, 15. März 2018
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Ein Wuff für die regionale Kunst

Sechs Meter hoch und blau-lila wacht seit dem 13. März ein Hund über St.Gallen. «Hock» heisst das Kunstwerk am Mühlensteg von Anita Zimmermann. Getauft wurde es zu Hot Dog und heissem Schnaps.

Dass ihr Hund nicht politisch bellt oder knurrt, obwohl er auf einem pikanten Grundstück steht, hatte Anita Zimmermann schon am Vortag der Taufe im «Tagblatt» erklärt. Er ist denn auch ursprünglich für eine andere Lokalität entstanden: für die Galerie Widmertheodoridis in Eschlikon. Dort konnte man dem Kunsthund Ende 2017, ganz in Weiss, zusammen mit seinem Vorbild begegnen: der Galeristen-Dogge Idda.

Idda ist auch jetzt, gewohnt kunstroutiniert, dabei, als am Mühlensteg der Hund auf den Namen Hock getauft wird. Inzwischen ist er blau geworden und und hockt auf einem steilen und umstrittenen Grundstück: Hier ist eine Wohnüberbauung geplant. Gegen sie rekurriert unter anderem Richard Hirzel (Clown Pic) als Anwohner.

Dem Hund und seiner Erfinderin geht es jedoch um mehr, wie Leila Bock an der Einweihung sagt: um «grossräumige und wichtige Rundumschläge auf dieser Welt und in unserer Stadt». Um Stadtentwicklung also durchaus – aber weniger baulich als kulturklimatisch.

Der Stadt fehle es an Kunsträumen, sagt Anita Zimmermann zur Begrüssung. Und ihr alter ego Leila Bock holt aus: Es gebe viele und gute Kunstschaffende in der Region. Aber sie hätten zuwenig Möglichkeiten für Auftritte. Die hiesigen «Kunstinstitute» bevorzugten internationale Kunst – das sei nicht falsch, aber einseitig, kritisiert Leila Bock und erinnert noch einmal an ihre Forderung «Leila Bock will die Lok». Die hiesige Kunst hätte «mehr Vertrauen in uns und unsre Gegend» verdient.

Anita Zimmermann, Galerist Jordanis Theodoridis und Hock am Mühlensteg 8a.

Wer da alles aktiv sei, habe sich unter anderem bei den zwei Aktionen von Leila Bock gezeigt, dem Geilen Block 2015 in Rotmonten und dem Geilen Block 2017 in Trogen. Und bei Hiltibold: Seit rund einem Jahr gestalten alle drei Wochen neu zwei  Kunstschaffende die Vitrinen in der Mauer unter St.Mangen, initiiert von Marianne Rinderknecht und Anita Zimmermann. Morgen Donnerstag tritt ein neues Hiltibold-Duo an, Ute Klein und Emanuel Geisser, mehr dazu hier.

Aufgeräumt statt ausserordentlich

Hiltibold sei aber eigentlich nur eine «Aufzählung», sagt Leila Bock. Ein kurzer Unterbruch in der Ordnung, die sonst das Stadtkulturklima präge. Ordnung sei «das Vergangene, das zu einem gültigen System sortiert wurde». «Wir sind eine ganz tolle und aufgeräumte Stadt. Das heisst: Die Grundlage ist geschaffen. Ich hätte gerne mehr Mut zum Ausserordentlichen. Eine leichte Wertverlagerung zum Aussergewöhnlichen».

Aufräumen sei wichtig, findet Leila Bock. Aber: «Alles ist so abrufbar und erklärbar und bewilligt und gehalten und verhalten.» Sie wünsche sich eine Stadt mit dem Hang zur Erweiterung der Grenzen im Kopf, mit der Lust auf Schlagrahm und Schnörkel. «Je umtriebiger, umso besser.»

Ihr Wort in der Kunstschaffenden Ohr – Leila Bocks Appell zur Diskussion um die Kunstzone der Lokremise und um zusätzliche Ausstellungsmöglichkeiten ist bisher jedenfalls im Leeren verpufft. Ob es daran liegt, dass mit dem Nextex im Kulturkonsulat, mit den städtischen Ausstellungen im Lagerhaus, mit Kunstkiosk, Klostermauer-Galerie und anderen nichtkommerziellen Räumen das Bedürfnis doch schon einigermassen gedeckt ist?

Leila Bocks Hock würde sicher freudig mit dem Schwanz wedeln, wenn die Diskussion zumindest geführt würde.

Wacher Wachhund

Denn Hock sieht, wie Galerist Jordanis Theodoridis in seiner Rede sagt, ziemlich gut über die ganze Stadt hinweg und eignet sich also auch als Wachhund – wofür oder wogegen auch immer. Grossskulpturen wie diese hätten in St.Gallen eine kontroverse Tradition: Signers Rotes Fass, Serras «Trunk» und andere lassen grüssen. Aber Hock wird es voraussichtlich einfacher haben. Er steht etwas versteckt mitten in den Häusern am Rand der Mühlenenschlucht. Er ist bloss aus Styropor. Und er muss weg, falls die Überbauung kommt, in etwa einem Jahr.

Bis dann aber soll er knurren und bellen und seine Schnauze in das Stadtgeschehen stecken – das kulturklimatische ebenso wie das bauliche.

 

 

 

 

 

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