SAITEN: Der BandXOst feiert dieses Jahr sein 20-Jahr-Jubiläum. In dieser Zeit habt ihr viele Bands und Musiker:innen hervorgebracht, die die Ostschweizer Musikszene bereichern. Du warst fast von Anfang an dabei. Wie schaust du darauf?
CÉLINE FUCHS: Es ist verrückt, dass wir 20 Jahre überstanden haben. Den BandXOst gibt es nur dank unserer Unterstützer:innen – wir machen keinen Gewinn. Was am Ende eines Jahres übrig bleibt, kommt direkt wieder den Musiker:innen zugute. Ab diesem Jahr bekommt der Siegeract neu unter anderam einen Bandbus für die Festivals. Inzwischen können wir auch den rund 40 Leuten im Team höhere Gagen auszahlen. Diese sind noch lange nicht angemessen – der Stundenlohn vom OK beträgt zwischen 35 und 45 Franken, die Jurymitglieder bekommen je 250 Franken pro Abend –, aber immerhin können wir ihnen dadurch mehr Wertschätzung entgegenbringen. Es ist auch viel Idealismus dabei – und ehrenamtliche Arbeit. Dass ich nach 20 Jahren auf so viele Leute aus der BandXOst-Familie zählen kann, schätze ich unendlich.
Ihr werdet von den Kantonen mitfinanziert. Müssten die sich stärker beteiligen?
Der Kanton St.Gallen hat seinen Beitrag dieses Jahr massiv erhöht, nachdem sie unsere Lohnkosten gesehen haben. Ich finde es schön, dass man anerkennt, was wir leisten – und was wir dabei verdienen. Wir sind den Kantonen sehr dankbar, aber mit ihren Beiträgen allein würden wir es nicht schaffen. Sie steuern etwa einen Viertel an die Gesamtkosten von 190'000 Franken jährlich bei, den Rest müssen wir selber finanzieren. Deshalb investieren wir viel Zeit ins Fundraising durch Stiftungen, Banken, Gemeinden der Quali-Orte etc. Künftig wollen wir uns stärker über Mitglieder- oder Gönner:innenbeiträge finanzieren. Wenn uns das gelingt, können wir diese Ressourcen für anderes einsetzen.
Die Coronapandemie war ein Einschnitt, die Kulturbranche spürt die Folgen immer noch. Ihr auch?
Man merkt jetzt, was diese Zeit mit den jungen Menschen gemacht hat. Dass ihnen die Möglichkeit fehlte, sich in einen Keller zu verkriechen, auszuprobieren, als Band zu wachsen. Es hat mit dem Empfinden des Nachwuchses etwas gemacht. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum wir in den vergangenen beiden Jahren Mühe hatten, genügend Anmeldungen für die Qualifikationen zu bekommen. Neun Qualis à sechs Bands – ja, das ist viel. 2024 wollten wir eigentlich zehn Qualis machen, mussten Krummenau jedoch streichen. Ich hoffe, dass wir nicht anfangen müssen zu reduzieren, um den BandXOst durchführen zu können.
Was sagt das über den BandXOst aus?
Das zeigt vor allem eins: Die Qualität der Musiker:innen, die heute bei uns spielen, ist viel höher als vor 20 Jahren. Damals hatten wir vor allem Acts, die vorher zwei, drei Mal im Proberaum waren, und dann sind sie raus auf unsere Bühne. Wer sich heute beim BandXOst anmeldet, bringt in der Regel schon Erfahrung mit. Früher mussten wir den Bands erklären, wie ein Soundcheck funktioniert und welches Zeichen was bedeutet. Heute erklären uns die Bands, wie ihre Technik funktioniert. Diese Qualitätssteigerung hat aber auch ihren Preis: Für den Final in der Grabenhalle müssen wir schon am Freitag aufbauen, das führt zu Mehrkosten bei der Technik. Auch bei den Qualis haben wir höhere Ausgaben, weil die Raummieten gestiegen sind. Und früher wurden uns teilweise die Konsumationseinnahmen angerechnet, das geht auch nicht mehr.
Führt die gestiegene Qualität auch dazu, dass sich unerfahrenere Acts nicht getrauen, sich anzumelden?
