Andreas Bischof, Holzbau-, Zimmerei- und Schreinereiunternehmer aus Wildhaus, Jahrgang 1988, erinnert sich gut an den Moment, als sein Kollege und ehemaliger Militärkamerad Tom Giger den hölzernen Klanghausrohbau im Frühsommer 2023 erstmals betritt. Giger schaut sich kurz um und findet dann: «Ah ja, cool, das machen wir!»
Mit «das» sind zwei schwenkbare Flügel eines 6,5 Meter hohen Tors gemeint. Je 4,5 Meter breit und ganze 5,3 Tonnen schwer. Steht das Tor offen, verbindet sich der zentrale Hauptraum mit dem kleineren Schwendiseeraum zu einem grossen Saal. Der Blick öffnet sich auf den Schwendisee, den Seichbergwald und die Ostflanke des Chäserrugg.
Die Architekt:innen haben es Isfahan-Tor getauft – als Reminiszenz an die mächtigen, ornamental verzierten Portale persischer und arabischer Paläste. In einigen Baudokumenten taucht fälschlicherweise der Name «Isofahan-Tor» auf. Mit Iso-Zertifikaten hat das Projekt trotz Einhaltung höchster Sicherheitsstandards aber wenig am Hut. Grösse, Gewicht und Mechanik des Tors fallen aus sämtlichen gängigen Normen und Rastern. Zudem ist der Begriff «Sicherheitsstandards» irreführend: Entsprechende Richtlinien müssen die «Hersteller» erst einmal austüfteln.
Baulicher Hürdenlauf mit Stolperfallen
Kein Wunder also, ist es für Andreas Bischof kein Leichtes, jemanden zu finden, der den architektonischen Wunsch nach Schwenkbarkeit von Hand umsetzen kann. Nach zig Telefonaten quer durchs Land und einer Absage nach der anderen ruft er seinen alten Bekannten Tom Giger an, den «Mech für alle Fälle» vom Grabserberg. An sich wenig bewandert im Gebäudebau, kennt sich der selbständige Lastwagen- und Forstmaschinenmechaniker mit schwerem Gerät aus. Die Dimensionen des Isfahan-Tors treiben ihm – im Gegensatz zu den Verantwortlichen von Bau und Behörden – nicht gleich den Angstschweiss auf die Stirn.
Anfangs belächeln ihn die anderen Beteiligten, wenn Giger mit seinen handgekritzelten Bleistiftskizzen zu den Sitzungen erscheint und sie neben ihre grossformatigen, farbgedruckten Baupläne legt. Doch aus Amüsement wird bald Anerkennung für Gigers erfinderische wie unerschrockene Herangehensweise. Gigers Handskizzen sind anfangs auch für Bischof eine Herausforderung, er hat für das Isfahan-Tor ein detailliertes CAD-3D-Modell konstruiert, neben dem selbst die Pläne der Architekt:innen erblassen. Dabei ist ein solches Projekt per se unplanbar. Da sind einerseits die Ideen und Wünsche der Architektur und der Akustik, die gerne die Grenzen des physikalisch Möglichen ausloten. Und andererseits gibt es weit und breit kein Vorbildprojekt, an dem man sich hätte orientieren können.
Der Traum vom manuellen Toröffnen ist bald ausgeträumt. Das Bewegen der schweren Holzflügel ist dabei weniger das Problem. Aber 5,3 Tonnen, einmal in Bewegung gesetzt, lassen sich nicht mehr von Hand bremsen. Es braucht also einen steuerbaren Antrieb. Andreas Bischof denkt zuerst an einen Elektromotor. Tom Giger plädiert für eine hydraulische Lösung, weil dabei Geschwindigkeit und Kraft der Bewegung viel feiner dosierbar sind. Allerdings benötigt ein solcher Antrieb im Deckenbereich Platz, den die Architekt:innen zunächst nicht einkalkuliert haben. «Zum Glück hat der Zimmermann mitstudiert», sagt Bischof bei der Besichtigung. Er habe zu jenem Zeitpunkt nur ahnen können, dass da noch was hinkomme, und hat daher an der richtigen Stelle einen Querträger zwischen die Dachbalken gesetzt, an dem das Tor später befestigt würde und der Hydraulikantrieb gerade so reinpasst.
