokumentarfilms am Porn Film Festival Berlin und geht der Frage nach, wie es sich in einer konservativ-katholischen Gesellschaft anfühlt, wenn frau kinderlos lebt und somit nicht dem gebärmütterlichen Ideal entspricht.

Geschlossen wird der Salon Vert am 16. August wieder mit einer Performance von Claude Bühler und Jessica Jurassica. Davor sind unter anderem nochmal Juliette Rosset, Hilke Ros, Sam Assir, Christoph Küng sowie Riccarda Naef und Simona Bischof im Pavillon am Werken. Am Schluss soll ein Mixtape mit allen Beteiligten entstehen.

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