Ja, das ist gut möglich – und genau deshalb setzen wir dort gezielt an. Wir schreiben Schulen an, kontaktieren Musiklehrer:innen und Musiker:innen, die wir persönlich kennen. Es gibt nichts zu verlieren – aber im besten Fall viel zu gewinnen. Es ist nur schon super, auf einer neuen Bühne stehen zu können und ein konstruktives Feedback von Leuten aus der Szene zu bekommen. Die Jury sagt dir nicht, was schlecht ist, sondern was du besser machen kannst – wir bashen nicht, wir pushen. Und die Anmeldung ist sehr niederschwellig, man muss nicht einmal ein Demo einschicken. Es braucht nur ein wenig Mut.
Täuscht denn der Eindruck, dass es heute viel mehr Bands gibt als vor zehn, fünfzehn Jahren?
Nein, aber viele Bands sind für den BandXOst bereits zu alt. Der Altersdurchschnitt aller Musiker:innen darf nicht höher sein als 24,9 Jahre. Das ist teilweise von den Kantonen und den Stiftungen vorgegeben – es ist ihre Grenze für die Jugendförderung. Ich habe schon vor Jahren versucht, die Altersgrenze auf 27 oder 28 Jahre zu erhöhen, weil zwischen 25 und 30 Jahren die Acts mit viel Potenzial und Erfahrung kommen, bei denen wir mit unserem Wissen und unserem schweizweiten Netzwerk noch viel mehr bewirken könnten.
Inzwischen dominieren im Musikbusiness Einzelkünstler:innen, in den Charts gibt es immer weniger Bands. Gibt es diese Entwicklung schon beim Nachwuchs – also auch beim BandXOst?
Wenn ich neue Acts entdecke, zeigt sich zunehmend ein Muster: jung, erfreulicherweise immer öfter weiblich, Singer/Songwriter:in. Ich habe den Eindruck, dass es auf den Bühnen immer weniger Instrumente gibt – auch am BandXOst.
Hat das auch damit zu tun, dass es für Solokünstler:innen einfacher ist für Konzerte gebucht zu werden als für Bands, weil die Gage dann tiefer ist?
Ich weiss nicht, ob es einen direkten Zusammenhang gibt. Aber es ist so: Je mehr Musiker:innen dabei sind, desto höher ist die Gage. Zumindest sollte es so sein. Wenn Veranstalter:innen eine vierköpfige Band als Support buchen wollen, wird es schnell zu teuer.
Für viele Clubs ist es nur schon eine Herausforderung, dem Hauptact eine angemessene Gage zu geben, weil seit Corona tendenziell weniger Leute an die Konzerte kommen.
Genau. Das hat zur Folge, dass viele Booker:innen die Nachwuchsacts fragen, ob sie beispielsweise nur im Duo auftreten können, um die Gage zu senken – oder sie ganz auf den Supportact verzichten. Aber wo bekommt der Nachwuchs dann seinen Platz, wenn das so weitergeht?
Was macht das mit den jungen Bands?
Wenn man nur die Hälfte einer Band bucht, wird das ihrer Musik nicht gerecht. Wenn man ihr schon die Chance gibt aufzutreten, dann wenigstens richtig. Hinzu kommt, dass auch das Publikum nicht auf seine Kosten kommt. Gerade die jungen Konzertbesucher:innen sehen ihre Vorbilder nicht in Vollbesetzung. Das wirkt sich ebenfalls aus. Wenn Gitarrist:innen nur noch zu Backingtracks spielen, geht ein Teil des Konzertfeelings verloren.
Zurück zur Schwierigkeit, genügend Anmeldungen zu bekommen:Vor 15 Jahren deckte der BandXOst gerade mal St.Gallen, beide Appenzell und Liechtenstein ab. Seither sind Graubünden, Glarus, Thurgau und Schaffhausen hinzugekommen. Die Zahl der Qualis ist von fünf auf neun gestiegen. Ist der BandXOst zu gross geworden?