Eine grosse Herausforderung ist die Bodenlast. Das Gewicht einzig auf die beiden Scharniere am Boden zu verteilen, würde zu grosse Kräfte auf diesen ausüben. Um das Gewicht besser zu verteilen, werden die grossen Kugellagerscharniere, wie sie auch in LKWs verbaut sind, am Betonboden auf einer 25 Millimeter dicken Eisenplatte montiert. Eine starke Verankerung verhindert das Ausscheren. Die beiden Scharniere, die das Tor mit der Decke verbinden, sind so angebracht, dass die räumliche Lage der Türen im Notfall justiert werden könnte. Die beiden Schwerlastrollen, die gegen Portalmitte hin zusätzlich eingebaut werden, sind nur zur Sicherheit. Theoretisch schweben die Flügel auch ohne Rollen. Dennoch müssen neue statische Berechnungen der Bodenlast und ein armierter Unterlagsboden her. Dadurch wird der Boden minimal uneben. Damit das Tor jetzt nicht aus den Angeln hüpft, müssen die Schwerlastrollen zusätzlich gefedert werden.

Handwerksstolz und Gemeinschaftssinn
So geht es immer weiter. Mit jeder gefunden Lösung geht irgendwo ein neues Problemtürchen auf. Der Torbau beginnt irgendwann Anfang Herbst 2023: Am Boden liegend werden die Grundgerüste der beiden Flügel zusammengebaut, mit einem Kettenkran aufgerichtet und mit den spezialangefertigten Scharnieren an Boden und Decke befestigt. Als Nächstes wird der Antrieb montiert. Dann beginnt der Anbau der Akustik- und Abdeckelemente. Parallel dazu wird die elektrische Steuerung installiert – aus Sicherheitsgründen zweifach: einmal im Zentralraum fürs Öffnen, einmal im Schwendiseeraum fürs Schliessen.
Selten ist ein Bauprojekt so unvorhersehbar und stellt Planende wie Ausführende vor so viele Herausforderungen. Das bestätigt auch Bauleiterin Simone Hess auf Anfrage: «Schon zwei Jahre vor Baubeginn hatten wir das Tor im Kopf, wir wussten, dass es schwierig werden würde.» Zwischendurch habe man den Glauben an die Realisierbarkeit fast aufgegeben. «Aber die Ideen von Res und Tom waren Gold wert!» Der Bauablauf sei über den Haufen geworfen worden, der armierte Unterlagsboden musste nachträglich eingegossen werden, was viel Feuchtigkeit in den Bau getragen habe. Fast stündlich musste jemand das Gebäude lüften. Doch alle packten mit an. Es sei immer mehr Miteinander statt Nebeneinander gewesen. «So etwas wäre ohne die grossartige Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen nicht möglich gewesen. Das hätte bei Weitem nicht auf jeder Baustelle so gut geklappt», ist Hess überzeugt.
Aus den Gesichtern der beiden Handwerker spricht Berufsstolz und Freude am Geleisteten. Andreas Bischof, der nur ein paar Hundert Meter vom Klanghaus entfernt lebt, wollte sich mit seiner Firma von Anfang an am Klanghausbau beteiligen. Also hat er sich mit anderen «Hölzigen» aus der Region zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen und sich um den Innenausbau beworben. Die Gemeinschaft erhielt den Zuschlag. Um das Teilprojekt des Isfahan-Tors hat sich allerdings niemand gerissen. Für Bischof war der Spezialauftrag eine besondere Motivation.
Kurz bevor die Planungen im Frühling 2023 aufgenommen wurden, brannte allerdings die Produktionshalle seines Unternehmens in Unterwasser ab. Die Herausforderungen seiner Klanghausteilprojekte – nebst dem Tor der Innenausbau des Schwendiseeraums und des Eingangsbereichs – musste er parallel zum Wiederaufbau seiner Firma bewältigen. Eine strenge wie lehrreiche Zeit, resümiert der 36-Jährige. Und eine, von der er sicher noch seinen Grosskindern erzählen wird.