, 15. Oktober 2020
2 Kommentare

«Konzerne halten Sorgfaltspflichten nicht freiwillig ein»

Zahlreiche bürgerliche Politiker engagieren sich für die Konzernvernatwortungsinitiative, über die am 29. November abgestimmt wird. Einer davon ist der St.Galler alt Ständerat Eugen David.

Glencore betreibt in der peruanischen Stadt Cerro de Pasco eine Mine, die das umliegende Gebiet erheblich mit Schwermetallen vergiftet. (Bild: pd)

Saiten: Eugen David, politisch sind Sie in den vergangenen Jahren nicht mehr gross in Erscheinung getreten. Warum jetzt das Engagement für die Konzernverantwortungsinitiative?

Eugen David: Ich engagiere mich als Stimmbürger. Die Initiative ist wichtig für die Schweiz.

Gegner behaupten, die Initiative schade vor allem den Schweizer KMU. Stimmt das, oder wäre das gar in Kauf zu nehmen?

Es gibt wohl nicht viele Schweizer KMU, die in Afrika, Asien oder Südamerika Unternehmen betreiben und mit diesen Unternehmen dort für Menschen und Umwelt schwere Schäden verursachen. Wenn es sie gibt, ist es auch korrekt, wenn die Geschädigten vor einem Schweizer Gericht Schadenersatz verlangen können.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter bemüht das Kolonialismus-Argument: Der Eingriff in die Rechtsordnung anderer Staaten sei anmassend. Was sagen Sie zur Haltung des Bundesrats?

Ein Eingriff in die Rechtsordnung anderer Staaten findet nicht statt. Die Geschädigten können von einem in der Schweiz ansässigen Konzern in der Schweiz Schadenersatz verlangen. Für solche Schäden, die von einem aus der Schweiz heraus gesteuerten und finanzierten Konzernunternehmen verursacht worden sind.

Jurist und alt Ständerat Eugen David (CVP). (Bild: pd)

Warum geht der Gegenvorschlag zu wenig weit?

Er verlangt von den Konzernen keine Einhaltung verbindlicher Sorgfaltspflichten. Verletzen die Konzern-Manager Sorgfaltspflichten, sind sie nicht vor Gericht rechenschaftspflichtig. Der Gegenvorschlag ist ein blosser Papiertiger.

Nehmen die Rohstoffkonzerne und die Finanzwirtschaft ihre Verantwortung ungenügend wahr?

Die Konzerne wollen keine gesetzlich verbindlichen Sorgfaltspflichten. Sie wüssten selbst am besten, wie sie sich gegenüber Mensch um Umwelt zu verhalten hätten, heisst es. Und: Sie hielten Sorgfaltspflichten freiwillig ein. Diese Ansichten kann ich nicht teilen.

Nach der Rettung der UBS durch den Bund haben Sie sich für eine PUK eingesetzt, die dann nicht zustande kam. Ihr Parteikollege Urs Schwaller sagte, die Banken bräuchten halt auch Vertrauen. Hat die globale Wirtschaft grundsätzlich ein Vertrauensproblem?

Die Konzerne steuern und finanzieren aus der Schweiz zahllose Unternehmen auf dem ganzen Globus. Nur wenn bei diesen Geschäften schwere Schäden für Mensch und Umwelt entstehen, müssen die Konzerne haften. Verursachen sie keine Schäden, müssen sie auch nicht haften. Hier geht es nicht um Vertrauen oder Misstrauen. Dass die Konzerne auch dann nicht haften wollen, wenn sie Schäden verursachen: Das ist das Problem. Bedenklich ist, dass Bundesrat und Ständerat diese Haltung unterstützt haben.

Müsste die Wirtschaft nicht von sich aus ein Interesse an sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit haben? Geht es den kritisierten Konzernen einzig um schnelle Gewinne?

Dass Konzerne Gewinne erzielen wollen, ist klar und nicht verboten. Verboten ist lediglich das Verursachen von Schäden ohne Haftung.

Wird die Wirtschaft bei einem Ja zur Initiative tatsächlich grüner und gerechter?