Nein. Es ist gut, dass wir gewachsen sind. Denn es ist so wichtig, dass sich jemand um den Musiknachwuchs kümmert. Würden wir uns nur auf St.Gallen und Appenzell beschränken, kämen wir gar nicht an all die Perlen. Die Topplatzierten der vergangenen Jahre sprechen für sich. Sie können ausserdem beispielsweise am Openair Lumnezia, am Openair Malans oder am Clanx-Festival Appenzell auftreten – das Interesse an den Finalist:innen ist jeweils riesig. Die Flügel, die wir unseren Acts geben können, sind viel grösser geworden. Darauf bin ich sehr stolz.
Und doch ist die ganze Livemusikszene in einer schwierigen Phase. Gerade für junge Bands ist es schwierig, an Auftrittsmöglichkeiten zu kommen. Eure Finalist:innen haben zwar gesicherte Konzerte im Folgejahr. Merkt ihr aber auch, dass es danach schwierig wird?
Ja. Und live gut zu sein allein reicht heute nicht. Man muss einen Aufhänger haben, eine Geschichte verkaufen können. Vor allem die Präsenz in den sozialen Medien ist fürs Booking extrem wichtig. Ein Siegeract der letzten Jahre hat kürzlich eine Absage bekommen, weil sie zwei Monate lang nichts gepostet haben. Eigentlich müsstest du jeden zweiten Tag neuen Content bringen, damit du gesehen wirst. Das finde ich richtig krass.
Dazu kommt die Spotifyisierung, also der Druck, in einigermassen kurzen Abständen neue Songs zu veröffentlichen.
Genau. Dabei erscheinen pro Tag angeblich 100’000 neue Songs auf Spotify und anderen Streamingportalen. Wir versuchen, unseren Acts diesen Druck zu nehmen, und ermutigen sie, so lange zu warten, bis sie bereit sind. Als Nachwuchsmusiker:in wartet die Welt eh nicht auf dich.
Den Druck, schnell neue Musik haben zu müssen, gibt es aber auch beim BandXOst. Auf den Siegeract warten schon wenige Monate später mehrere Festivalauftritte.
Ja, den haben sie. Aber sie sind ja nicht Headliner, sondern spielen zwischen 30 und 40 Minuten. Das entspricht etwa sechs Songs – das haben alle, die bei uns mitmachen. Und wir achten sehr darauf, sie nicht zu verheizen. Darum fühlen wir auch allen Finalist:innen auf den Zahn – wie viele Songs sie haben, was ihre Träume sind, wie sie miteinander funktionieren, welche Zukunftspläne sie haben. Und man merkt schon in der Quali, wer noch einen oder zwei Anläufe braucht, um für den Sieg bereit zu sein. Es bringt nichts, wenn wir sie zu früh unter die Top 3 wählen und dadurch völlig überrumpeln. Selbst die Prämie von 7000 Franken für ein Album kann der Siegeract auch Jahre später noch einlösen. Riana hat sich im ersten Jahr nach ihrem Sieg 2018 enorm entwickelt, dann aber entschieden, zuerst ihre Ausbildung zur Lehrerin abzuschliessen. Erst zwei Jahre später hat sie mit der Musik losgelegt. Das ist ein schönes Beispiel, dass die Musik warten kann – und man erst liefern muss, wenn man parat ist.
Gibt es Ideen für die Zukunft des BandXOst? Sachen, die ihr irgendwann umsetzen wollt?
Es stand schon die Frage im Raum, ob wir BandXOst als Agentur führen sollen, losgelöst vom Wettbewerb. Und ich weiss nicht, wie oft ich schon angefragt wurde, das Management einer Band zu übernehmen. Ausserdem gibt es schon seit Jahren die Idee, mit ähnlichen Contests aus der Deutschschweiz wie dem BandXNordwest oder dem Band-it-Musikfestival in Zürich eine gemeinsame Konzertnacht zu veranstalten, um Nachwuchskünstler:innen und Akteure wie Booker:innen, Produzent:innen usw. zusammenzubringen. Wir haben viel Potenzial im Team, aber die finanziellen und zeitlichen Ressourcen sind halt überall knapp.
Die Anmeldungen für den BandXOst 2025 laufen bis zum 7. September. Die erste der neun Qualirunden ist am 20. September, die letzte am 1. November. Der Final mit den acht besten Nachwuchsacts findet am 22. November in der Grabenhalle St.Gallen statt.