Die Konzerne werden die gesetzlich verbindlichen Sorgfaltspflichten beachten, wenn sie einmal erlassen sind. Natürlich entstehen daraus Kosten, zum Beispiel für den Umweltschutz beim Betreiben einer Mine oder beim Entsorgen giftiger Fabrikabfälle. Oder für den Feuerschutz beim Betreiben einer Fabrik. Oder auch, wenn keine Kinder beschäftigt werden können. Kosten wollen die Konzernmanager grundsätzlich vermeiden. Gibt es aber gesetzliche Sorgfaltspflichten, nehmen sie in der Regel die Kosten in die Kalkulation auf. Es liegt daher in der Hand und in der Verantwortung der schweizerischen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, ob die hier ansässigen Konzerne bei ihren globalen Geschäften Sorgfaltspflichten für Mensch und Umwelt einhalten oder nicht.

Das Interview wurde per E-Mail geführt.

2 Kommentare zu «Konzerne halten Sorgfaltspflichten nicht freiwillig ein»

  • Reto Moritzi sagt:

    Sehr stark, wenn auch PolitikerInnen der Mitte die Notwendigkeit der KOVI einsehen und sich für ein JA einsetzten.

  • Baetschmann Hansruedi sagt:

    Dass die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz und die Schweizer Bischofskonferenz in einer gemeinsamen Stellungnahme zur Konzernverantwortungsinitiative mit eindrücklichen Worten die ethische Leitidee dieser Initiative hervor gestrichen und gegenüber den formal-rechtlichen Aspekten betont haben, zeigt, dass diese Initiative nicht wie von der SVP tendenziös dargestellt einen ideologisch-linksradikalen Hintergrund hat, sondern grundsätzlichen ethischen Bedenken über skrupelloses und Menschenrechte verletzendes Wirtschaften und von Profitgier getriebene Umweltzerstörung entspringt.

    Die Wirklichkeit vieler Menschen auf dieser Erde ist bestimmt von Menschenrechtsverletzungen und der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen, gegen welche sie sich aus Mangel an Wissen, Kompetenzen oder finanziellen Mitteln nicht zur Wehr setzen können. Da auch internationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz in Ländern mit völlig ungenügenden und ethisch höchst bedenklichen politischen und rechtlichen Verhältnissen tätig sind und diese Verhältnisse teilweise zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil ausnutzen, ist es der Menschlichkeit geschuldete Pflicht, Rechtsgrundlagen zu schaffen, um einfach, schnell und wirkungsvoll Verursacher und Verantwortliche haftbar machen und mit Sanktionen gegen Fehlverhalten vorgehen zu können. Die Konzernverantwortungsinitiative schafft dafür die Voraussetzungen durch eine Änderung unserer Bundesverfassung, gleichsam dem gemeinsamen politischen Glaubensbekenntnis der Eidgenossenschaft, welche die Grundsätze zur ‚Stärkung der Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt durch die Wirtschaft’ festlegt. Dieses ausdrückliche Bekenntnis gewinnt angesichts der sich abzeichnenden Verschärfung der Problematik der gerechten Verteilung der Ressourcen unserer Erde zusätzlich an Bedeutung.

    ‚Weil sich verantwortliches Handeln nicht aus einer Ideologie, sondern aus der Wirklichkeit nährt, darum kann nur im Rahmen dieser Wirklichkeit gehandelt werden.‘ Dieses Zitat des Theologen Dietrich Bonhoeffer fasst den Gegenstand der Initiative und den darüber entbrannten Abstimmungskampf ausgezeichnet zusammen. Über parteipolitische – sprich ideologische – , kulturelle, kirchliche und andere Grenzen hinweg findet die Initiative eine breite Unterstützung in allen Bevölkerungsschichten. Im Chor der bejahenden Stimmen nimmt diejenige der Kirchen eine hervorstechende Rolle ein, indem sie das Gewicht im Gegensatz zum kleinkrämerischen Juristengeschwätz und dem von Egoismus geschürten Gejammer über befürchtete Wohlstandseinbussen der Gegner auf die grundsätzliche ethische Bedeutung der Initiative legt.

    Es stände der Schweiz als Geburtsstätte des Roten Kreuzes, das sich im Falle von kriegerischen Auseinandersetzungen jederzeit für die Opfer einsetzt und dafür sorgt, dass diese Schutz und Beistand erhalten, sich im oft ausschliesslich von Gewinnsucht und Wachstumswahn getriebenen Ringen der Kräfte wirtschaftlichen Handelns mit einer deutlichen Annahme der Initiative zur Stärkung der Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt durch die Wirtschaft zu verpflichten und sich so für deren Opfer einzusetzen.

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